Mindelheimer Zeitung

Kann man Baurecht einfach kaufen?

Stadtplanu­ng Warum Mindelheim­s Bauamtslei­ter nicht gut auf das Landratsam­t zu sprechen ist

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Kann man sich im Unterallgä­u einfach sein Baurecht kaufen? Wer zahlt, bekommt sein ganz persönlich­es Recht? Diesen Eindruck kann gewinnen, wer sich einen Fall aus Mindelheim näher ansieht. Ein Schwarzbau war zwar vom Landratsam­t mit einem Bußgeld sanktionie­rt worden. Zurückbaue­n musste der Bauherr allerdings nicht, was bei der Stadt Mindelheim nun für Verärgerun­g sorgt.

Der Fall liegt schon 14 Jahre zurück. Am 15. Januar 2007 hatte der Mindelheim­er Umwelt-, Verkehrsun­d Bauausschu­ss für die Grüntenstr­aße 1 das gemeindlic­he Einvernehm­en für den Ausbau eines Dachgescho­sses verweigert. Begründung: Der Bebauungsp­lan Nummer III/3 „Am Mühlweg“sieht das nicht vor, weil die Dächer in dem Gebiet besonders flach geneigt sind. Würde der Speicher also zu einer Wohnung ausgebaut werden, wäre die Deckenhöhe von über 2,20 Metern über der Hälfte des Raumes nicht eingehalte­n.

Solche Verschläge lehnen die Mindelheim­er Stadträte ab – trotz der Wohnungsno­t, die in Mindelheim herrscht. Und auch trotz der kürzlich neu gefassten Bayerische­n Bauordnung, die es Hauseigent­ümern erleichter­t, Dachgescho­sse auszubauen. Denn eines will die Politik erreichen: Dass mehr Wohnraum geschaffen wird, ohne dass zugleich mehr Fläche verbraucht wird. Eine Lösung könnte der Ausbau von Dachwohnun­gen sein und auch vermehrtes Bauen in die Höhe.

Der Fall war damit aber nicht erledigt. Das Landratsam­t hatte per Schreiben vom 13. Februar 2007 an die Stadt Mindelheim die Rechtsauff­assung der Kreisstadt geteilt. Der Bauherr nahm daraufhin seinen Antrag zurück. Zugleich hat das Landratsam­t ein Bußgeld verhängt, weil bereits widerrecht­lich eine Dachgaube eingebaut worden war. Den Schwarzbau zurückbaue­n musste der Bauherr aber nicht. Das Dachgescho­ss ist dann auch noch ausgebaut worden.

Das hat nun im Bauausschu­ss zu einer ungewöhnli­chen Kritik durch den Leiter des städtische­n Bauamtes, Michael Egger, an der Bauverwalt­ung des Landratsam­tes geführt. „Ich möchte einen Appell an die Politik und an das Landratsam­t richten“, sagte Egger. Es sei ein Unding, etwas nicht zu genehmigen, es dann aber zu tolerieren. Mit ein paar hundert Euro Bußgeld könne so Baurecht erkauft werden, sagte Egger weiter und appelliert­e an das Landratsam­t, in Zukunft anders zu verfahren.

Wie es dazu kam, dass das Landratsam­t vor 14 Jahren die Nutzung des Dachgescho­sses als Wohnraum nicht untersagt und nur ein Bußgeld verhängt hat, „ist nicht mehr nachvollzi­ehbar“. Das erklärte Eva Büchele von der Pressestel­le auf Anfrage.

Der Fall aus dem Jahr 2007 hat nun für Nachwehen gesorgt. Denn der Nachbar in der Grüntenstr­aße 3 hat auch ein Dachgescho­ss, das seit 1985 besteht. Und das will er gerne auch zu Wohnraum umbauen wie sein Nachbar. Er hat deshalb einen Antrag bei der Stadt eingereich­t. Freilich muss er auch noch zwei weitere Stellplätz­e nachweisen.

Manfred Salger (CSU) sprach sich zunächst dafür aus, den Bauantrag „aufgrund der Vorgeschic­hte“zu befürworte­n. Auch Michael Helfert (SPD) warb für den Dachgescho­ssausbau. Wohnraum müsse geschaffen werden, zugleich soll der Flächenver­brauch minimiert werden.

Peter Miller (ÖDP) dagegen wies darauf hin, Bebauungsp­läne hätten schon eine „gewisse Bedeutung“. Für ihn sei auch wichtig, dass der Wohnraum lebenswert ist. Eine reine Gewinnmaxi­mierung lehnt er ab. Im Internet sei das Haus mit drei Wohnungen zu „einem horrenden Preis“zum Kauf angeboten worden. Hier handele es sich nicht um ein „ausbaufähi­ges Dachgescho­ss“. Hier höre die Nachverdic­htung auf.

Bürgermeis­ter Stephan Winter sprach von einer „unglücklic­hen Vorgeschic­hte“. Unter dem Dach seien dort Speicher vorgesehen und keine Zimmer mit Kochgelege­nheit und Nasszelle. Wolfgang Streitel (CSU) sprach sich „zähneknirs­chend“fürs Zulassen aus, „obwohl wir das eigentlich ablehnen müssten“. Eine Dachgaube übrigens beantragt der Bauherr nicht.

Der Leiter des Bauamtes erinnerte daran, dass die Geschossig­keit in einem Bebauungsp­lan eine zentrale Festsetzun­g sei. Am Ende überwog dieses Argument. Einstimmig lehnte der Bauausschu­ss das gemeindlic­he Einvernehm­en ab. Durch den Ausbau der Dachgaube würde ein drittes Geschoss entstehen. Und das lehnt die Stadt für dieses Gebiet ab.

 ?? Foto: Stoll ?? In diesem Dachgescho­ss soll eine Wohnung entstehen, wie es in der Nachbarsch­aft bereits geschehen ist. Der Ausbau wurde im Mindelheim­er Bauausschu­ss trotzdem abgelehnt. Pikant: Die Dachwohnun­g des Nachbarn hat auch keine offizielle Genehmigun­g, wird nach Zahlung eines Bußgeldes jedoch geduldet.
Foto: Stoll In diesem Dachgescho­ss soll eine Wohnung entstehen, wie es in der Nachbarsch­aft bereits geschehen ist. Der Ausbau wurde im Mindelheim­er Bauausschu­ss trotzdem abgelehnt. Pikant: Die Dachwohnun­g des Nachbarn hat auch keine offizielle Genehmigun­g, wird nach Zahlung eines Bußgeldes jedoch geduldet.

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