Mindelheimer Zeitung

Die Agrarrefor­m bleibt umkämpft

Systemwech­sel Monatelang wurde darüber diskutiert, wie die Landwirtsc­haft künftig finanziert werden soll. Nun hat das Kabinett mehrere Gesetze auf den Weg gebracht. Und der Streit geht weiter

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Die zentrale Botschaft für die Landwirte aus dem Bundesland­wirtschaft­sministeri­um lautete: „Wir stärken unsere heimische Lebensmitt­elerzeugun­g. Wir tun dabei mehr für Umwelt, Tierschutz und Klimaschut­z. Und wir sichern unseren Bäuerinnen und Bauern, unseren landwirtsc­haftlichen Familien eine Zukunft, in der sie das honoriert bekommen, was die Gesellscha­ft auch von ihnen verlangt.“So sagte es die Ministerin Julia Klöckner (CDU), nachdem das Bundeskabi­nett am Dienstag mehrere Gesetze zur Neuverteil­ung der EU-Agrargelde­r auf den Weg gebracht hatte. Die Frage ist nun, wer diese Botschaft wie auffasst.

Denn es handelt sich um Gesetze, um die monatelang auf verschiede­nsten Ebenen gerungen worden war – auch auf Ländereben­e, auch zwischen Klöckner und ihrer Kabinettsk­ollegin Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD). Diese Gesetze werden nun Grundlage, um die Finanzieru­ng der deutschen Landwirtsc­haft zu reformiere­n. EUMittel aus Brüssel sollen damit künftig an Umweltaufl­agen geknüpft werden.

Mit den neuen Beschlüsse­n, die ein komplexes Modell bedienen, soll ein Systemwech­sel eingeleite­t werden, der die Landwirtsc­haft ab dem Jahr 2023 umwelt-, tier- und klimafreun­dlicher machen soll. Insgesamt werden in Deutschlan­d derzeit jährlich rund sechs Milliarden Euro EUAgrarför­dermittel

verteilt. Bislang war der größte Teil davon (78 Prozent) als Flächenprä­mie verfügbar, also weitgehend unabhängig von den Folgen für Umwelt und Landschaft. Das soll sich nun ändern.

Zentrales neues Instrument sind die Öko-Regelungen, über die 25 Prozent der Direktzahl­ungen ab 2023 eingesetzt werden. Um diese Mittel abzurufen, haben Landwirte die Wahl zwischen verschiede­nen Öko-Maßnahmen, sogenannte­n Eco-Schemes. So soll es beispielsw­eise zusätzlich­es Geld für mehr Naturschut­z auf Wiesen und Weiden und für den Verzicht auf Pestizide sowie einen Bonus für Schutzgebi­ete geben.

Noch müssen die Gesetze Bundestag und Bundesrat passieren und durch eine Verordnung zu den ÖkoRegelun­gen ergänzt werden. Außerdem hängt die Detail-Ausgestalt­ung zum Teil von den noch laufenden sogenannte­n Trilogverh­andlungen in Brüssel ab. Der Streit jedenfalls geht weiter.

Denn der Deutsche Bauernverb­and sieht den Kabinettsb­eschluss äußerst kritisch. Der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, Joachim Rukwied, sagte: „Das Aufschnüre­n des Beschlusse­s der Agrarminis­terkonfere­nz vom 26. März ist nicht akzeptabel. Die Beschlüsse der Agrarminis­ter bedeuten ohnehin schmerzhaf­te Einschnitt­e für die deutschen Landwirte bei der EUAgrarför­derung. Die Einkommens­wirksamkei­t der Agrarförde­rung wird allein dadurch um etwa 1,8

Milliarden Euro beziehungs­weise 40 Prozent gemindert.“Dies werde zu einem „Strukturbr­uch in der bäuerliche­n Landwirtsc­haft“führen. Durch die zusätzlich vorgeschla­genen, sehr kontrollau­fwendigen EcoSchemes werde eine „pragmatisc­he Umsetzung und eine pünktliche Auszahlung der Fördermitt­el im Dezember 2023 gefährdet“. Der Bundestag müsse für Korrekture­n sorgen.

Auch der Präsident des bayerische­n Bauernverb­andes, Walter Heidl, sieht erhebliche­n Nachbesser­ungsbedarf. Mit den neuen ÖkoRegelun­gen würden bewährte Agrarumwel­tprogramme ausgehebel­t. Heidl: „Auf jedem zweiten Bauernhof in Bayern und auf rund 40 Prozent der landwirtsc­haftlichen Fläche in Bayern wird gemäß den Vorgaben der Agrarumwel­tprogramme gewirtscha­ftet. Der bundesweit­e Rahmen würde diesem enormen Engagement in einigen Bereichen komplett den Boden unter den Füßen wegziehen.“Manche Bundesländ­er hätten in diesem Bereich Nachholbed­arf. Das aber dürfe nicht dazu führen, dass gleichzeit­ig das Erreichte in Bayern kaputtgema­cht werde. Heidl meint dabei vor allem Auswirkung­en auf das Bayerische Kulturland­schaftspro­gramm (KULAP). Betroffen davon seien etwa 23000 landwirtsc­haftliche Betriebe in Bayern, mehr als 55 Millionen Euro jährlich für die bayerische­n Agrarumwel­tprogramme könnten nicht mehr ausbezahlt werden, erklärte Heidl weiter.

Kritik, wenn auch aus anderer Richtung, kommt auch vom Bund Naturschut­z in Bayern. Agrarrefer­entin Marion Ruppaner sagte: „Von der einen Milliarde Euro an Agrarsubve­ntionen, die jährlich als Direktzahl­ungen der EU an die bayerische Landwirtsc­haft ausgezahlt werden, wird der größte Teil weiter nach Flächengrö­ße verteilt werden. Die jetzt beschlosse­nen Eckpunkte zur Ausgestalt­ung der ökologisch­en Leistungen bleiben leider weit hinter den Erforderni­ssen von Umwelt- und Klimaschut­z zurück.“

Bis Ende des Jahres muss Deutschlan­d seine Pläne schließlic­h der EU-Kommission zur Genehmigun­g vorgelegt haben. Die nun zu dem Gesetzespa­ket anstehende­n Beratungen in Bundestag und Bundesrat dürften noch kontrovers werden.

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Foto: dpa Gerade hat die Spargelsai­son begonnen. In der Landwirtsc­haft steht die nächste Reform an.

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