Mindelheimer Zeitung

Zehn Fakten und Irrtümer über (Oster)Hasen

Natur Was sie überhaupt mit Ostern zu tun haben, warum sie keine Kaninchen sind, aber sich so vermehren und was man sonst noch über die Feldhasen wissen sollte, die durchs Unterallgä­u hoppeln

- VON MELANIE SPRINGER‰RESTLE

Unterallgä­u Mit der christlich­en Lehre hat der Osterhase genauso viel oder wenig gemein wie der Weihnachts­mann. Trotzdem ist er hierzuland­e an Ostern nicht wegzudenke­n. Selbst in Zeiten einer Pandemie hoppelt er fröhlich durch die Gärten und verteilt bunte Eier. Warum der Feldhase auch außerhalb der Osterzeit ein interessan­ter Zeitgenoss­e ist, welche Irrtümer über ihn richtigges­tellt werden sollten und wie es um seine Zukunft steht, erfahren Sie hier.

Häschen in der Grube

Was im Volksmund als Grube bezeichnet wird, nennt man korrekterw­eise „Sasse“. In dieser Erdmulde macht sich Meister Lampe tagsüber einen Lenz, seine kulinarisc­hen Streifzüge macht er in der Regel erst abends. Den Weg zu seiner Ruhestätte geht er niemals direkt an, um etwaige Fressfeind­e abzuschütt­eln.

Tausche Löffel gegen Brille

Der Feldhase hat durch seine seitlich am Kopf sitzenden Augen zwar ein großes Sehfeld, aber bei der Auflösung hat der Pixel-Gott leider gespart. Seinen mäßig ausgeprägt­en Sehsinn kompensier­t Meister Lampe mit den sogenannte­n Löffeln. Die langen, wie Löffel anmutenden Ohren ermögliche­n es ihm, Geräusche aus weiter Ferne wahrzunehm­en und auf der Hut zu bleiben.

Häschen hüpf, Häschen hüpf

Was für uns wie ein unkoordini­ertes Herumsprin­gen aussehen mag, ist in Wahrheit eine ausgeklüge­lte Ablenkungs­strategie von Meister Lampe. Denn der Hase umkreist seine Sasse in weiten Bögen, schlägt Haken und macht erst am Ende einen großen Satz in die Erdmulde. Fressfeind­e wie der Marder oder der Fuchs können dann mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen, da es schier unmöglich ist, der Duftspur des Hasen zu folgen.

Ein Hase ist kein Kaninchen …

Wer glaubt, einen Hasen als Haustier zu haben, irrt sich mit hoher Wahrschein­lichkeit und hat stattdesse­n ein Kaninchen. Hasen sind keine Schmusetie­re. Sie lieben die Freiheit und sind nicht domestizie­rbar. Zwar gehören Kaninchen und Feldhasen beide zur Familie der Hasenartig­en, doch im Unterschie­d zum Kaninchen ist der Feldhase wesentlich größer und hat längere Ohren. Hasen bringen bis zu sechs Kilo auf die Waage, Kaninchen – wenn nicht zum Verzehr gezüchtet – nur zwei. Außerhalb der Paarungsze­it ist der Feldhase ein Einzelgäng­er, während Kaninchen in Kolonien unter der Erde hausen.

… vermehrt sich aber wie eins

Bis zu viermal im Jahr können Feldhasen bis zu fünf Junge kriegen. Die Häsin hat zwei Gebärmütte­r, was ihr ermöglicht, erneut befruchtet zu werden, während der erste Wurf noch im Bauch heranwächs­t. Aufgrund seiner Fruchtbark­eit wurde der Hase zum Symbol des Lebens – und passt deshalb hervorrage­nd zu Ostern. Volkskundl­ern zufolge versinnbil­dlicht er die erwachende Natur.

Mit Heckantrie­b durchs Gelände

Bis zu 70 Kilometer pro Stunde bringt der Feldhase auf den Tacho, wenn er denn muss. Dabei dienen seine Vorderbein­e lediglich als Lenkvorric­htung, denn wäre der Hase ein Auto, hätte er einen klassische­n Heckantrie­b. Seine Hinterbein­e haben es mächtig in sich und sorgen für das schnelle Vorankomme­n.

Der Speiseplan

Während im Winter eher Brombeerbe­stände, Rinde und Zweige auf dem Speiseplan stehen, ernährt sich der Feldhase im Sommer am liebsten von Klee, Gräsern und Feldfrücht­en. Meister Lampe ist also ein Veganer par excellence und braucht seine vielfältig­e KräuterApo­theke, um ein wohliges Dasein zu führen.

Die Hasenschar­te

Was bei Menschen als kosmetisch­er Makel gilt, ist beim Hasen ein Geniestrei­ch der Natur. Die Oberlippe des Hasen ist zweigeteil­t. Wenn er einen Zweig mit seinen Hasenzähne­n angeht, kann er eine Hälfte der Lippe einfach wegklappen und ungehinder­t knabbern.

Harte Zeiten für Hasen

Anton Huber (69) aus Egelhofen, der vor dem Generation­enwechsel einen Land- und Forsttechn­ikbetrieb führte und leidenscha­ftlicher Jäger ist, hat Mitleid mit dem Feldhasen. „Der Arme hat bei uns richtig zu kämpfen“, sagt Huber und verweist auf die intensive Landwirtsc­haft, unter deren Einsatz von Pestiziden der Feldhase stark leide. Ihm fehle zudem die natürliche Äsung, zu der auch Kräuter gehören, deren Bestand durch chemische Spritzmitt­el zunehmend zurückgeht. Dr. Hermann S. Walter, Leiter des Staatsfors­tbetriebs Ottobeuren, bestätigt dies, beteuert jedoch, dass es der Hase im Staatsfors­t vergleichs­weise gut habe. Hier treffe Meister Lampe auf hervorrage­nde Äsungs- und Deckungsve­rhältnisse. Entspreche­nd stabil seien die Bestände. Da der Verbiss durch den langohrige­n Gesellen nicht tragisch ist, sei auch die Bejagung eher moderat.

Der Bund Naturschut­z setzt sich für den Hasen ein und fordert von der Staatsregi­erung eine Ökologisie­rung der Agrarzahlu­ngen, weniger Flächenver­brauch und eine konsequent­e Umsetzung des Volksbegeh­rens Artenvielf­alt. Der ökologisch­e Landbau verzichte auf Mineraldün­ger und chemische Spritzmitt­el, baue viele verschiede­ne Kulturen an und sehe Wildkräute­r nicht nur als Unkraut an. All dies käme Meister Lampe sehr entgegen.

Dem Hasen helfen

Was kann man selbst für Meister Lampe tun? Konsumente­n könnten ihren Beitrag zu verbessert­en Lebensbedi­ngungen für den Osterhasen leisten, erklärt der Bund Naturschut­z, etwa, indem man Erzeugniss­e aus ökologisch­em Landbau oder lokalen Naturschut­zprojekten kauft, da dort die Artenvielf­alt unterstütz­t wird. Wenn wir Menschen draußen unterwegs sind, sollten wir immer daran denken, dass wir uns im „Wohnzimmer“der Wildtiere bewegen und sich gerade ab dem Frühjahr überall in Wald, Feld und Flur „Tierkinder­stuben“befinden, erklärt die Kreisjäger­schaft Mindelheim. Ein alleinsitz­ender junger, unverletzt­er Hase ist meist nicht in Not. Ein unbedachte­s Aufnehmen könnten ihn erst richtig in eine Notsituati­on bringen. Auch Hunde, die ungehemmt durch Feld und Wiesen tollen, können eine ernste Gefahr für Jungtiere aller Art darstellen. „Was für unseren Vierbeiner Spiel und Spaß bedeutet, versetzt das Wild sehr oft in Angst und Schrecken und führt nicht selten auch zum Tod“, so die Kreisjäger­schaft. Es sollte daher für jeden Halter selbstvers­tändlich sein, seinen Hund in Feld und Wald anzuleinen.

 ??  ?? An Ostern dreht sich alles um den Hasen. Dieses Exemplar hier ist unserer Fotografin Ulla Gutmann vor die Kameralins­e gehoppelt – und hat brav stillgehal­ten, bis das Foto im Kasten war.
An Ostern dreht sich alles um den Hasen. Dieses Exemplar hier ist unserer Fotografin Ulla Gutmann vor die Kameralins­e gehoppelt – und hat brav stillgehal­ten, bis das Foto im Kasten war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany