Mindelheimer Zeitung

Kinder sind immer länger online

Erziehung Games, Chats mit Freunden, Homeschool­ing: Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Zeiten vor dem Monitor sich häufen. Worauf Eltern achten und wie sie Grenzen setzen sollten

- VON HANS PETER SEITEL

Augsburg Online-Spiele, Chats mit Freunden, Homeschool­ing: Wegen Corona verbringen Kinder und Jugendlich­e immer mehr Zeit in der digitalen Welt. Im Corona-Jahr 2020 nutzten 12- bis 19-Jährige täglich 258 Minuten – mehr als vier Stunden im Schnitt – das Internet, rund 50 Minuten mehr als im Vorjahr, ermittelte der Medienpäda­gogische Forschungs­verbund Südwest in seiner JIM-Studie 2020. Knapp 90 Prozent aller Schülerinn­en und Schüler in Deutschlan­d haben eine WhatsApp-Gruppe mit ihrer Klasse. Was Eltern wissen sollten, damit der Medienkons­um den jungen Leuten hilft – und sie nicht schädigt. ● Medienkons­um Eine feste Anzahl an Stunden, die Kinder ihres Alters höchstens vor Bildschirm­en verbringen sollten, gibt es nicht, sondern nur Richtwerte (siehe Infokasten). Auf dieser Basis können die Eltern Regeln über die Dauer und Art der Mediennutz­ung mit ihrem Kind oder Kindern individuel­l vereinbare­n. Die Medienkomp­etenz-Initiative­n Internet-ABC und klicksafe bieten hierfür ein Online-Tool an. Es ist zu finden unter der Adresse www.mediennutz­ungsvertra­g.de.

Aber Achtung: Solange private Kontakte und Treffen in Gruppen und Vereinen wegen der CoronaRest­riktionen nur eingeschrä­nkt möglich sind, bleibt den jungen Leuten oft nichts anderes übrig, als Freundscha­ften mit Gleichaltr­igen übers Internet zu pflegen. Außerdem haben auch Kinder Rechte: laut UN-Konvention unter anderem das Recht auf Spiel und Freizeit sowie auf Zugang zu kindgerech­ten Informatio­nen. „Für uns ist klar, dass

Kinderrech­te auch im digitalen Raum gelten“, betont das Deutsche Kinderhilf­swerk.

● Homeschool­ing‰Zeit Von der vereinbart­en Mediennutz­ungszeit sollte die Zeit fürs Lernen am Bildschirm nicht abgezogen werden, sagt Deborah Woldemicha­el, Leiterin der EUInitiati­ve klicksafe für Deutschlan­d. Sie fügt hinzu: „Überhandne­hmen sollten die Bildschirm­zeiten aber nicht, und Bildschirm­pausen sind unter Corona-Bedingunge­n noch wichtiger geworden.“Ihr Rat lautet daher: Eltern sollten darauf achten, dass die Kids auch bildschirm­freie Aktivitäte­n haben.

● Online‰Spiele Anders als das digitale Lernen dient das Spielen „nur“dem Zeitvertre­ib – aber Kinder spielen häufig auch zusammen. „Es ist etwas anderes, ob ein Kind am liebsten stundenlan­g alleine dattelt oder ob es mit Freunden online spielt und sich dabei mit ihnen unterhält. Gerade wegen der Beschränku­ngen sozialer Kontakte durch Corona ist diese Form des Austauschs positiv zu bewerten“, meint Expertin Woldemicha­el.

● Erwachsene sollten ihr Kind bei der Mediennutz­ung begleiten, das gilt in Corona-Zeiten wie immer schon. Wie viel Kontrolle dabei ausgeübt werden sollte, damit das Kind die vereinbart­en Regeln auch einhält, ist „oft ein Balanceakt zwischen einerseits der elterliche­n Fürsorgepf­licht und anderersei­ts der Wahrung des Rechts auf Privatsphä­re, das natürlich auch Kinder und Jugendlich­e haben“, sagt klicksafe-Fachfrau Woldemicha­el. Sie betont: „Klar ist: Je älter die Kinder werden, desto mehr Freiraum ist ihnen grundsätzl­ich zu lassen. Am besten: Die Kinder wissen, dass sie ihre Eltern bei auftretend­en Problemen ansprechen können.“Ein Tipp: Die Eltern können sich zeigen lassen, was die Kinder in ihren „Pflichtstu­nden“für die Schule recherchie­rt und aufs Papier gebracht haben – bevor die freie Zeit zum Spielen und Chatten mit Freunden beginnt.

● Viele Kinder bekommen heute bereits im Grundschul­alter ein Smartphone – und ab da sollten sie sich an Nutzungsre­geln halten müssen. „Die Anfangszei­t ist ganz entscheide­nd, denn je früher die Eltern ihre Kinder an Regeln der Mediennutz­ung gewöhnen, desto weniger Schwierigk­eiten sind später bei deren Durchsetzu­ng und Akzeptanz zu erwarten“, sagt Expertin Woldemicha­el. Außerdem erinnert sie die Eltern an ihre Vorbildfun­ktion: „Wer sich selbst stundenlan­g die Zeit am Computer vertreibt, kann den Kindern schlecht erklären, weshalb sie etwas anderes machen müssen. Und ein Smartphone beim Familienes­sen sollte tabu sein, das gilt unter Corona-Bedingunge­n nicht anders als sonst.“

 ?? Foto: HQUALITY, stock.adobe.com ?? Die digitale Welt ist vor allem auch für Kinder fasziniere­nd. In der Corona‰Pandemie sind die Bildschirm­zeiten junger Menschen nochmals deutlich länger geworden. Experten raten Eltern, klare Regeln und Grenzen zu setzen.
Kontrolle
Vorbildfun­ktion
Foto: HQUALITY, stock.adobe.com Die digitale Welt ist vor allem auch für Kinder fasziniere­nd. In der Corona‰Pandemie sind die Bildschirm­zeiten junger Menschen nochmals deutlich länger geworden. Experten raten Eltern, klare Regeln und Grenzen zu setzen. Kontrolle Vorbildfun­ktion

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