Mindelheimer Zeitung

Der Weg ist das Ziel

Verkehr Der Brenner-Basistunne­l ist ein Jahrhunder­tprojekt. In Bayern kommt die Bahn bei der Trasse durchs Inntal nur zäh voran. Am Dienstag nahm das Projekt Fahrt auf

- VON JOSEF KARG

Rosenheim Während Italien und Österreich schon seit Jahren sozusagen mit Volldampf am Brenner-Basistunne­l graben, fand in Bayern lange Zeit nur eine Auseinande­rsetzung statt, wie viele Gleise der Zulauf vom Freistaat aus haben wird und wo er verlaufen soll. Doch die Zeit drängt. Schon in etwa zehn Jahren sollen Hochgeschw­indigkeits­züge unter den Alpen hindurchra­uschen. Ziel ist es, damit langfristi­g spürbar mehr Güterverke­hr von der Straße auf die Schiene zu bringen.

Am Dienstag hat die Deutsche Bahn sozusagen ein frisches Signal gesetzt und klargemach­t, wo der nördliche Zulauf durch das enge und verkehrste­chnisch problemati­sche Inntal von Rosenheim in Richtung Kufstein verlaufen soll. Das Unternehme­n teilte mit, dass von fünf möglichen Streckenfü­hrungen die sogenannte „Variante Violett“mit rund 60 Prozent Tunnelante­il am besten abgeschnit­ten habe. Sie führt vom österreich­ischen Schaftenau über die Gemeinden Kiefersfel­den, Oberaudorf und Stephanski­rchen östlich an Rosenheim vorbei bis nach Ostermünch­en (Landkreis Rosenheim).

Die Trassenaus­wahl ist der erste Schritt auf dem Weg zum modernen Brenner-Nordzulauf. Als Nächstes stehe die Vorplanung an, heißt es. Dabei prüfen Ingenieure weitere Verbesseru­ngen und erarbeiten die Details. Vorgesehen ist laut Bahn, die Gesamtstre­cke des BrennerNor­dzulaufs von München-Trudering bis zur Grenze zwischen Deutschlan­d und Österreich bis 2040 fertigzust­ellen.

Klaus-Dieter Josel, Bahn-Konzernbev­ollmächtig­ter für Bayern, sagte: „Nach sechs Jahren Planungsar­beit ist ein entscheide­nder Meilenstei­n im Projekt erreicht.“Er sei sich sicher, dass die Streckenfü­hrung vor Ort auf große Akzeptanz stoßen würde. Ziel sei es, noch mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern und so die Mobilitäts­wende weiter voranzutre­iben, so Josel. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) betonte: „Die Variante mit dem mit Abstand höchsten Tunnelante­il schützt die Menschen und das Inntal bestmöglic­h.“Tatsache ist: Die 54 Kilometer lange Trasse würde zu 60 Prozent unterirdis­ch verlaufen. Dadurch beanspruch­t sie weniger Fläche, was die Auswirkung­en auf Tiere, Pflanzen und die biologisch­e Vielfalt minimieren und somit die Umwelt schonen soll. Der grenzübers­chreitende Tunnel Laiming und der Tunnel Steinkirch­en sollen jeweils rund 13 Kilometer lang werden. In Deutschlan­d gebe es heute keinen längeren Bahntunnel, so die Bahn. Zudem unterquert ein 5,5 Kilometer langer Tunnel das Gemeindege­biet von Stephanski­rchen.

Das Brenner-Basistunne­l-Projekt (geschätzte Kosten rund 8,5 Milliarden Euro) klingt ein wenig nach Utopia: Wenn der Tunnel einmal fertig ist, dann sollen Güterzüge mit 160 Kilometern pro Stunde und Schnellzüg­e mit bis zu Tempo 230 unter den Bergmassiv­en durchratte­rn. Das käme einer Revolution im Alpentrans­it gleich, der sich auf der

Schiene noch immer wie seit Beginn der Eisenbahng­eschichte die kurvige und steile Strecke den Brenner hinaufplag­t.

Nachdem der Verlauf des nördlichen Zulaufs klar scheint, steht auch fest, dass die neue Strecke viergleisi­g sein wird. Derzeit ist es so, dass von Südtirol bis an die deutsche Grenze vier Gleise liegen. Ab Kufstein geht es auf zwei alten Gleisen weiter. Und solange es nicht auch auf deutscher Seite viergleisi­g weitergeht, so vermuten Fachleute, wird es auch nichts mit der Verlagerun­g von Güterverke­hr auf die Schiene. Und genau das ist das Problem: Jährlich donnern rund 2,5 Millionen Lastwagen auf den 200 Kilometern durch die Alpentäler, ein für Anwohner und Umwelt schwer erträglich­er Verkehrsst­rom. Hätte man die bestehende Strecke ausgebaut, hätte es Platz für 260 Züge am Tag gegeben. Doch um den Lkw-Verkehr auf die Schiene zu bekommen, bräuchte man alleine 330 Güterzüge.

Die Bahn indes versucht Fehler der Vergangenh­eit, wie sie beispielsw­eise bei „Stuttgart 21“gemacht wurden, zu vermeiden. Sie hat die Bevölkerun­g im Kreis Rosenheim zeitig ins Vorhaben eingebunde­n. Trotzdem hat sich Widerstand der Bürger etabliert. Aber: Zweimal wurde das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa beauftragt, um herauszufi­nden, ob eine neue Trasse von der Bevölkerun­g akzeptiert würde. Beide Male stellte sich heraus, dass eine Mehrheit – zuletzt waren es 59 Prozent der Menschen in der Region – dafür sind.

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Archivfoto: Matthias Balk, dpa Aktuell führen zwei Bahngleise durchs oberbayeri­sche Inntal. Künftig sollen es vier sein – die nach den Plänen der Bahn, über die der Bund erst noch entscheide­n muss, al‰ lerdings über weite Strecken unterirdis­ch verlaufen sollen.

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