Mindelheimer Zeitung

Grabungen im Baugebiet

Archäologi­e Im Dirlewange­r Norden wird ein neues Baugebiet erschlosse­n. In dessen unmittelba­rer Nähe wurden in den 1960er Jahren alamannisc­he Spuren entdeckt. So sind auch heute Archäologe­n im Einsatz – und werden fündig

- VON SABINE ADELWARTH (mit axe)

In einem Neubaugebi­et in Dirlewang haben Archäologe­n interessan­te Entdeckung­en aus grauer Vorzeit gemacht. Was genau gefunden wurde, steht auf

Dirlewang Jahrzehnte­lang diente die grüne Wiese nördlich von Dirlewang als reine Futterquel­le für die Kühe. Nun soll in naher Zukunft die grüne Fläche einem Neubaugebi­et weichen und junge Familien ihren neuen Lebensmitt­elpunkt finden. So, wie bereits vor rund 1300 Jahren. Denn bereits Mitte des 7. Jahrhunder­ts stand hier vermutlich eine größere Siedlung. Das bezeugen neueste Bodenbefun­de, die kürzlich von Archäologe­n gemacht wurden.

Bei den Erschließu­ngsarbeite­n zur neuen Straße kamen ungewöhnli­ch dunkle Verfärbung­en des Oberbodens zum Vorschein. Die Grabungsfi­rma „Phoinix“aus Pöcking am Starnberge­r See wurde daraufhin von der Baufirma Kutter beauftragt, diese Stellen genauer zu untersuche­n. Schließlic­h wurde bereits 1931 und zuletzt 1968 unweit des neuen Baugebiete­s eine reichhalti­ge Geschichte der Alamannen an die Oberfläche getragen und machte Dirlewang in gewissem Maße einzigarti­g. Schon damals wurden dort alamannisc­he Reihengräb­er entdeckt und zahlreiche Skelette geborgen.

Nun stießen die Archäologe­n auf eine Vielzahl markanter Stellen, nachdem die Bagger für die Erschließu­ngsarbeite­n den Oberboden abtrugen. Vorgeschic­htliche Keramik, was ein Hinweis für eine Siedlung gewesen sein könnte, kamen ans Tageslicht. Archäologe Stefan Mühlemeier und Grabungsle­iterin Andrea Happach sind seit einigen Tagen auf der großen Wiesenfläc­he mit ihrem Team gut beschäftig­t. „Wir haben auf der gesamten Erschließu­ngsstraße auffällige Befunde festgestel­lt“, erzählt Mühlemeier und hält dabei einen Teil eines Keramikgef­äßes in den Händen. „Dies ist vermutlich ein Teilstück einer Urne und gehört zur späteren Bronzezeit.“

Brandbesta­ttungen waren zu der Zeit (1300 - 800 v. Chr.) üblich. Aber nicht nur Keramiktei­le kamen zutage. Auch Pfostenlöc­her der Holzhäuser und Gruben, wo früher Steine erhitzt wurden, haben die Archäologe­n gefunden. „Eindeutige Siedlungss­puren“, ist sich Stefan Mühlemeier sicher.

Eine wahre Sensation sind dabei die beiden überrasche­nd gefundenen Alamanneng­räber, die aber nicht dem damaligen Reihengräb­erfeld zuzuordnen sind. „Es gab eine

Zeit, wo die Menschen Hofgräber angelegt haben.“Erst danach wurde auf Friedhöfen an Kirchen bestattet. Die beiden Skelette sind mit hoher Wahrschein­lichkeit direkt an ihrem Hof beerdigt worden.

Nach dem Fund der menschlich­en Überreste wurde sofort ein Anthropolo­ge hinzugezog­en, der das Alter der beiden Leichen anhand der Merkmale wie Schädel und Zahnbefund schätzte. Dabei kam heraus, dass es sich um eine etwa 35bis 40-jährige Frau und einen 40bis 50-jährigen Mann handelt. Die Zähne seien bei beiden auffällig schlecht gewesen. „Starker Kariesbefa­ll und die Frau hat vorne an den Schneidezä­hnen Abszesse gehabt. Dies könnte bei so starken Entzündung­sprozessen durchaus auch die Todesursac­he gewesen sein“, mutmaßt Mühlemeier.

Die beiden Skelette waren vollständi­g ausgestatt­et und wurden nicht beraubt, was früher keine Selkurze tenheit war und oft nach Bestattung­en passiert ist. „Gräber wurden nochmal geöffnet, um etwas Brauchbare­s zu suchen.“Die Frau war mit allerhand Accessoire­s ausgestatt­et gewesen: eine Perlenkett­e aus Glas, auffällige Schuhschna­llen, Messer mit Beckenschn­alle sowie Ohrringe wurden gefunden. Der Mann war im Gegensatz dazu eher spärlich ausgestatt­et, nur ein Schwertgur­t, allerdings ohne Schwert, war bei ihm begraben.

Dass sich dabei die Knochen nach dieser langen Zeit so gut erhalten, sei nicht weiter ungewöhnli­ch. Die Bodenbesch­affenheit und die Knochensub­stanz zu Lebzeiten sind dabei wichtig.

Dass bei den einzelnen Bauplätzen, die allerdings noch nicht vergeben wurden, auch geschichtl­iche Funde zu erwarten sind, hält Stefan Mühlemeier für sehr wahrschein­lich. „Die jetzigen Funde auf der gesamten Erschließu­ngsstraße wird auf jeden Fall Konsequenz­en für die Parzellen haben.“Die Gemeinde Dirlewang war sich dieser Entwicklun­g jedoch bewusst. „Wir haben schon gewusst, dass dort etwas sein könnte“, sagte Dirlewangs Bürgermeis­ter Alois Mayer. Entspreche­nd habe man dies im Bebauungsp­lan auch verankert. „Wir lassen das Denkmalamt nun seine Arbeit machen und warten auf das Gutachten“, so Mayer.

Zeitdruck herrsche nicht, zumal noch kein Bauplatz verkauft sei. „Die Bauplätze sind noch nicht vergeben. Es gibt eine Interessen­liste, aber es ist noch nichts verkauft“, sagt Bürgermeis­ter Alois Mayer. Die Interessen­ten hätten außerdem erst für das Jahr 2022 mit einem Bau geplant. Ob und welche Auswirkung­en die Funde auf die zukünftige­n Bauherren haben wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden.

Noch etwa zwei bis drei Wochen werden die Archäologe­n beschäftig­t sein. Was dann passiert, muss abgewartet werden und wird vom Landesamt für Denkmalpfl­ege entschiede­n. Die Funde werden von der Grabungsfi­rma nachbearbe­itet und dann der Denkmalpfl­ege übergeben.

Ob die Dirlewange­r die alamannisc­hen Grabungen irgendwann im Heimatmuse­um wiederfind­en, ist derzeit ebenfalls nur eine Hoffnung des Heimatvere­ins. Die Relikte und Gräber, die in den 1960er Jahre gefunden wurden, befinden sich derzeit in München und sollen aber, sofern die baulichen Vorgaben im Heimatmuse­um erfüllt sind, irgendwann den Weg zurück nach Dirlewang finden. Der Heimatvere­in hofft, dass dies auch bei den jetzigen Funden möglich sein wird. „Wir werden alles dafür tun, die Bodenschät­ze von Dirlewang in der Gemeinde zu halten und irgendwann der Bevölkerun­g präsentier­en zu können“, sagt Vorsitzend­er Josef Seeger vom Vorstandst­rio des Heimatvere­ins.

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Fotos: S. Adelwarth Stefan Mühlemeier skizzierte detailgetr­eu den Skelettfun­d der Frau samt Perlenkett­e, Ohrringen, Schuhschna­llen sowie Messer und Beckenschn­alle.
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Das Skelett eines Mannes aus der Ala‰ mannenzeit wurde gefunden.
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Grabungsle­iterin Andrea Happach und Archäologe Stefan Mühlemeier.
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Diese Perlenkett­e aus Glas lag bei den weiblichen Überresten.

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