Regieren ohne Ende?
16 Jahre im Amt – das finden manche Politiker zu lang und fordern, die Amtszeit des Bundeskanzlers zu begrenzen. Der Ruf kommt auch aus Angela Merkels eigener Partei
Berlin Es dauert nicht lange, bis die Rufe zu hören sind. Kurz nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel vor die Kameras gestellt und für die nicht zu Ende gedachte Idee einer „Osterruhe“entschuldigt hat, fordern die Ersten, die Amtszeit künftiger Bundeskanzler zu begrenzen. Merkel, seit bald 16 Jahren im Amt, habe ihren Zenit überschritten, so lautet der Tenor.
Inzwischen ist die Debatte voll entbrannt, ob es – wie beispielsweise in den USA – festgeschrieben werden sollte, dass eine Regierungschefin oder ein Regierungschef nach zwei Legislaturperioden nicht mehr antreten darf. „Zum einen lebt Demokratie vom Wechsel, zum anderen hat bislang bei allen Kanzlerinnen oder Kanzlern der Gestaltungswille mit fortlaufenden Amtszeiten deutlich nachgelassen“, sagt FDPGeneralsekretär Volker Wissing unserer Redaktion. „Deswegen wäre eine Begrenzung der Amtszeit von Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern sinnvoll.“
Die Liberalen wollen die Legislaturperiode auf Bundesebene von derzeit vier auf fünf Jahre verlängern. Gleichzeitig würden sie aber die Amtszeit künftiger Kanzler auf höchstens zwei Legislaturperioden, also maximal zehn Jahre, begrenzen. Sogar in der Union gibt es erste Forderungen, vom Prinzip der Dauerkanzler Marke Adenauer, Kohl oder Merkel abzurücken. So plädiert Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann im Spiegel wie die FDP dafür, die Amtszeit nach zwei Legislaturperioden automatisch zu beenden. Parteien würden damit gezwungen, sich permanent zu erneuern, betont der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion – der nicht gerade zu den glühenden Fans der aktuellen Kanzlerin zählt. Die Regeln sollten auch für Spitzenämter in der Union und Ministerposten gelten, findet Linnemann. „Ohne Erneuerung ermatten wir“, fürchtet der CDU-Politiker. „Harmonie ist ja schön. Aber man muss schon auch darauf achten, dass die Union eine Zukunft hat, lebendig bleibt.“
Die CSU ist zumindest gesprächsbereit. „Wir stehen dem Thema grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber, sind aber der Meinung, dass es momentan Dringlicheres gibt als eine solche Debatte“, sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume unserer Redaktion. Parteichef Markus Söder wollte die Bayern 2018 kurz nach seinem Amtsantritt über eine Begrenzung der Regierungszeit eines Ministerpräsidenten auf zehn Jahre abstimmen lassen.
Doch die Opposition witterte damals „vorgespielte Demut aus wahltaktischen Überlegungen“und bremste einen Volksentscheid aus.
Damals hatte sich die Diskussion am schleppenden Ende der Ära Horst Seehofer entzündet. Der hatte immer wieder mit seinem Abschied kokettiert, mögliche Nachfolger wahlweise positioniert oder torpediert – und am Ende doch die Macht nicht freiwillig hergeben wollen.
Den eindrücklichsten Fall eines Politikers, der nicht loslassen konnte,
Auch Helmut Kohl war 16 Jahre lang Kanzler
hat Merkel zu Beginn ihrer Karriere aus nächster Nähe erlebt. Ihr politischer Entdecker Helmut Kohl wollte eigentlich nach 16 Jahren im Kanzleramt aufhören und hatte mit Wolfgang Schäuble schon einen Kronprinzen ernannt. Doch am Ende war Kohls Sucht nach der Politik stärker als die Einsicht, dass seine große Zeit hinter ihm lag. Er trat 1998 noch einmal an – und ließ den Wähler seine Karriere beenden.