Von Handel, Missgunst und einem beherzten Uhrmacher
Geschichte 2021 werden 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland gefeiert. Auch in Babenhausen hinterließ es Spuren, obwohl es dort keine Siedlung gab. Wie ein Jude aus Osterberg einst dem Fürstenhaus geholfen haben soll
Babenhausen Heuer werden 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert. Denn das älteste schriftliche Zeugnis dafür – ein Edikt von Kaiser Konstantin – stammt aus dem Jahr 321. Bis heute ist in Babenhausen eine Judengasse zu finden: Obwohl im Fuggermarkt nie Juden gelebt haben, so hinterließen sie in der örtlichen Geschichte doch Spuren.
Laut der Vorsitzenden des Historischen Vereins, Barbara Kreuzpointner, ist der Name Judengasse erstmals im „Urbarium von 1708“aufgetaucht. Allerdings wohnten dort zu keiner Zeit Juden, was sich anhand von Katasterauszügen der vergangenen Jahrhunderte nachweisen lasse. Es habe auch nie eine jüdische Siedlung in Babenhausen gegeben, was Heimatforscher Dieter Spindler bestätigt. Zwar waren nach seinen Worten in der Fuggerschen Herrschaft nie Juden ansässig, doch die Ortsherren hätten 1566 und nochmals 1782 ausdrücklich deren Handel im Markt erlaubt.
Spindler schreibt in „Beiträge zur Geschichte“vom März 2021, dass diese Geschäfte einst unter bestimmten Bedingungen in ein „Judenprotokoll“eingetragen werden mussten, das am Amtshaus am Marktplatz gegenüber der Schranne auslag. So wollten sich die Herrscher einen Überblick über die Aktivitäten der jüdischen Händler verschaffen. Verstöße gegen die strengen Auflagen standen unter Strafe. Im Sammelband IV der „Beiträge zur Geschichte“führt Spindler zudem aus, dass „als Handelsplatz den Juden die Gasse nördlich des Amtshauses zugewiesen wurde“. Daraus entstand über Jahrhunderte hinweg die heutige Judengasse. Während des Nationalsozialismus hieß sie vorübergehend Braugässchen.
In den Überlieferungen sind viele Hinweise zu finden, wonach Juden in den vergangenen Jahrhunderten im Fuggermarkt zwar nicht ansässig, wohl aber präsent waren. Nach den Pogromen im Mittelalter hatten viele Städte und Herrschaften ihre Niederlassung verboten – so auch Babenhausen. Ihnen waren handwerkliche Tätigkeiten untersagt, nur das Handeln war erlaubt – allerdings mit Einschränkungen. Zeitweise gab es für bestimmte Fälle „ein Verbot, Verträge zwischen Christen und Juden abzuschließen“.
Eine Zunftordnung von 1708 sah etwa vor, dass Tausch und Handel mit Ausländern, wozu die Juden gezählt wurden, untersagt waren.
Auch Missgunst spielte eine Rolle: 1801 etwa beschwerten sich die örtlichen Schuster darüber, dass jüdische Lederhändler ihnen das Geschäft verderben würden. Und in den historischen Unterlagen zu „Frevel und Strafen“finden sich immer wieder jüdische Händler, die
„wider das Verbot etliche Mahl in hiesiger Herrschaft hereingehandelt“haben sollen und vom Landgericht bestraft wurden – oder um Gnade gebeten und einen Vergleich erhalten hatten.
Doch über die Jahrhunderte wandelte sich die Haltung gegenüber den Juden. Als Indiz diene, so Spindler, dass 1804 das Theaterstück „Die belohnte Ehrlichkeit oder der redliche Bauer und der großmütige Jude“in der Fuggerschen Residenz aufgeführt wurde. Außerdem sei aus dem Revolutionsjahr 1848 überliefert, dass der jüdische Uhrmacher Jacob Kühn aus Osterberg eine Verschwörung gegen das Fürstenhaus in Babenhausen verhindert haben soll. Demnach hätten Aufständische aus der Umgebung vorgehabt, das Schloss anzuzünden. Durch Kühns Warnung konnte dies aber verhindert werden. Hierzu wird der damalige Fürst Fugger zitiert, wonach ohne Kühn „jetzt das Schloss eine Ruine wäre“.