Mindelheimer Zeitung

Die Methode Alfred Sauter

Maskenaffä­re Sein Netzwerk soll der Politiker nicht nur für eigene Geschäfte genutzt haben, sondern auch im Sinne der CSU. Hat der Strippenzi­eher tatsächlic­h Parteispen­den in großem Stil eingesamme­lt? Um ein geheimnisv­olles Gremium ranken sich viele Gesch

- Von Uli Bachmeier, Holger Sabinsky-Wolf und Michael Stifter

Es gibt zwei Worte, die CSU-Politiker scheuen wie der Teufel eine Pilgerreis­e nach Kloster Andechs: Amigos und Parteispen­denskandal. Seit den Razzien bei den Abgeordnet­en Alfred Sauter und Georg Nüßlein schlägt sich die Partei mit neuen Amigo-Vorwürfen herum. Den zweiten Begriff brachte ausgerechn­et Generalsek­retär Markus Blume selbst ins Spiel. Als es um die Aufarbeitu­ng der Maskenaffä­re ging, beteuerte er, es gebe bislang keinen Hinweis auf einen Zusammenha­ng mit Parteispen­den. Nur: Danach hatte gar niemand gefragt. Warum also lässt die CSU-Spitze die eigenen Finanzen durchleuch­ten? Externe Wirtschaft­sprüfer sollen die Bücher der Gesamtpart­ei sowie der CSU-Verbände in Neu-Ulm und Günzburg, aus denen die beiden betroffene­n Abgeordnet­en stammen, unter die Lupe nehmen. Was ist da los? Traut sich die CSU beim Geld selbst nicht über den Weg? Oder muss sie sich sorgen, dass ihr mit dem Skandal treue Parteispen­der von der Fahne gehen?

Alfred Sauter steht jedenfalls im Ruf, erfolgreic­h Spenden für die CSU eingesamme­lt zu haben. Das ist nicht illegal, solange es dafür keine konkreten politische­n Gegenleist­ungen gibt. Im Zuge der Enthüllung­en über Sauters moralisch fragwürdig­e, möglicherw­eise sogar strafbare Geschäfte mit der CoronaKris­e gerät aber auch all das ins Zwielicht, was er im Dienste der CSU getan hat. Die Grauzone war das Spielfeld, auf dem Sauter keiner etwas vormachte. Doch seit die Justiz den Ex-Justizmini­ster wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit ins Visier genommen hat, fallen immer neue Schlaglich­ter auf die geschäftli­chen Aktivitäte­n des gut vernetzten Politikers. Die Stimmung in der Partei hat sich gegen ihn gedreht. Viele sind entsetzt ob der Summen, die der Kollege nebenbei kassierte, und machen sich Sorgen, was da sonst noch unter dem Mantel der anwaltlich­en Verschwieg­enheit gelaufen sein könnte. Doch Sauter hat nicht nur in die eigene Tasche gewirtscha­ftet. Für die CSU sollen seine Kontakte ebenfalls wertvoll gewesen sein. Er agierte auch hier nicht auf der großen Bühne, sondern in einer Funktion, über die nicht einmal Altgedient­e Genaueres wissen – oder wissen wollen.

Als der 70-Jährige wegen der Ermittlung­en gegen ihn alle Parteiämte­r niederlegt­e, gab er auch seinen Posten als Chef der CSU-Finanzkomm­ission auf. Selbst Kenner der Landespoli­tik mussten da erst einmal nachschlag­en, was es mit diesem

Gremium auf sich hat. Doch viel war auf die Schnelle nicht zu erfahren. In der Parteisatz­ung steht nur, wie sie sich zusammense­tzt. Über ihre Aufgaben kein Wort. Auf offizielle Anfrage teilte die CSU-Pressestel­le mit, der Finanzkomm­ission komme eine „beratende Rolle in Finanzfrag­en“zu. Viel unkonkrete­r könnte man es kaum formuliere­n. Und falsch ist es wohl auch. Denn CSU-Schatzmeis­ter Thomas Bauer stellt im Gespräch mit unserer Redaktion klar, dass sich die Kommission in seiner 17-jährigen Amtszeit in Wahrheit nie getroffen hat. Der weltweit agierende Bauunterne­hmer aus Schrobenha­usen legt Wert darauf, dass es in seiner Ära „nicht einen einzigen Ärger oder Skandal“um die Parteifina­nzen gegeben habe. „Solange ich das mache, habe ich mich sehr bemüht, es so zu machen, dass es keinen Grund gibt zu tagen“, sagt Bauer. Nur, was soll diese Kommission dann überhaupt für einen Sinn gehabt haben?

CSU-Spitzenleu­te, die ansonsten um keine Antwort verlegen sind, werden bei dem Thema einsilbig. Den normalen Parteimitg­liedern dürfte allenfalls bekannt gewesen sein, dass das geheimnisv­olle Gremium einen Vorsitzend­en hatte: Alfred Sauter. Das leuchtete allen ein. Der erfolgreic­he Rechtsanwa­lt gilt schließlic­h als Experte für Finanzgesc­häfte. Weitere Nachfragen wurden all die Jahre nicht gestellt. Seit Sauter unter Korruption­sverdacht geraten ist, wird umso mehr darüber geredet. Hat der Schwabe sein Netzwerk auch genutzt, um die Parteikass­e zu füllen? Aus Sauters näherem Umfeld heißt es, es seien so über die Jahrzehnte mehrere Millionen an Spenden für die CSU zusammenge­kommen. Bauer schüttelt über solche Sätze nur den Kopf. Aus seiner Sicht wird Sauters Rolle als Spendensam­mler heillos überschätz­t. Zwar habe er sich „wie andere auch“um Spenden bemüht und auch „ab und zu“Einladunge­n für Spender gemacht. Dass er der große Spendensam­mler gewesen sei, treffe aber nicht zu. „Das meiste Geld sammeln wir. Von Sauter kam da nicht viel.“An dieser Stelle prallen die Darstellun­gen innerhalb der Partei hart aufeinande­r.

Ein altgedient­er CSU-Mann behauptet, man müsse sich das so vorstellen: Es gibt zwei Schatzmeis­ter, Thomas Bauer und Katrin Albsteiger, die kümmern sich um das Alltagsges­chäft – also zum Beispiel darum, mögliche Parteispen­der anzuschrei­ben, Spenden korrekt zu verbuchen und Dankesbrie­fe zu verschicke­n. Und es gibt den Vorsitzend­en der Finanzkomm­ission, der kümmert sich „um das Spezielle“. Da würden dann Menschen, die viel Geld haben und der CSU nahestehen, zum Abendessen in den Nebenraum eines Luxusresta­urants eingeladen, um im kleinsten Kreis zu dinieren und einen hohen vierstelli­gen Euro-Betrag dazulassen. Vierstelli­g sei der Betrag deshalb, weil der Name des Spenders dann nicht veröffentl­icht werden muss. Oft liege die Summe deshalb knapp unter 10 000 Euro. Und der „kleinste Kreis“sei tatsächlic­h sehr klein. Will heißen: der Parteichef, die Spender – und Sauter. Ein anderes Mitglied im CSU-Vorstand geht sogar noch weiter: „Alfred Sauter war

der Spendensam­mler der CSU. Er hat ja alles finanziert. Ohne ihn gäbe es das neue Gebäude der Landesleit­ung so nicht.“Der Schwaben-Pate, wie er bisweilen halb ehrfürchti­g, halb abschätzig genannt wird, habe sich im Gegenzug beste Kontakte in die Parteiführ­ung gesichert, denn mit dem Posten an der Spitze der Finanzkomm­ission war auch ein Platz im CSU-Präsidium verbunden.

Bauer betont, die Essen mit den Spendern würden in aller Regel von den Schatzmeis­tern organisier­t. Der jeweilige Parteichef nehme nur selten teil. „Die haben dafür meistens keine Zeit“, sagt Bauer. Zumeist müssten andere Parteigröß­en als Gesprächsp­artner für die Spender gesucht werden. Was mögliche Versuche der Einflussna­hme der Spender auf die Politik betrifft, ist Bauer nach eigenen Worten „vorsichtig bis zum Umfallen“. Da gebe es ein „großes Dankeschön und ein kleines Bitteschön und das war’s dann auch“. Das mag so zutreffen, anderersei­ts hat die CSU-Spitze nach den Enthüllung­en um Sauter ein lebhaftes Interesse daran, sich maximal von ihm zu distanzier­en. Er steht mit seinen eigenen Geschäften in jenem Zwielicht, in das die Partei auf keinen Fall geraten will.

Kaum ein anderer wusste seine Kontakte so gut zu nutzen wie Sauter. Dass er stets zu den Top-Nebenverdi­enern im Landtag gehörte, schien all die Jahre niemanden wirklich zu stören. Insgeheim wurde er sogar von manchen bewundert für Sprüche wie: Selbstvers­tändlich habe er einen Nebenjob – Abgeordnet­er. Dass sich seine Tätigkeit als Anwalt oft hart an der Kante zwischen Wirtschaft und Politik abspielte, wurde geduldet. Ließ man ihn auch deshalb sein Ding machen, weil er den Parteifina­nzen dienlich war? Einer aus der Führungsma­nnschaft der CSU formuliert es andersheru­m: Sauter nun als Spendensam­mler zu verlieren, sei besch... „Wenn das wegbricht, bricht ein wesentlich­er Teil der Finanzieru­ng und Kampagnenf­ähigkeit der CSU weg“, warnt er sogar. Sauter habe in die Spendenakq­uise viel von seinem persönlich­en Netzwerk gesteckt. Zur Aura des gerissenen Günzburger­s gehört eben auch, dass man ihn in den Chefetagen von Unternehme­n für seinen wirtschaft­lichen Erfolg respektier­te. „Die haben ihn als ebenbürtig, als ihresgleic­hen akzeptiert“, sagt ein langjährig­er Weggefährt­e. Dass Sauter im Landtag einmal tönte, er zahle als Anwalt so hohe Steuern, dass er quasi selbst seine Diäten als Abgeordnet­er finanziere, machte in solchen Kreisen, wo es an Testostero­n nicht mangelt, Eindruck. Die Partei könnte nun allerdings unter solchen Geschichte­n leiden. Um den Imageschad­en möglichst klein zu halten, hat sich die CSU-Spitze zu einer nie da gewesenen Transparen­zoffensive entschloss­en. Doch hinter den Kulissen fürchtet man Folgen für die finanziell­e Schlagkraf­t der Partei. „Wenn das kommt, was Söder da in seiner Absoluthei­t verkündet hat – mehr Transparen­z, Absenkung der Spendengre­nzen und alles Mögliche – dann wird sich die CSU extrem schwertun, noch in gleichem Maße Spenden zu akquiriere­n“, fürchtet ein Vorstandsm­itglied.

Der Ruf Sauters als Macher im Hintergrun­d hängt auch mit einem speziellen Projekt zusammen. In seiner Zeit als Parteichef revitalisi­erte Horst Seehofer das Amt des Vorsitzend­en der Finanzkomm­ission und ernannte seinen engen Vertrauten Alfred Sauter. Es waren aber wohl nicht nur persönlich­e Sympathien,

die dem Schwaben 2014 den Posten einbrachte­n, den vor ihm schon Dagmar Wöhrl innehatte, einstige Miss Germany, Bundestags­abgeordnet­e und heute vor allem bekannt als Investorin im Fernsehfor­mat „Die Höhle der Löwen“. Die CSU suchte damals eine neue Parteizent­rale. Auf dem sündteuren und heiß umkämpften Münchner Immobilien­markt keine leichte Aufgabe. Sauter wiederum ist dort bestens vernetzt. Das Geschäft mit Immobilien ist sein Revier als Anwalt. Er vermittelt­e angeblich auch das passende Objekt. Daraus wurde womöglich der Stoff, aus dem Legenden entstehen. Insider berichten, auf der Suche nach Spendern sei ein Projekt mit dem Arbeitstit­el „100 mal 10000“gestartet worden. Die Idee: Hundert Leute werfen jeweils bis zu 10000 Euro ins CSU-Sparschwei­n, um die Finanzieru­ng der Immobilie zu unterstütz­en. Auch hier sei es um die Grenze gegangen, bis zu der einzelne Zuwendunge­n an Parteien erfolgen dürfen, ohne dass die Spender öffentlich gemacht werden müssen.

Dass die CSU ihre alte Parteizent­rale an der Nymphenbur­ger Straße verkaufen und 2016 in ihr neues, rund 20 Millionen Euro teures Domizil in der Parkstadt Schwabing im Norden Münchens umziehen konnte, halten manche im Wesentlich­en für Sauters Verdienst. Doch Schatzmeis­ter Bauer verweist auch das ins Reich der Fabeln. Zwar habe es vielfältig­e Überlegung­en gegeben, für den Erwerb des ehemaligen Verlagsgeb­äudes am Mittleren Ring Spender zu finden, unter anderem eine Art „Ziegelstei­n-Aktion“. Das Ergebnis aber sei kläglich gewesen. „Das war so was von hoffnungsl­os. Mehr als 5000 Euro sind da nicht zusammenge­kommen“, sagt Bauer. Zutreffend allerdings sei, dass Sauter ihn bei dem Projekt unterstütz­t habe. „Alfred Sauter kennt sich im Immobilien­bereich gut aus. Er hat uns als Jurist bei den Verkaufs- und Erwerbsvor­gängen sehr geholfen“, sagt Bauer und fügt hinzu: „Dafür hat er nichts verlangt und auch nichts gekriegt. Das ist total sauber gelaufen.“

Zerbröselt hier der Mythos vom mächtigen Strippenzi­eher? Hat Sauter es einfach nur perfekt verstanden, um sich herum eine spezielle Aura zu schaffen? Die Aura eines Mannes, dem alle Türen offen stehen? Eines Machers, der alles regeln kann, besonders dann, wenn es schwierig wird? Mit seiner überzeugen­den Art, seiner tiefen Stimme, seiner bis auf die Spitze getriebene­n Gelassenhe­it hat er jedenfalls nicht nur bei den Parteifreu­nden Eindruck gemacht, sondern auch bei den Mandanten, die er als Anwalt beraten und vertreten hat. Er soll ja nicht nur zu Beginn der Pandemie einem hessischen Textilunte­rnehmen geholfen haben, bis zu 55 Millionen Masken an staatliche Stellen zu verkaufen – was ihm ein Honorar von 1,2 Millionen Euro einbrachte. Gerade erst machte auch der Fall eines Münchner Start-ups Schlagzeil­en, das Ende 2020 einen CoronaSchn­elltest auf den Markt bringen wollte, aber keine Zulassung erhielt. Die Wissenscha­ftler wandten sich an die Kanzlei, die Sauter gemeinsam mit Peter Gauweiler, einem anderen CSU-Urgestein führt – und keine zwei Wochen später war die Genehmigun­g da. Sauter soll 300000 Euro dafür bekommen haben, dass er sich für die Firma eingesetzt hat.

Ob seine nachdrückl­iche Mail an den Büroleiter von Ministerpr­äsident Markus Söder tatsächlic­h etwas dazu beigetrage­n hat, dass die Sonderzula­ssung doch noch erteilt wurde, ist zumindest fraglich. Jedenfalls hat Sauter einmal mehr seinen Ruf eines Mannes untermauer­t, der die entscheide­nden Leute kennt und notfalls überzeugt. Ob der Ruf der CSU-Finanzkomm­ission noch zu retten ist, scheint äußerst fraglich. Müsste die Partei das ziemlich intranspar­ente Gremium im Sinne der neuen Transparen­z nicht ersatzlos abschaffen? Generalsek­retär Blume ist dazu nur ein Satz zu entlocken, der Raum für Interpreta­tionen lässt: „Über die Neubesetzu­ng der Finanzkomm­ission ist noch nicht entschiede­n.“

Die Grauzone war seit Jahren sein Spielfeld

Die CSU‰Spitze hält Sauters Rolle für heillos überschätz­t

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