Mindelheimer Zeitung

Landrat Eder lehnt Tests an Schulen ab

Corona‰Pandemie Der Freie Wähler fürchtet, Kinder würden bloßgestel­lt und seelische Schäden davontrage­n. Schulamtsd­irektor Hörtenstei­ner spricht von Horrorszen­arien aus dem Reich der Fantasie

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Mindelheim Mit Plakaten an fünf Schulen im Schulamtsb­ezirk Unterallgä­u mit Memmingen haben Eltern gegen die verpflicht­enden Corona-Tests an Schulen protestier­t. Auch das Staatliche Schulamt in Mindelheim wurde am Sonntag Ziel einer solchen Meinungsäu­ßerung. Die Tests hätten alle gut geklappt, berichtete der Leiter des Schulamtes, Bertram Hörtenstei­ner. Drei Kinder waren positiv getestet worden. Vereinzelt hatten Eltern ihre Kinder aber auch nicht in die Schule geschickt, weil sie die Tests ablehnen. „Spitzenrei­ter“sei eine Schule gewesen, in der acht Kinder von 30 mit dieser Begründung nicht am Unterricht teilnehmen durften.

Wie berichtet, gibt es in Regionen mit einem Inzidenzwe­rt von über 100 – wozu das Unterallgä­u zählt – Präsenzunt­erricht nur für die Abschlussk­lassen. Wenn dort der Mindestabs­tand nicht eingehalte­n werden kann, findet der Unterricht im täglichen Wechsel mal in der Schule und mal zuhause statt.

Die drei positiv getesteten Kinder müssen nun einen PCR-Test zur endgültige­n Klärung vorlegen, ob sie tatsächlic­h von Corona betroffen sind. Hörtenstei­ner trat zugleich Befürchtun­gen einzelner Eltern entgegen, betroffene Kinder müssten eine Art Spießruten­lauf erleiden. „Das sind Horrorszen­arien aus dem Reich der Fantasie.“Lehrkräfte seien sehr wohl in der Lage, damit sensibel umzugehen. „Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass hier kein Kind bloßgestel­lt wird.“

Zu den Kritikern zählt der Unterallgä­uer Landrat Alex Eder (Freie Wähler). Wie er auf Facebook schreibt, befürchtet er psychische Folgen für jene Kinder, die positiv getestet werden. Auf Nachfrage ließ Eder über die Pressestel­le des Landratsam­tes erklären, es handle sich bei seinem Facebook-Post nicht um einen Kettenbrie­f. „Ich habe das selbst nach vielen Gesprächen mit besorgten Eltern geschriebe­n.“

Wörtlich heißt es darin: „Stell dir vor, du bist ein Schulkind. Du fährst morgens mit dem Bus in die Schule und musst dich in der ersten Stunde mit allen anderen gemeinsam vor allen anderen Augen testen lassen. Die Unsicherhe­it während der 15 Minuten Wartezeit, obwohl du dich gesund fühlst. Stell dir vor, dein Test ist trotzdem positiv. Deine benachbart­en Schulkamer­aden rutschen sofort einen Meter weiter auf Abstand, einer kreischt und sagt, du hast das todbringen­de Virus, andere lachen dich aus.“

Die Lehrerin wisse nicht mehr, wie sie mit dem Kind umgehen solle. Es werde isoliert, in einen eigenen Raum gebracht. „Niemand nähert sich dir mehr und du weinst bitterlich, weil du nicht weißt, was das jetzt bedeutet“, schreibt der Landrat weiter. Niemand könne das Kind trösten, weil sich niemand traue, ihm näherzukom­men. „Du kommst alleine in einen Raum, bist in völliger Panik und Verunsiche­rung und musst warten, bis einer deiner Eltern in die Schule kommt, Hals über Kopf aus der Arbeit zurück, um dich abzuholen. In der Zeit geht dir durch den Kopf, dass du gestern vielleicht deinen Opa angesteckt hast. Dass du vielleicht im Schulbus Freunde angesteckt hast. Niemand ist in dieser Zeit bei dir. Die ganze Klasse redet noch wochenlang davon, dass du derjenige bist, der am Wochenende wahrschein­lich nicht genug aufgepasst hat und nun andere gefährdet.“

Alex Eder findet, dieser Druck solle nicht auf die Kinder abgeladen werden. „Die Tests sollten unbedingt zu Hause stattfinde­n!“Seiner Meinung nach seien Schulen keine Teststatio­nen. „Müssen die Kinder das aushalten? Müssen die Lehrerinne­n und Lehrer das leisten? Warum tragen wir denn alle Maßnahmen bis zum (nie erreichbar­en) 100sten Prozent an Sicherheit auf dem Rücken der Kinder aus und auf keiner Baustelle, in keinem Versicheru­ngsbüro, in keinem Industrieb­etrieb wird über Zwangstest­s gesprochen?“

Der Landrat sieht auch ein Problem mit dem Datenschut­z, wenn auf einmal jeder das Ergebnis eines anderen Kindes mitbekommt. Sein Schreiben an das Kultusmini­sterium diesbezügl­ich sei leider ergebnislo­s geblieben.

Rund 170 Nutzer haben den Post von Eder bis gestern Nachmittag kommentier­t, 584 Mal wurde er geteilt und weiterverb­reitet. Die meisten applaudier­ten dem Landrat. Andere sehen Tests zuhause kritisch, weil viele Eltern im Vorfeld erklärt hatten, ihre Kinder nicht testen lassen zu wollen. Andere kritisiere­n die Tests an Schulen als unlogisch, weil die Kinder zuerst im Schulbus sitzen und erst dann in der Schule getestet werden. Landrat Eder hatte im Januar bereits aufhorchen lassen, als er ein Video von „Unternehme­r aktiv“aus dem Raum Illertisse­n/NeuUlm auf Facebook hochgelade­n hatte. Die Firmenchef­s hatten darin von ihren großen wirtschaft­lichen Sorgen berichtet. Einzelne waren zuvor auf Querdenker-Demos beziehungs­weise bei „Klardenken Schwaben“aktiv gewesen. Darin sieht Eder kein Problem. Ihm sei es um die berechtigt­en Sorgen der Menschen gegangen.

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Foto: dpa Wer in die Schule will, muss sich seit gestern regelmäßig auf Corona testen lassen. Die Testpflich­t jedoch ist umstritten.

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