Besuch im „Mariental“
Glaube Seit Heinrich Maucher im November im Wald bei Baumgärtle gestorben ist, reißt der Besucherstrom nicht ab. Was aber wird aus seinem Mariental?
Auch nach dem Tod des Eremiten Hermann Maucher bleibt sein „Mariental“bei Bedernau ein Anziehungspunkt für Gläubige. Mehr dazu auf
Baumgärtle Seltsam. Aus dem Mariental steigt Rauch auf. Exakt 50 Tage, nachdem der Eremit Heinrich Maucher am 19. November 2020 friedlich vor dem Marienaltar eingeschlafen ist, nachdem er 35 Jahre lang im Wald gelebt und gebetet hat, hat jemand in der Wohnhütte unweit von Bedernau den Ofen angeworfen. In seinem Zufluchtsort, mitten im Wald zwischen Baumgärtle und Bedernau gelegen, qualmt im Januar aus einem Ofenrohr Rauch. Wie kann das sein?
Auf den ersten Blick hat sich nicht viel verändert in Mariental, seit der fast 80-Jährige in seiner Wohnhütte mitten in seinem täglichen Ritual eingeschlafen ist, zur Muttergottes Maria zu beten. Dazu hatte er extra einen kleinen Raum gleich neben der Eingangstür als Gebetsraum mit zahlreichen Heiligenbildern und Kerzen hergerichtet.
Seine sterblichen Überreste sind auf dem Friedhof in Bedernau im Grab der Eltern beerdigt worden. Noch steht dort ein Holzkreuz mit seinem Sterbebildchen, so wie es 400 in seinem Mariental gibt. Schnee ist an diesem 50. Tag nach seinem Tod dazugekommen, was den Ort noch magischer macht als ohnehin schon. Zwei gelbe Warnschilder weisen Besucher darauf hin, dass das Betreten des Grundstücks auf eigene Gefahr erfolgt. Neu ist auch eine Kunststoffhülle, in der sich ein Zettel und ein Stift befinden. Es ist eine Unterschriftenliste, auf der Unbekannte dafür werben, das Mariental doch zu erhalten.
Heinrich Maucher soll ein Testament aufgesetzt haben. Demnach gehe Mariental an einen Orden, den Orden der Mütter vom Heiligen Kreuz. Das könnte die Chance sein, wenigstens einen Teil dieses frommen Gebetsortes zu erhalten. Ordensvertreter sollen schon mal vorbeigeschaut haben, heißt es.
Inzwischen ist die Osterzeit angebrochen und die Formalitäten in diesem Erbfall befinden sich kurz vor dem Abschluss. Der Orden der Mütter vom Heiligen Kreuz ist ein römisch-katholischer Frauenorden. Er wurde 1844 in Menzingen im schweizerischen Kanton Zug gegründet. Er wirkt heute besonders in Tansania, Afrika. Breitenbrunns Bürgermeister Jürgen Tempel sagt, ob Mariental oder wenigstens ein Teil davon erhalten bleiben kann, liege an den Erben. Die Gemeinde habe hier keine Handhabe.
Nach wie vor pilgern Menschen ins Mariental. Die wenigsten scheint bloße Neugier hierherzulocken. So mancher erhofft sich Beistand durch die unzähligen Gebete und die Kraft des Glaubens, die der Eremit ausgestrahlt hat. Rund 400 Holzkreuze von Verstorbenen zeugen von diesem Gottvertrauen. Die Menschen respektieren das Erbe des Eremiten.
Alles ist weitgehend unverändert, nichts zerstört.
Der Schnee ist längst weggeschmolzen, das Frühjahr hat in Baumgärtle Einzug gehalten. Die Karwoche wäre dem gläubigen Eremiten besonders wichtig gewesen, den so manche seiner regen Bautätigkeit wegen als den Zimmermeister Gottes bezeichnet haben. An Ostern war er immer im Mariental anzutreffen, weil er wusste, da kommen besonders viele Leute vorbei.
Von den 45 Gebäuden aus Holz stehen seit dem Ableben von Heinrich
Maucher noch 44. Eine Hütte war so marode, dass sie nicht mehr zu retten war. Am größten sind die Wohnhütte und die „Kathedrale“. Manche sagen auch „Dom“dazu. Das ist das größte Holzhaus, das Heinrich Maucher vor rund fünf Jahren nahezu allein gebaut hat. Eines Tages war er aufgewacht, so wird erzählt, und er fing mit seinem neuesten Projekt an, weil Gott ihn im Traum dazu ermuntert habe. Es ist ein Kirchenraum mit Empore, wo mehr als 100 Leute einen Sitzplatz finden. In dieser Kathedrale hat Maucher an Sonntagnachmittagen gemeinsam mit Besuchern Marienlieder gesungen.
Heinrich Maucher hat die Hütten als Überlebensräume gebaut. Er sah kommende Kriege auf die Menschheit zukommen und wollte mit seinen Hütten den Menschen einen sicheren Zufluchtsort bauen. Dazu passt auch, dass er Unmengen an Knäckebrot gehortet hat.
Mariental liegt still und friedlich mitten im Wald. Die teils mit Platten ausgelegten Pilgerrundwege sind mit Blumentöpfen und Blumen aus Plastik eingefasst; dazu kommen die Mariendarstellungen, die Bilder von frommen Gläubigen wie Pater Pio oder die Fatima-Grotte und Kerzen. Aber da ist noch der Rauch, der auf Leben hindeutet. Er dampft aus dem Kaminrohr weiter hinten, dort, wo Heinrich gewohnt hat.
Eine ältere Frau hat hier eingeheizt. Sie hat sich 17 Jahre lang immer wieder um den tief gläubigen Eremiten gekümmert. Sie war es auch, die Heinrich sonntags regelmäßig mit dem Auto zur Gebetsstätte Wigratzbad bei Lindau zum Gottesdienst gefahren hat. Dort hatte Heinrich Maucher engen Draht zum
Priester Dr. Ingo Dollinger, der vor ein paar Jahren gestorben ist. Ein Holzkreuz in Mariental erinnert an ihn.
Die Frau bat darum, ihren Namen nicht in der Zeitung zu schreiben. Deshalb nennen wir sie einfach Petra T. Sie war es auch, die Heinrich Maucher reglos in seinem Gebetszimmer gefunden hat, damals Mitte November. Die Tür war verschlossen, also rief sie Rettungskräfte herbei. Heinrich Maucher war aber nicht mehr zu helfen. Er war friedlich mitten im Gebet mit einem entspannten Gesichtsausdruck eingeschlafen. Er hatte vor einem Marienaltar in seiner Wohnhütte gekniet. So sehr Heinrich Maucher in Sorge um die Menschheit insgesamt war, wie er dem Verfasser dieses Artikels in persönlichen Gesprächen wiederholt gesagt hat, so wenig Angst hatte er um sein eigenes Seelenheil. Für ihn, den frommen Eremiten im Wald, gab es nicht den Hauch eines Zweifels. Nach seinem Tod werde er direkt in den Himmel auffahren, hatte er noch Ende Oktober erzählt und dazu übers ganze Gesicht gestrahlt.
In den Tagen nach Bekanntwerden des Todes fanden regelrechte Prozessionen durch Mariental statt.
Gläubige machten sich auf den Weg, um vom Eremiten Abschied zu nehmen und vielleicht auch etwas von dem Segen abzubekommen, den dieser Mann ausgestrahlt hat. Nach wie vor schauen Menschen in Mariental vorbei. Die Faszination, die der Eremit ausgelöst hat, ist ungebrochen.
Maucher hat jeden Tag stundenlang zu Gott und der Gottesmutter Maria gebetet. Er hat für alle Menschen und ihr Seelenheil Gott angerufen und Buße für die Menschheit getan. Er selbst gönnte sich nichts und brauchte nur das Notwendigste zum Leben. Meist war er sogar barfuß unterwegs, auch im Winter.
Petra T. erzählt noch die Geschichte einer Familie, deren Kind schwer krank war. Heinrich hat daraufhin tagelang nichts gegessen, weil er mit seiner Buße dem Kind helfen wollte.
50 Tage vor seinem Tod soll Heinrich im Traum die Zahl 50 erschienen sein. Was genau mit dieser Erscheinung gemeint war, hat er nicht mehr enträtseln können. Als Petra T. den Leichnam fand, rechnete sie nach und kam tatsächlich auf 50 Tage seit dem Traum. Sie ist sich sicher: Heinrich Maucher war ein Heiliger.
Die größte Wohnhütte wird auch Dom oder Kathedrale genannt