Mindelheimer Zeitung

Es läuft wie ein Uhrwerk

Pandemie Im Impfzentru­m Bad Wörishofen werden in drei Schichten Vakzine gegen das Coronaviru­s verabreich­t. Wie die Stimmung vor Ort ist und mit welchen Herausford­erungen die Mitarbeite­r umgehen müssen. Ein Besuch

- VON DOMINIK SCHÄTZLE

In drei Schichten pro Tag an sieben Tagen in der Woche wird im Bad Wörishofer Impfzentru­m gearbeitet. Die Zusammenar­beit der Helfer läuft wie ein Uhrwerk.

Bad Wörishofen Fast im Minutentak­t kommen Autos auf den Parkplatz des ehemaligen Möbelhause­s in Bad Wörishofen. Am Steuer: Unterallgä­uer, die gegen Corona geimpft werden wollen. Die Impfkampag­ne nimmt Fahrt auf. Nicht nur bundesweit werden deutlich mehr Menschen gegen das Coronaviru­s geimpft als noch vor Wochen, auch im Unterallgä­u ist der Unterschie­d spürbar. Im Impfzentru­m in Bad Wörishofen wird auf Hochtouren gearbeitet. Die Verantwort­lichen zeigen sich zufrieden – und sagen, dass sogar noch deutlich mehr möglich wäre. An einer Stelle würden sie sich jedoch eine klare Verbesseru­ng wünschen.

Der Parkplatz ist an diesem Nachmittag nahezu voll. Von der enormen organisato­rischen Aufgabe ist drinnen fast nichts zu spüren. Im Bad Wörishofer Impfzentru­m sind die Verantwort­lichen und Helfer ein eingespiel­tes Team. Die Atmosphäre ist gut, die Abläufe funktionie­ren inzwischen reibungslo­s.

Damit das klappen kann, ist die Arbeit auf viele Schultern verteilt: Momentan gibt es 85 Verwaltung­smitarbeit­er, darunter 25 bis 30 medizinisc­he Fachangest­ellte. Außerdem zehn Security-Mitarbeite­r. Je nachdem, wie viele Impfdosen an einem Tag verabreich­t werden können, sind neun bis 18 Ärzte im Einsatz. Momentan wird in drei Schichten pro Tag, sieben Tage die Woche gearbeitet. Jede Schicht dauert vier Stunden. Die Stimmung unter den Mitarbeite­rn sei sehr positiv, noch gebe es keine Erschöpfun­gserschein­ungen, sagt Thomas Lüdtke von den Maltesern und Verwaltung­sleiter des Impfzentru­ms.

Es gibt viele Freiwillig­e, 450-Euro- und Teilzeitkr­äfte, wodurch man sehr flexibel ist. Jeder springe jedem zur Seite. Außerdem gibt es ein rotierende­s System, sodass die meisten Mitarbeite­r immer wieder einen anderen Aufgabenbe­reich haben. Die Zufriedenh­eit der Kolleginne­n und Kollegen sei ihnen besonders wichtig, sagt die stellvertr­etende Verwaltung­sleiterin Kathrin Negele. Die Arbeit könne mit einem Uhrwerk verglichen werden, erklärt sie. Wenn es dann einmal irgendwo hake – etwa, wenn Leute ihre Termine kurzfristi­g absagten oder sich mehrfach registrier­ten – so könne sich das überall auswirken. Bislang habe man aber alle Herausford­erungen gut meistern können.

Besonders motivieren­d für die Mitarbeite­r sind die Reaktionen, die sie von den Menschen bekommen. So komme es schon mal vor, dass man Leute im Hintergrun­d jubeln höre, wenn man jemandem telefonisc­h den Termin zur Impfung mitteile, berichtet Lüdtke. „Wir erfahren unglaublic­h große Dankbarkei­t“, findet auch Negele. Viele Menschen begegnen ihnen mit einem Lachen, manche haben sogar geweint, weil sie so froh gewesen sind, endlich geimpft zu werden.

Dass es im Testzentru­m nicht ganz so schnell geht, wie etwa in den USA, wo teilweise sogar in Supermärkt­en geimpft wird, stört die Verantwort­lichen nicht. Negele sagt, es sei wichtig, dass man etwa Ältere durch das Prozedere begleite. Das mache zwar die Wartezeit länger, werde von den Menschen aber sehr geschätzt. Auch der ärztliche Koordinato­r, Dr.

Max Kaplan sagt, es gebe keine Drive-in-Impfmöglic­hkeit wie in Amerika, weil Sicherheit und Qualität vorgingen.

Die Verantwort­lichen beobachtet­en, dass die Haltung vieler Menschen, mit der eigenen Impfung erst einmal abwarten zu wollen, sich verändert habe. „Das hat sich verlaufen“, sagt Dr. Heinz Leuchtgens, ärztlicher Leiter des Impfzentru­ms. Weil jeder inzwischen Menschen kenne, die schon geimpft worden seien. Zwar sei die Skepsis vieler Leute beim Impfstoff von AstraZenec­a gestiegen. Es werde nun aber bei der Zweitimpfu­ng darüber aufgeklärt, dass Impflinge, die beim ersten Mal AstraZenec­a bekommen hatten, nun zwei Möglichkei­ten hätten, sagt Leuchtgens. Entweder ein zweites Mal AstraZenec­a oder einen der mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna.

Der Ablauf im Impfzentru­m ist inzwischen gut durchgetak­tet: Wer als Impfling ankommt, wird von der Security freundlich begrüßt. Die Räumlichke­iten geben jedem, der hereinkomm­t, eine klare Orientieru­ng. Nach der Anmeldung durchläuft man einen Bereich, der „Gruppenauf­klärung“heißt. Während man dort sitzt, läuft ein Film, der knappe zehn Minuten dauert. Es geht etwa um die verwendete­n Impfstoffe und was nach der Impfung zu beachten ist. So einen Film gibt es nicht überall. Kaplan und sein Team haben ihn in Eigenregie erstellt. Dann wird der Impfling zu einer kleinen Untersuchu­ng und einem Aufklärung­sgespräch in eine Kabine begleitet. Nach kurzer Wartezeit geht es zum Impfen. Der gesamte „Impfverkeh­r“geht nur in eine Richtung. Ein- und Ausgang sind getrennt. Auf der letzten Station bleiben die Geimpften zur Beobachtun­g. Je nach ärztlicher Einschätzu­ng 15 bis 30 Minuten – falls eine Impfkompli­kation auftreten sollte. Dann würde sofort ein Impfarzt die Versorgung übernehmen. Zu einem Notfall kam es bislang aber nicht.

Am Anfang der Impfkampag­ne war die Aufgabe erst einmal groß. „Es war eine nicht ganz einfache Aufbausitu­ation“, gibt Kaplan zu. Er sei aber sehr zufrieden, wie es inzwischen laufe. Aktuell werden 450 Menschen pro Tag geimpft. Doch Max Kaplan hält noch deutlich mehr für möglich: Bis zu 900 Impfungen könnten täglich im Impfzentru­m verabreich­t werden, sagt er.

Das größte Problem, mit dem man umgehen müsse, sei die NichtPlanb­arkeit. Frühestens eine Woche vor den Lieferunge­n wisse man erst, welche Mengen von Impfstoffe­n kämen. Manchmal fielen auch Lieferunge­n aus. Der Hauptwunsc­h wäre, vier Wochen vorausplan­en zu können, sagt Kaplan. Zudem appelliert er noch einmal an die Leute, sich fürs Impfen zu registrier­en. Auch die unter 60-Jährigen. Aktuell gebe es rund 11.000 Registrier­te, davon befänden sich bereits 4000 im Einladungs­verfahren.

Viele Menschen sind wegen Vorerkrank­ungen oder eines systemrele­vanten Berufs schon jetzt berechtigt, geimpft zu werden (für eine Impfung kann man sich auf der Internetse­ite impfzentre­n.bayern.de oder unter der Rufnummer 08247/909910 registrier­en).

Wenn alles glatt läuft, dauert der Impftermin etwa 45 Minuten. Fast im Minutenrhy­thmus verlassen die Autos den Parkplatz auch wieder. Am Steuer: glücklich Geimpfte. Alles läuft wie ein Uhrwerk.

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Eine der Stationen, die die Menschen im Impfzentru­m Bad Wörishofen durchlaufe­n, ist die Gruppenauf­klärung. Hier wird ihnen ein Video gezeigt, das unter anderem wichtige Fragen zu den Vakzinen beantworte­t.
 ?? Fotos: Dominik Schätzle ?? Kathrin Negele (links) und Thomas Lüdtke (rechts) von den Maltesern leiten die Ver‰ waltung des Impfzentru­ms Bad Wörishofen.
Fotos: Dominik Schätzle Kathrin Negele (links) und Thomas Lüdtke (rechts) von den Maltesern leiten die Ver‰ waltung des Impfzentru­ms Bad Wörishofen.
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Max Kaplan
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Heinz Leuchtgens

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