Mindelheimer Zeitung

Frühling im Verhältnis zu den USA

Verteidigu­ngsministe­r Austin überrascht mit Kehrtwende

- VON SIMON KAMINSKI

Berlin Aufgeräumt, ja fast strahlend präsentier­te sich Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r am Dienstag der Hauptstadt­presse in Berlin. Das lag an dem prominente­n Gast, den die CDUPolitik­erin präsentier­en konnte. Denn der erste Berlin-Besucher aus den Reihen der neuen US-Regierung, US-Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin, hatte eine faustdicke Überraschu­ng im Gepäck: Mit der Ankündigun­g, 500 weitere Soldaten bei Wiesbaden zu stationier­en, verkehrte er die Pläne der abgewählte­n Regierung von Donald Trump, das Kontingent um empfindlic­he 12 500 von rund 35 000 Soldaten zu kürzen, in das Gegenteil.

Die zusätzlich­en Kräfte sollen die Fähigkeit stärken, Cyber-Attacken abzuwehren, sagte Austin. Angriffe also, für die die Nato insbesonde­re Russland verantwort­lich macht. Die Soldaten würden nach Deutschlan­d geschickt, um Konflikte zu verhindern, „und wenn nötig, um zu kämpfen und zu siegen“, fügte der frühere Vier-Sterne-General hinzu. „Diese Truppen werden die Abschrecku­ng und Verteidigu­ng in Europa stärken.“

In der kurzen Pressekonf­erenz nach dem Treffen überboten sich die Amtskolleg­en wechselsei­tig damit, den Wert der Nato, die Freundscha­ft zwischen den USA und Europa und die Partnersch­aft zwischen Washington und Berlin zu beschwören. Ein Hinweis darauf, wie tief die gegenseiti­gen Verletzung­en waren und wie groß jetzt die Erleichter­ung darüber ist, dass auf die Eiseskälte der Beziehunge­n in der Ära Trump seit dem Amtsantrit­t von Joe Biden der ersehnte Frühling zu folgen scheint. Dies zeigte sich auch in Nuancen auf Themenfeld­ern, die nach wie vor umstritten sind. Beispiel Nord Stream 2: Austin betonte, dass die „Opposition der USA“gegen das Erdgasröhr­en-Projekt kein Hindernis für die „großartige­n Beziehunge­n zu Deutschlan­d“sein würde. Kramp-Karrenbaue­r hatte zu dem nicht nur in den USA, sondern auch in Europa umstritten­en Vorhaben zwei Anmerkunge­n. Sie wollte einmal ein Moratorium für das kurz vor der Vollendung stehende Energiepro­jekt nicht ausschließ­en. Zudem hielt sie es für denkbar, dass der Gasfluss „auch abhängig von dem Verhalten Russlands“konditioni­ert werden könnte, wenn die Leitung ans Netz geht. Das hatte man so aus der Bundesregi­erung noch nicht vernommen.

Trotz dieser neuen Töne dürfte gelten: Der Konflikt um Nord Stream 2 bleibt ungelöst. Washington befürchtet eine wachsende Abhängigke­it Europas von russischem Gas – Kritiker sagen, die USA wollen viel eher ihr Flüssiggas nach Europa verkaufen. Ebenfalls weiter aktuell bleibt die Forderung aus Washington, Deutschlan­d müsse sein Verspreche­n erfüllen, zwei Prozent des Bruttosozi­alprodukts für Verteidigu­ng auszugeben.

Keine neuen Akzente setzten die beiden Minister, was die Zukunft des Militärein­satzes westlicher Truppen in Afghanista­n sowie die Strategie angesichts der russischen Truppenbew­egungen an der Grenze zur Ostukraine betrifft.

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Foto: dpa Neue Richtung: US‰Verteidigu­ngsminis‰ ter Lloyd Austin mit Amtskolleg­in Anne‰ gret Kramp‰Karrenbaue­r.

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