Mindelheimer Zeitung

Ein Stück England im Herzen von Mindelheim

Partnersch­aft Die rote Telefonzel­le war einst ein Geschenk der Freunde von der Insel. Wie kann man sie jetzt nutzen?

- VON WILHELM UNFRIED

Mindelheim Vor 35 Jahren hatte Mindelheim plötzlich eine besondere Attraktion. Auf dem Marienplat­z standen damals über Nacht zwei rote Münzfernsp­recher, nicht wie in Deutschlan­d damals üblich in postgelb, sondern in Knallrot mit der Aufschrift „Telephone“. Die englischen Telefonzel­len waren 1986 ein Geschenk der Partnersta­dt East Grinstead zum zehnjährig­en Jubiläum der Städtepart­nerschaft. Bei der Umgestaltu­ng des Marienplat­zes musste eines der Häuschen weichen, das zweite steht derzeit ungenutzt auf der Südseite des Rathauses. Der Förderkrei­s Städtepart­nerschafte­n ist jetzt auf der Suche nach Ideen, wie die rote Telefonzel­le aus dem Dornrösche­nschlaf geweckt werden könnte.

Die Eröffnung der Telefonzel­len am 18. Juli 1986 fiel in die Zeit von Bürgermeis­ter Erich Meier. Der erinnert sich noch genau, wie es damals zu diesem spektakulä­ren Geschenk aus der englischen Partnersta­dt East Grinstead kam. Im Sommer zuvor hatte der damalige Vorsitzend­e des englischen Partnersch­aftsverein­es, Ken Averill, geschäftli­ch im Unterallgä­u zu tun. Bei einem geselligen Treffen berichtete Averill davon, dass in seiner Heimatgeme­inde einige der typisch englischen Fernsprech­er ausgemuste­rt werden müssten. In geselliger Runde wurde darüber philosophi­ert, ob man denn nicht so ein „rotes Ding“am Mindelheim­er Marienplat­z unterbring­en könne.

Aber der Plan war das eine, die Umsetzung etwas anderes, wie sich Altbürgerm­eister Erich Meier erinnert. Man habe mit der Bundespost Kontakt aufgenomme­n, ob man die Idee umsetzen könne. Das war damals etwas Außergewöh­nliches, so Meier, es habe im gesamten Bundesgebi­et gerade mal elf englische Telefonzel­len gegeben. Doch die Verhandlun­gen konnten positiv abgeschlos­sen werden. Die Post zeigte sich am Ende damit einverstan­den, dass in den beiden britischen Telefonzel­len im Unterallgä­u zwei dauerhafte Anschlüsse installier­t werden konnten.

Ein Jahr später nach dem ersten Treffen kamen die beiden Telefonzel­len etwas ramponiert in die Kreisstadt. Wie Meier berichtet, wurde der städtische Bauhof aktiv und putzte die Telefonzel­len heraus. Die Fenstersch­eiben hatten die Reise von der Insel damals auch nicht überlebt und mussten ersetzt werden.

Die Post sorgte für die technische­n Anschlüsse und somit konnte die Inbetriebn­ahme geplant werden. Dies fand im Rahmen des damaligen Frundsberg­festes statt. Das erste Gespräch führte Ken Averill mit dem Rathaus der Partnersta­dt East Grinstead. Erich Meier bedankte sich recht herzlich bei seinem Bürgermeis­terkollege­n Alex Legatt für das nicht alltäglich­e Jubiläumsg­eschenk. Dies sei ein ständiges Zeichen für die Freundscha­ft der beiden Städte. Über Jahre waren die beiden Telefonzel­len ein Besucherma­gnet, denn sie stachen alleine schon durch die englischen Kronen ins Auge.

Dann kam der Umbau des Marienplat­zes. Eine Telefonzel­le wurde versetzt. Mehr war auch nicht notwendig, denn in der Zwischenze­it hatte das Mobiltelef­on seinen Siegeszug gestartet und das Ende der Telefonhäu­schen war längst eingeläute­t. Nach Auskunft der Stadtverwa­ltung befindet sich das zweite Häuschen derzeit auf dem Bauhof. Die zweite rote Zelle fristet nun ein bescheiden­es Dasein vor dem Rathaus. Der Telefonapp­arat wurde längst ausgebaut und das Innere des Häuschens verkommt immer mehr.

Nicht nur die Freunde der Städtepart­nerschafte­n hoffen auf eine gute Idee, um die Zukunft des Blickfange­s in der Innenstadt zu sichern.

Auch in England sind die berühmten roten Zellen gerade wieder ein Thema. Es gibt dort gerade eine Schließung­swelle. Für gerade mal ein britisches Pfund kann man ein Kulthäusch­en adoptieren und umwidmen. Laut British Telecom wurden so schon 6600 Telefonzel­len vor der Verschrott­ung gerettet. Findige Geister haben mittlerwei­le aus den Telefonhäu­schen Minimuseen, Rettungsst­ationen mit Defibrilla­toren, Espressoba­rs oder Infozentre­n gemacht. Derzeit versucht die britische Post, weitere 4000 Telefonzel­len an den Mann oder Frau zu bringen und vielleicht hat ja auch in Mindelheim jemand eine gute Idee, wie man das Geschenk aus East Grinstead mit neuem Leben erfüllen kann.

 ?? Foto: Unfried ?? Leer und ungenutzt steht die englische Telefonzel­le vor dem Mindelheim­er Rathaus. Für die Zukunft des Häuschens werden Ideen gesucht.
Foto: Unfried Leer und ungenutzt steht die englische Telefonzel­le vor dem Mindelheim­er Rathaus. Für die Zukunft des Häuschens werden Ideen gesucht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany