Mindelheimer Zeitung

Wie der Landrat sich von Kettenbrie­fen inspiriere­n lässt

Corona‰Pandemie Schon Tage vor seinem Post auf Facebook kursieren im Netz Texte, die dem von Alex Eder verblüffen­d ähnlich sehen. Die Grünen im Kreistag distanzier­en sich „entschiede­n“von dessen Haltung

-

Mindelheim Die Ähnlichkei­ten sind frappieren­d. „Stell dir vor, du bist ein Schulkind. Du fährst morgens mit dem Bus in die Schule und musst dich in der ersten Stunde mit allen anderen gemeinsam vor allen anderen Augen testen lassen.“Das ist der Anfang eines Posts von Landrat Alex Eder vom 11. April, in dem er aus Sicht eines Kindes die CoronaTest­s in den Schulen als psychische Belastung für Kinder kritisiert. Eder hatte versichert, dieser Text sei kein Kettenbrie­f. Er habe ihn selbst nach vielen Gesprächen mit besorgten Eltern so verfasst.

Im Netz kursieren seit ein paar Wochen ähnliche Texte. Ein Beispiel stammt vom 29. März. Da hatte die Nürnberger Unternehme­rin Ines Hartwig Folgendes gepostet: „Stell dir vor du bist ein Kind ... Du sitzt in der Klasse und alle Mitschüler sind da. Ihr macht alle gemeinsam einen Test ... Das Corona-TestKit liegt nun vor dir. Links und rechts von dir die gleich große Anspannung. ’Du könntest ja positiv sein ...’“Der Test erweise sich als positiv. Dann werde das Kind „abgesonder­t“. Das Kind habe Angst, ebenso wie das Nachbarkin­d, das fürchtet, angesteckt worden zu sein.

Der Post endet mit dem Satz: „!!Denk mal darüber nach – was das mit deinem Kind macht!!“Angehängt ist noch ein Bild, in dem sechs ausgestrec­kte Zeigefinge­r auf ein Kleinkind deuten, das sich die Hände vors Gesicht hält. Bei Eder liest sich das dann so: „Du kommst alleine in einen Raum, bist in völliger Panik und Verunsiche­rung und musst warten, bis einer deiner Eltern in die Schule kommt ... Niemand ist in dieser Zeit bei dir. Die ganze Klasse redet noch wochenlang davon, dass du derjenige bist, der am Wochenende wahrschein­lich nicht genug aufgepasst hat und nun andere gefährdet.“

Schon am 26. März hat ein Udo Grube gepostet, was wiederum „Horizonwor­ld“geteilt hat: „Stellt euch vor, ihr seid ein Kind. Ihr macht alle gemeinsam einen Test. Das Corona-Testkit liegt nun vor dir. Links und rechts von dir die gleich große Anspannung. ,Du könntest ja positiv sein.’“

Im Text wird dieselbe Geschichte über Ängste, aber auch den fehlenden Datenschut­z erzählt. Der Beitrag endet mit dem Satz: „Kopiert und für richtig befunden! Bitte teilen.“Auch auf Twitter und in Whatsapp-Rundmails lassen sich ähnliche Posts finden.

Unterdesse­n hat sich die Kreistagsf­raktion der Grünen „entschiede­n“von der Haltung des Landrats zur Testpflich­t an Schulen distanzier­t. Im Facebook-Post des Landrats vom 11. April würden „in unsachlich­er, emotionali­sierender und populistis­cher Weise angebliche psychische Gefahren für Kinder durch eine Testung in der Schule heraufbesc­hworen“. Mit wenigen Sätzen werde pauschal allen Lehrerinne­n und Lehrern die pädagogisc­he Kompetenz und den Eltern die Fähigkeit, ihre Kinder auf eine solche Situation angemessen vorzuberei­ten, abgesproch­en.

Auch den Kindern werde ein adäquater Umgang mit der Testsituat­ion nicht zugetraut. „Da werden Ängste geschürt, statt Ermunterun­g auszusprec­hen!“Diese Art der Argumentat­ion, die nicht auf Wissenscha­ft, Fakten und Sachlichke­it setzt, gilt laut Grünen als typisches Merkmal für die sogenannte „Querdenken“-Bewegung. Momentan kursiert ein Kettenbrie­f aus Querdenker

und Reichsbürg­er-Kreisen mit ähnlichem Inhalt. „Wer hat sich da wohl von wem inspiriere­n lassen?“

Nur mit regelmäßig­en Testungen sowie geimpftem Schulperso­nal – zusätzlich zu den Hygienekon­zepten – könne in Pandemieze­iten Präsenzunt­erricht sicherer gestalten und damit Kindern und Jugendlich­en ihr soziales Umfeld zurück geben werden.

Über 90 Prozent der Eltern begrüßten die Corona-Testpflich­t an Schulen. Einer kleinen lautstarke­n Minderheit nach dem Mund zu reden, sei nicht Aufgabe des Landrats. Oberste Aufgabe sei es, sich um die Gesundheit aller Bürgerinne­n und Bürger zu kümmern. Die Grünen fordern Landrat Eder auf, die Verunsiche­rung der Bürgerinne­n und Bürger durch seine wiederholt­en Verlautbar­ungen zu beenden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany