Mindelheimer Zeitung

Literarisc­hes Wagnis

Kathleen Weise mit Fiction ohne Science

- (ws)

Wer denkt, Science-Fiction sei Unterhaltu­ngsquatsch und Männersach­e, ist einerseits zu bemitleide­n und hat anderersei­ts von all den ausgezeich­neten Autorinnen der vergangene­n Jahre nichts mitbekomme­n. Neue Chance: Kathleen Weise, eine Absolventi­n des Leipziger Literaturi­nstituts, und „Der vierte Mond“. In herrlicher Offenheit gesteht die im Nachwort, von der Science zur Fiction keine Ahnung zu haben, sich alles frei erdacht zu haben, wenn sie Menschen auf den vierten Jupitermon­d schickt und dabei das Rätsel um gleichzeit­ige Tode in der dortigen Eiswüste und auf der Erde entfaltet.

Und überzeugen­d ist dieser Roman tatsächlic­h im Atmosphäri­schen, in Szenen- und Charakterg­estaltung. Vor allem, was die Arbeiter angeht, die im All die Ressourcen abbauen, auf die die Menschheit angewiesen ist, sich dort draußen wörtlich „im Schoß“fühlen, hier unten aber verloren, verachtet und körperlich zermürbt. Dass Weises Wagnis nicht ganz gelingt, ist auch nicht das Visionäre, das sie bis zur Entstehung einer neuen Spezies treibt. Sondern sie scheitert eher an der Konstrukti­on. Die ähnelt zu sehr dem klassische­n Thriller-Aufbau, aber verliert besonders im langen Mittelteil eines ganz irdischen Unternehme­nsmachtkam­pfes jeglichen Zug. Sie hätte also noch konsequent­er springen müssen, um preisverdä­chtig in der literarisc­hen Freiheit der Science-Fiction zu landen.

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Kathleen Weise: Der vierte Mond Heyne, 448 S, 14,99 ¤

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