USKonzern kauft Ritter für fast eine Milliarde
Industrie Der Kunststoffspezialist aus Schwabmünchen ist ein Gewinner der Corona-Krise. Jetzt will der US-Pharmazulieferer Avantor davon profitieren – und bezahlt viel Geld
Schwabmünchen Es dürfte die höchste Summe sein, für die jemals ein Schwabmünchner Unternehmen verkauft wurde: Für fast eine Milliarde Euro geht Ritter an den Chemieund Pharma-Zulieferer Avantor aus den USA. Das Geschäft wurde am Montagabend bekannt. Was steckt dahinter?
Das weltweit agierende Unternehmen aus Pennsylvania zahlt rund 890 Millionen Euro zuzüglich Schulden für das Familienunternehmen aus Schwabmünchen. Die Produkte von Ritter wurden vor allem in der Corona-Krise gefragt: Die Sparte Medical stellt Verbrauchsmaterialien für Labore wie Pipetten, Kartuschen und FlüssigkeitenSpender her. Der Bedarf an diesen Plastik-Materialien war infolge massenhafter Tests und Impfungen nach oben geschnellt. Insgesamt erwartet Ritter laut einer AvantorPräsentation in diesem Jahr einen Umsatz von 225 Millionen Euro.
Der Verkauf kam für Branchenexperten überraschend. Am Montagabend wurde er per Pressemitteilung der Amerikaner bekannt gegeben. Eine Stellungnahme von Ritter gab es nicht. Das Unternehmen hatjüngst eine weitere Halle gebaut, um den Betrieb zu erweitern. Im Schnellverfahren wurde das Projekt umgesetzt. Auf dem Gelände gab es auch archäologische Untersuchungen, bei denen bedeutende Funde ans Tageslicht kamen.
Avantor verspricht sich von der Übernahme ein lang wachsendes Potenzial auf einem milliardenschweren Markt. „Für Avantor bedeutet der Kauf von Ritter den nächsten Schritt der Umgestaltung des Unternehmens“, sagt Michael Stubblefield, der Präsident und CEO von Avantor. Mit der Erweiterung will das US-Unternehmen die Biopharma- und Gesundheitssparte des Unternehmens ausbauen.
Von der Übernahme werden beide Seiten profitieren – Ritter genauso wie Avantor, um beispielsweise neue Kunden zu gewinnen, sagt Johannes von Stauffenberg, CEO von
Ritter, in der englischen Pressemitteilung. Das breite Portfolio von Avantor wird von tausenden von Wissenschaftlern und Laboren in nahezu jeder Phase der wichtigsten Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsaktivitäten genutzt. Die Übernahme soll im dritten Jahresquartal über die Bühne gehen. Im März hatte das schnell wachsende Unternehmen bereits angedeutet, weltweit Fuß fassen zu wollen. Die Familieneigentümer hatten laut der Nachrichtenagentur Reuters eigentlich nur einen Investor gesucht, der die Expansion ins Ausland finanzieren sollte. Die Ritter GmbH hatte die Investmentbank Goldman Sachs mit der Suche nach möglichen Partnern für die Medical-Sparte beauftragt. Nun wird das ganze Unternehmen verkauft. Avantor ist ein weltweiter Zulieferer für Produkte für den Bereich Biopharma, Gesundheit, Erziehung und Behörden. Es ist in 180 Ländern weltweit vertreten. Das Chemie- und Materialunternehmen hat seinen Hauptsitz in Radnor, Pennsylvania. Es wird bei Fortune Global 500 gelistet. So heißt die jährlich erscheinende Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt. Sie wird vom USWirtschaftsmagazin Fortune veröffentlicht. Seit 2011 hat das Unternehmen 40 Transaktionen nach eigenen Angaben erfolgreich abgete schlossen und mehr als acht Milliarden Dollar Kapital eingesetzt.
Die Medizintechnikfirma Ritter stellt Verbrauchsmaterialien für Labore her, also etwa Pipettenspitzen, mit denen Testflüssigkeiten von Behälter zu Behälter transportiert werden können. Die Ritter-Testmaterialien wandern in tonnenschwere, drei bis sechs Meter lange Geräte, die automatisch Flüssigkeiten untersuchen. Diese Technologie ist jetzt natürlich gefragter denn je.
Das Familienunternehmen Ritter besteht seit 1965. Im Jahr 2002 hatten Ralf und Frank Ritter das Unternehmen
gemeinsam von ihren Eltern übernommen. Der Kunststoffverarbeiter ist spezialisiert auf Komplettlösungen für unterschiedliche Branchen. Das Unternehmen liefert Kartuschen für Dicht- und Klebstoffe, Präzisionsprodukte für Klinik- und Laboranwendungen sowie Rasenwaben und andere Befestigungen für Grün- und Verkehrsflächen an Auftraggeber in aller Welt. Die Ritter GmbH verarbeitet an ihren Standorten in Deutschland mit 98 Maschinen und Slowenien mit 34 Maschinen mehrere tausend Tonnen Rohmaterial im Jahr.
Ritter war anfangs nur auf der Suche nach einem Partner