Zwischen Abscheu und Ekstase
Jubiläum Mit „Die Blumen des Bösen“hat Charles Baudelaires die Literatur revolutioniert
Paris Hässlich, abscheulich, morbide, blasphemisch und obszön: Frankreichs Presse ließ kaum ein gutes Haar an dem im Juni 1857 erschienenen legendären Gedichtband „Die Blumen des Bösen“(Le Fleurs du Mal) von Charles Baudelaire. Heute ist das Buch das bekannteste Werk Baudelaires, der vor 200 Jahren, am 9. April 1821, geboren wurde. Ohne seine Lyrik ist die literarische Moderne in Europa nicht vorstellbar.
Der Gedichtzyklus löste einen Skandal aus. Nur zwei Wochen nach seinem Erscheinen wurde gegen Baudelaire ein Prozess wegen Beleidigung der öffentlichen Moral und der guten Sitten eingeleitet. Im August wurde der Pariser Lyriker dann zu einer Geldstrafe von 300 Franc verurteilt, und sechs Gedichte, die als obszön und unmoralisch beanstandet wurden, mussten aus der Ausgabe entfernt werden.
An seinem Hauptwerk hat Baudelaire rund zehn Jahre gearbeitet. Der Großteil der Gedichte ist zwischen 1840 und 1850 entstanden, viele davon sind zuvor schon einzeln erschienen. Doch mit seinem Buch hat Baudelaire nicht einfach nur eine Anthologie veröffentlicht. Er verfasste ein zusammenhängendes Ganzes vom Leiden an der Welt, das wegweisend für die moderne Lyrik war. Denn sowohl formal als auch inhaltlich brach Baudelaire mit der traditionellen Poesie.
Als Vorläufer der Symbolik, der sich von der Romantik befreite, ebnete er den Weg für die Moderne. Pessimismus, Melancholie, Tod, Eros, Ekstase, Sehnsucht, Absturz: Motive, die seine Gedichte durchziehen. Doch im Gegensatz zu den
Romantikern erhebt er sie in seinen Versen nicht ins Sinnliche, Fantastische und Schaurige, sondern stellt sie als hässliche und abscheuliche Realität dar und den Menschen als zerrissenes Wesen zwischen Gut und Böse.
Baudelaires Dichtkunst wurde von nur wenigen seiner Zeitgenossen verstanden und geschätzt, darunter Gustave Flaubert, der seine düstere Sichtweise auf den Menschen lobte, oder Victor Hugo, für den Baudelaire einen neuen Nervenkitzel geschaffen hatte. Bevor Baudelaire sein Skandalwerk veröffentlichte, war er vor allem für seine Kunst- und Literaturkritiken bekannt und für seine Übersetzungen der Bücher von Edgar Allan Poe.
Seine Versuche, von der Schriftstellerei als Beruf zu leben, blieben wenig erträglich. Er veröffentlichte sporadisch einzelne Gedichte und Novellen, darunter „Fanfarlo“aus dem Jahr 1847. In der Prosaerzählung schildert er seine Liebesbeziehung zur Schauspielerin und Tänzerin Jeanne Duval. In seinem 1860 erschienenen Essay „Die künstlerischen Paradiese“setzt er sich mit der Wirkung von Drogen auf das künstlerische Schaffen auseinander.
Wegen seines ausschweifenden Lebenswandels mit Alkohol, Drogen und Frauen ließ ihn seine Familie 1844 unter finanzielle Vormundschaft stellen. Im Jahr 1864 ging er nach Brüssel, weil er hoffte, dort mit Vorträgen über Literatur Geld zu verdienen. Der Versuch scheiterte. Nach einem Schlaganfall kehrte er unmündig und verarmt nach Paris zurück, wo ihn seine Mutter pflegte. Mit nur 46 Jahren starb er am 31. August 1867. Sabine Glaubitz, dpa