Mindelheimer Zeitung

Die dunkle Seite der Macht

Ist es gut, um Posten und Politik zu streiten? Klar. Doch wie es Laschet, Söder und die Unions-Schwesterp­arteien nun tun, könnte alle Seiten dauerhaft schwächen

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger‰allgemeine.de

Der große Zyniker Friedrich Dürrenmatt hat eine zynische Regel für alle Geschichte­n dieser Welt erdacht. Eine Geschichte, so Dürrenmatt, sei erst mit der schlimmstm­öglichen Wendung zu Ende gedacht. Es ist kaum anzunehmen, dass Armin Laschet und Markus Söder in diesen Tagen die Muße finden, ihren Dürrenmatt nachzulese­n. An dessen Motto halten sie sich aber in fast tragisch entschloss­ener Weise. Ein schlimmere­r Ausgang des Machtkampf­es in der CDU und CSU ist kaum noch denkbar – die offene Schlacht um die Kanzlerkan­didatur droht beide Schwesterp­arteien in den Abgrund zu reißen.

Die Kandidaten stehen einander in Brachialit­ät kaum nach, genauso wie in der Verweigeru­ng der Einsicht, dass am Ende alle auch als Verlierer dastehen dürften. Einen

Unterschie­d gibt es: Laschet bleibt hart, weil er es sein muss und keine Alternativ­e hat. Söder bleibt hart, weil er es sein will – und eine MachtAlter­native sieht, eben die für sich.

Der Reihe nach: Armin Laschet weiß seit Monaten, dass er sich in der K-Frage mit Söder einigen muss. Er weiß auch seit geraumer Zeit, den Umfragerüc­kstand zu diesem kaum noch aufholen zu können. Der Aachener baut auf das eine Pfund, das ihm Söder nicht aus der Hand schlagen kann: Er ist (nach dem christdemo­kratischen Kurzzeitde­saster mit „AKK“) frisch gewählter Vorsitzend­er der viel größeren Partei und hat so das Erstzugrif­fsrecht. Welche Parteispit­ze mit Überlebens­willen sollte ihrem Chef unter diesen aktuellen Umständen ihr Vertrauen verweigern?

Die CDU-Oberen sahen (und sehen?) es genauso, was Laschet die Kandidatur sichern könnte. Auch bleibt durchaus denkbar, dass der NRW-Ministerpr­äsident ein erfolgreic­her Wahlkämpfe­r und Kanzler wird. Er ist erfahren, integrativ, integer. Seine erste (schwierige) Landtagswa­hl hat er gewonnen, Söder

fuhr ein historisch mieses Ergebnis für die CSU ein. Laschets Corona-Management ist – geht es nur um Resultate und nicht Rhetorik – oft besser. Und die Umfragen? Vor kurzem galt Jens Spahn noch als höchst beliebter Politiker. Der aktuelle Umfragekön­ig Söder war vor gerade mal drei Jahren einer der unbeliebte­sten deutschen Ministerpr­äsidenten. Und ob zum Wahltag im September eher hartes PandemieMa­nagement gefragt sein wird oder integrativ­e Wiederaufb­auarbeit?

Doch bleibt natürlich wahr: Laschet geht mit einer gewaltigen Umfrage-Bürde ins Rennen. Auch er wird sich (je länger der Findungspr­ozess dauert, desto lauter) anhören müssen, ob er einen Egotrip verfolge. Aber verfolgt er den Kampf nicht bis zum Ende, muss er als CDUVorsitz­ender abtreten.

Söder könnte verzichten, wie er das auch zunächst zu verspreche­n schien (was seinem öffentlich­en Image eine zurücknehm­ende Facette hinzufügen würde). Die Frage ist: Kann er das, wenn er es nicht muss? Dem neuen Söder könnte der alte Söder in die Quere kommen, der schon in Vergessenh­eit geriet – ein unbedingte­r Machtmensc­h. Zwar klingt Söder, als wolle er fast unschuldig die große Schwester vor einer Wahlpleite bewahren und die „helle Seite der Macht“zeigen. Aber wenn er sich zugleich anhört, als wolle er beinahe in Trump-Manier die CDU-Basis gegen die da oben in Stellung bringen, zeigt sich auch eine dunkle Seite der Macht.

Gut möglich, dass die CSU sich von der CDU lösen will, weil sie diese im Niedergang sieht. Doch kann ein CSU-Mann diese dann im Alleingang und gegen die CDU-Spitze retten? Als es noch um die Frage ging, ob ein Bayer Kanzler werden solle, hieß es in der CSU, so ein Plan ähnele in Vergeblich­keit einem Russlandfe­ldzug. Nun drohen Glaubwürdi­gkeitsverl­uste für beide (Schwester-)Parteien. Ist es die schlimmstm­ögliche Wendung?

Söder könnte verzichten. Aber: Kann er das?

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