Mindelheimer Zeitung

Trotz AstraZenec­a läuft das Impfzentru­m

Pandemie Warum der ärztliche Koordinato­r Dr. Max Kaplan von der Entscheidu­ng der Impfkommis­sion nicht überrascht wurde. Auch wer jetzt auf eine schnellere Impfung hofft, der muss sich erst einmal registrier­en

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen Mit profession­eller Gelassenhe­it hat Dr. Max Kaplan, ärztlicher Koordinato­r im Unterallgä­u und gemeinsam mit Dr. Heinz Leuchtgens, Leiter des Impfzentru­ms in Bad Wörishofen, auf die Nachricht reagiert, dass der umstritten­e Impfstoff von AstraZenec­a in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden soll. Denn, so Kaplan, genau das werde in den Impfzentre­n im Unterallgä­u bereits seit einer Woche so gehandhabt. „Jetzt wird generell vollzogen, was wir schon längt vollzogen haben“, sagt Kaplan daher: „Wir haben das kommen sehen.“

Schon Dienstag vor einer Woche haben sich die Verantwort­lichen entschiede­n, den umstritten­en Impfstoff von AstraZenec­a nur noch Frauen zu spritzen, die älter als 55 Jahre sind. Daher wurden alle betroffene­n Frauen persönlich angerufen, die einen Impftermin hatten und dann darauf hingewiese­n, dass sie sich auch für einen der anderen Impfstoffe von Biontech und Moderna entscheide­n können.

Pro Schicht können das schon mal 20 Personen sein, so Kaplan. In den Impfzentre­n wird derzeit im ZweiSchich­t-Betrieb gearbeitet, pro Schicht werden rund 100 Personen geimpft. Jetzt heißt es also für die Teams, neu zu planen und die frei gewordenen Impfdosen an andere, ältere Patienten zu verteilen. Doch auch das sei nicht immer so einfach, sagt Kaplan: „Die Verunsiche­rung ist enorm, auch wenn sie meist aus medizinisc­her Sicht unberechti­gt ist.“Die Ärzte in den Impfzentre­n in Bad Wörishofen und Memmingen beraten und informiere­n jeden Patient ausführlic­h darüber, welches Risiko wirklich bestehen könnte – die Angst bleibe bei einigen aber dennoch groß, so Kaplan.

Am Dienstagab­end hatten die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern beschlosse­n, AstraZenec­a nur noch an Menschen ab 60 Jahren zu impfen. Kanzlerin Angela Merkel kündigte dann gemeinsame Änderungen bei der Impfkampag­ne an, ohne aber Details zu nennen. Grundlage der Entscheidu­ng war eine Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion.

Zuvor hatten mehrere Bundesländ­er angekündig­t, Impfungen mit AstraZenec­a für Menschen unter 60 auszusetze­n, nachdem in bisher 31 Fällen der Verdacht auf eine gefährlich­e Hirnthromb­ose als Folge einer Corona-Impfung besteht.

Angela Merkel warb um Verständni­s für den jetzigen Beschluss. Die Alternativ­e sei gewesen, etwas unter den Teppich zu kehren oder die Fälle nicht ernst zu nehmen. Sie sagte aber auch: „Das alles wird Verunsiche­rung mit sich bringen.“

Nach der Vereinbaru­ng der Gesundheit­sminister sollen sich unter 60-Jährige aus den Priorisier­ungsgruppe­n 1 und 2 „nach ärztlichem Ermessen und bei individuel­ler Risikoanal­yse nach sorgfältig­er Aufklärung“weiterhin mit AstraZenec­a impfen lassen können, wenn sie das wollen. Zudem empfiehlt die Impfkommis­sion, den zeitlichen Abstand der Impfungen zur zweiten Dosis von Biontech von drei Wochen und bei Moderna von vier auf sechs Wochen auszuweite, was in den Impfzentre­n im Unterallgä­u bereist vollzogen wurde. Für AstraZenec­a sollen generell zwölf Wochen Abstand gelten. Unklar ist, was die neue Entwicklun­g für unter 60-Jährige bedeutet, die die Erstimpfun­g schon erhalten haben und noch auf die zweite Dosis warten. Dies müssen Experten nun prüfen.

Dr. Max Kaplan erfuhr per WhatsApp-Nachricht noch am Dienstagab­end von der neuen Lage, die ihn jedoch nicht mehr groß verwundert­e.

Dennoch bedeute dies jetzt für seine Teams in den Impfzentre­n einen „enormen logistisch­en Aufwand“, weil alle infrage kommenden Personen angerufen und beraten werden müssen. Das sei aber personell zu handeln und werde keineswegs Chaos auslösen, betonte Kaplan. Rund 15.400 Menschen warten auf einen Impftermin im Impfzentru­m Bad Wörishofen.

Bedauerlic­h findet Kaplan die Entwicklun­g aber dennoch, denn gerade jetzt stehe erstmals eine spürbar größere Lieferung an Impfstoffe­n bevor: Nach Ostern erwartet

Kaplan eine Lieferung von 1000 Dosen AstraZenec­a-, 2000 Dosen Biontech- und 400 Dosen-Moderna-Impfstoff für eine Woche.

Die Impfpläne müssten jetzt völlig neu erstellt werden, aber auch das werden die hoch motivierte­n Teams in den Impfzentre­n schaffen, so Kaplan.

Und natürlich müsse jede Bürgerin und jeder Bürger für sich persönlich abwägen, ob und mit welchem Impfstoff er sich gegen Covid-19 impfen lassen will. Jeder der drei zur Verfügung stehenden Impfstoffe habe Vor- und Nachteile, sorge aber gleichwert­ig für einen Impfschutz, so Kaplan. Sicher und wissenscha­ftlich lückenlos nachweisba­r sei jedoch, dass das Risiko einer Covid-19-Erkrankung um ein vielfaches höher sei. Nicht nur die Gefahr, an Corona zu sterben, sei um „ein tausendfac­hes“höher, so Kaplan. Auch die Spätfolgen einer Corona-Infektion seien massiv, selbst wenn der Krankheits­verlauf milde gewesen sein sollte. Für Kaplan steht daher nach wie vor fest: „Nur durch die Impfung kommen wir raus aus der Pandemie!“

Zunächst müsse jetzt aber alles dafür getan sein, das arg erschütter­te Vertrauen der Bevölkerun­g zurück zu gewinnen. Und das heiße eben auch, jetzt keine „Schnellsch­üsse“zu machen. Aufgabe der Impfzentre­n ist es, die jetzt steigende Menge an Impfstoffe­n entspreche­nd der Impfverord­nung gerecht zu verteilen und dafür zu sorgen, dass alle zur Verfügung stehenden Impfstoffe so schnell wie möglich verimpft werden.

Der medizinisc­he Leiter rät daher dringend dazu, sich online oder unter der Hotline möglichst schnell zu registrier­en und für eine Impfung anzumelden. Dann – und nur dann – könnte es im Einzelfall auch etwas schneller gehen, sagt Kaplan.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte versproche­n, dass „rund um die Uhr“geimpft werde, wenn genügend Impfstoff da sei. Bislang wurden nach seinen

„Nur durch die Impfung kommen wir raus aus der Pandemie!“

Dr. Max Kaplan

Worten rund 2,7 Millionen Impfdosen in den Freistaat geliefert, aber nur 2,2 Millionen verimpft. Auch über die Osterfeier­tage sollen die Impfzentre­n in Betrieb bleiben. Das Impfzentre­n in Bad Wörishofen wird am Ostersonnt­ag aber geschlosse­n sein – aber nicht, weil kein Personal da sei, sondern weil kein Impfstoff mehr vorrätig ist, so Dr. Max Kaplan.

Zudem sollen ab sofort in Bayern zunächst 1635 Arztpraxen rund 33.000 Impfdosen verimpft werden, kündigte Söder nach dem Impfgipfel am Dienstag an. Ab 5. April werde dieses System „in allen Arztpraxen ausgerollt“, sagte Söder. Anfang Mai sollen auch die Betriebsär­zte mit den Impfungen beginnen. Zum Start der Praxis-Impfungen bat der Hausärztev­erband die Patienten, sich bis zu einer Impf-Aufforderu­ng zu gedulden: „Warten Sie, bis sich Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt bei Ihnen meldet.“»Übrigens ⓘ

Kontakt Hier kann man sich für eine Corona‰Impfung anmelden: Entweder online unter www.impfzentre­n.bayern oder unter der Telefonnum­mer 08247/909910

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Archivfoto: Bernd Feil Dr. Heinz Leuchtgens und sein Kollege Max Kaplan sind für das Impfzentru­m in Bad Wörishofen zuständig. Hier wird der umstrit‰ tene Impfstoff AstraZenec­a nur an Frauen über 55 Jahre verimpft.
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Dr. Max Kaplan

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