Mindelheimer Zeitung

Wie Kneipp und Kolping mit Leid umgingen

Jubiläumsj­ahr Kurz vor dem 200. Geburtstag von Sebastian Kneipp wurde der Übernahme der Pfarrei durch Kneipp gedacht. Dabei kam es zu einem besonderen Auftritt

- VON BERNHARD LEDERMANN

Bad Wörishofen Um zwei bekannte Zeitgenoss­en ging es am Sonntag in der Bad Wörishofer Stadtpfarr­kirche St. Justina: Die Pfarreieng­emeinschaf­t und die Kolpingsfa­milie Bad Wörishofen erinnerten an ihre einstigen Wohltäter und Gründungsv­äter Sebastian Kneipp und Adolph Kolping. Kurz bevor die Kneippstad­t im Mai den 200. Geburtstag von Pfarrer Sebastian Kneipp begehen kann, wurde am Sonntag eines weiteren Kneipp-Jubiläums gedacht.

Vor genau 140 Jahren, am 7. April 1881, übernahm Sebastian Kneipp im Alter von 60 Jahren das Amt des katholisch­en Pfarrers von Wörishofen. 26 Jahre lang hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits als Beichtvate­r im Wörishofer Dominikane­rinnenklos­ter gewirkt und sich als Naturheilk­undiger und Wasserdokt­or einen Namen gemacht. Bis zu seinem Tod im Jahr 1897 wirkte Kneipp als Pfarrer von St. Justina.

Kurz vor seinem Tod ging ein großer Wunsch Kneipps in Erfüllung: In Wörishofen wurde ein katholisch­er Gesellenve­rein gegründet. Die Fahne des Gesellenve­reins, die wenige Tage vor Kneipps Tod gesegnet worden war, wurde gestern den Gottesdien­stbesucher­n in St. Justina präsentier­t und erläutert.

Monsignore Kneipp hatte die Idee und die Initiative seines Kölner Priesterko­llegen Adolph Kolping in Wörishofen aufgenomme­n. Für junge Gesellen sollte ein soziales Netz gespannt werden. Zum gestrigen Festgottes­dienst kam der Diözesanpr­äses von Kolping im Bistum Augsburg, Pfarrer Wolfgang Kretschmer, in die Kneippstad­t. Er erinnerte in seiner Predigt an das Leid, das im Leben von Kneipp und Kolping nicht ausgeblieb­en ist. Vorbildlic­h sei deren Umgang mit ihren Lebenswund­en gewesen.

„Kneipp und Kolping waren ein Original – so wie jeder von uns ein Original ist“, meinte Präses Kretschmer und skizzierte drei mögliche Umgangswei­sen mit Verwundung­en: Weit verbreitet sei die Variante, Wunden und Leid zu verstecken, stellte Kretschmer fest. „Jeder will ein toller Typ oder eine Typin sein: sportlich, jung, dynamisch.“Dass es auch Ausnahmen von dieser Verhaltens­weise gebe, hätte das Fehlereing­eständnis von Bundeskanz­lerin Angela Merkel vor Kurzem gezeigt.

Andere Mitmensche­n würden Wunden bewusst vor sich hertragen. Dieses Verhalten betrachtet

Kretschmer als einen weiteren Weg des Umgangs mit Verwundung­en: „Die Lebenswund­e wird so zur Allzweckwa­ffe, um egoistisch weiterlebe­n zu können.“Einen anderen Weg hätten dagegen Kolping und Kneipp eingeschla­gen. „Sie haben aus ihren Leiderfahr­ungen heraus Großes gewirkt“, hob Kretschmer hervor. Beide seien durch ihre eigenen Wunden und Leiderfahr­ungen zum Heil für andere geworden. Die Kraft, Leiden zu ertragen, könne das Gebet geben, so Kretschmer.

waren Sebastian Kneipp und Adolph Kolping in einem fiktiven Dialog selbst zu Wort gekommen. Karl Cebulj und der Vorsitzend­e der Bad Wörishofer Kolpingfam­ilie, Thomas Dressel, trugen das von Dressel verfasste Gespräch vor. Karl Cebulj meinte als Pfarrer Kneipp: „Kolping, ich glaube, es wäre ein ganz besonderer Moment in meinem Leben, wenn ich als Pfarrer einen solchen Verein mitgründen dürfte. Was hältst du davon, wenn wir dann den heiligen Josef als

Schutzpatr­on nehmen würden, schließlic­h war der Josef ja auch ein Handwerker?“

Daraufhin antwortete Thomas Dressel in der Rolle von Adolph Kolping: „Kneipp, ich stelle fest, in Sachen Ideenreich­tum stehen Sie mir wirklich nicht nach. ‚St. Josefsvere­in Wörishofen’ – vom berühmten Wasserdokt­or mitbegründ­et. Das hört sich wahrlich gut an. Und jetzt, nachdem Sie endlich ein richtiger Pfarrer sind, finden Sie sicher viele Mitstreite­r für eine solche SaZuvor che.“Bis zum heutigen Tag besteht der von Pfarrer Kneipp mitbegründ­ete Gesellenve­rein.

Inzwischen nennt sich die kirchliche Vereinigun­g Kolpingfam­ilie Bad Wörishofen und freut sich seit Jahren über steigende Mitglieder­zahlen. In der Pfarreieng­emeinschaf­t Bad Wörishofen hat es sich die Kolpingfam­ilie zu einer Aufgabe gemacht, das geistige und geistliche Erbe des früheren Pfarrers von St. Justina, Sebastian Kneipp, zu bewahren.

 ??  ?? Kneipp und Kolping sind sich wohl nie begegnet. Dass der Wörishofer Pfarrer Sebas‰ tian aber vom Wirken Kolpings wissen musste, zeigt die Fahne des Gesellenve­reins, die Kneipp mitfinanzi­ert hatte und die gestern in St. Justina aufgericht­et wurde.
Kneipp und Kolping sind sich wohl nie begegnet. Dass der Wörishofer Pfarrer Sebas‰ tian aber vom Wirken Kolpings wissen musste, zeigt die Fahne des Gesellenve­reins, die Kneipp mitfinanzi­ert hatte und die gestern in St. Justina aufgericht­et wurde.
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Fotos: Bernhard Ledermann Der Diözesanpr­äses von Kolping, Pfarrer Wolfgang Kretschmer, war der Festpredi‰ ger. Er thematisie­rte die Verwundung­en, die Kneipp und Kolping in ihrem Leben er‰ fahren hatten.
 ??  ?? Karl Cebulj sprach in einem fiktiven Dialog zwischen Adolph Kolping und Pfarrer Kneipp von der Kanzel in St. Justina.
Karl Cebulj sprach in einem fiktiven Dialog zwischen Adolph Kolping und Pfarrer Kneipp von der Kanzel in St. Justina.
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Thomas Dressel übernahm die Rolle von Adolph Kolping. Er gestaltete als Vorsitzen‰ der der Bad Wörishofer Kolpingfam­ilie den Festgottes­dienst.

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