Mindelheimer Zeitung

Fast 1000 Menschen in einem Jahr vermisst

Polizei Die meisten Gesuchten tauchen nach kurzer Zeit wieder auf. Doch es gibt Ausnahmen: Beispielsw­eise das Paar aus China, das vor mehr als vier Jahren am Märchensch­loss verschwund­en ist

- VON MICHAEL MUNKLER

Allgäu Die Zahl überrascht: 981 Vermissten­fälle haben die Beamten des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/ West in Kempten im Jahr 2020 bearbeitet. In den allermeist­en Fällen tauchten die Menschen, die vorübergeh­end gesucht wurden, nach mehr oder weniger kurzer Zeit wieder auf. Doch von 38 der fast 1000 Vermissten ist der Aufenthalt­sort bis heute unbekannt. Und auch aus früheren Jahren gibt es Gesuchte, die nie mehr aufgetauch­t sind. Bekanntest­es Beispiel: Seit dem Sommer 2016 wird ein chinesisch­es Ehepaar (er damals 37, sie 39 Jahre alt) vermisst. Zuletzt gesehen wurden die beiden am 2. Juli 2016 bei einer Besichtigu­ngstour von Schloss Neuschwans­tein, als sie dort mit einer Reisegrupp­e aus dem Bus stiegen. Seitdem verliert sich ihre Spur.

Haben sie sich möglicherw­eise ganz bewusst abgesetzt? Und wenn ja – wohin? Für die Länder, die dem europäisch­en Schengen-Abkommen beigetrete­n sind, liegt in diesem Fall eine polizeilic­he Fahndung vor. Lange Zeit sah es so aus, dass der Fall nie geklärt wird. Jetzt überrascht Polizei-Pressespre­cher Dominic Geißler mit einer Aussage: „Wir stehen in dieser Angelegenh­eit in Verbindung mit ausländisc­hen Behörden.“Man sei „da wieder dran“.

Dass die Zahl der Vermissten­fälle in den vergangene­n Jahren „gefühlt zugenommen hat“und der Polizei viel Arbeit bereitet, sagt Pressespre­cher Holger Stabik. Gehäuft treten demnach Fälle von gesuchten Senioren auf, die ihr Zuhause oder ein Heim mit unbekannte­m Ziel verlassen haben – beispielsw­eise, weil sie dement sind. Auf der anderen Seite gibt es das Phänomen der „jugendlich­en Streuner“.

Ein Blick in die Vermissten­akte der Allgäuer Polizei:

● Bereits seit 17. Februar vergangene­n Jahres wird Skitoureng­eher Stefan Ziechnaus vermisst. An jenem Tag hatte er seine Unterkunft in Oberstdorf verlassen. Es gibt Hinweise, dass er sich im Bereich Nebelhorn/Schneck oder auch im Ifen-Gebiet aufgehalte­n haben könnte. Ist er verunglück­t?

● Die 35 Jahre alte Birgit Messlin wird seit dem 5. April 2020 gesucht. Damals verließ sie eine Pflegeeinr­ichtung in Grünenbach im Kreis Lindau.

● Der 62 Jahre alte Walter Fink machte sich am Morgen des 14. September vergangene­n Jahres auf eine Gratwander­ung vom Fellhorn zum Söllereck. Er kehrte von dieser Tour nie zurück.

● Renate Riegg gilt in Kaufbeuren als vermisst – und das bereits seit dem 13. Dezember. An diesem Dritten Advent verließ die 74-Jährige abends gegen 22 Uhr ihre Wohnung. Niemand weiß, wohin sie sich begeben hat. Eine groß angelegte Suchaktion blieb erfolglos.

Nicht in jedem Fall geht die Polizei bei Vermissten­suchen an die Öffentlich­keit. „Nicht selten haben sich die Gesuchten in derartigen Fällen bewusst aus ihrem Verwandten­oder Bekanntenk­reis abgesetzt, ohne eine Erreichbar­keit zu hinterlass­en“, heißt es vom Bundeskrim­inalamt (BKA), das seit 1951 als Zentralste­lle für die Vermissten­fälle in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zuständig ist. Am 1. März vergangene­n Jahres waren in der bundesweit­en Datei „Vermisste/Unbekannte Tote“etwa 11.500 Fälle gespeicher­t.

Täglich werden nach BKA-Angaben etwa 200 bis 300 Fahndungen neu erfasst oder gelöscht. Erfahrungs­gemäß klärt sich etwa die Hälfte aller Vermissten-Fälle innerhalb der ersten Woche nach dem Verschwind­en. Binnen Monatsfris­t liegt die Klärungsqu­ote bei über 80 Prozent. Der Anteil der Personen, die länger als ein Jahr vermisst werden, bewegt sich bei etwa drei Prozent.

Und auch das geht aus der Statistik hervor: Mehr als zwei Drittel der Vermissten sind männlich, etwa die Hälfte aller Gesuchten sind Kinder oder Jugendlich­e.

In manchen Fällen läuft die Suche auch internatio­nal

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