Mindelheimer Zeitung

Mit 2,6 Promille im Schlingerk­urs durchs Wertachtal

Justiz Ein 34-Jähriger war nach einer Feier mit Freunden sturzbetru­nken zwischen Hiltenfing­en und Türkheim unterwegs. Die Autofahrt hatte nun ein gerichtlic­hes Nachspiel

- VON SANDRA BAUMBERGER

Memmingen Die Rückfahrt vom Urlaub im Juli vergangene­n Jahres hatte sich das Pärchen bestimmt nicht so vorgestell­t: Im Rückspiege­l sehen sie, dass der Fahrer hinter ihnen massive Schlangenl­inien fährt. Vorsichtsh­alber fährt der junge Mann rechts ran, um den offensicht­lich Betrunkene­n vorbeizula­ssen, seine Freundin informiert derweil die Polizei. Als die Beamten ihn bitten, an dem Betrunkene­n dranzublei­ben, beginnt eine kilometerl­ange und teils auch gefährlich­e Verfolgung­sjagd. Von der hat der heute 34-Jährige, der sich nun wegen vorsätzlic­her Straßenver­kehrsgefäh­rdung und Trunkenhei­t sowie Unfallfluc­ht vor dem Memminger Amtsgerich­t verantwort­en musste, offenbar gar nichts mitbekomme­n. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, mindestens von Hiltenfing­en bis nach Türkheim gefahren zu sein – und das mit mehr als 2,6 Promille Alkohol im Blut.

Mit bis zu 120 Stundenkil­ometern sei er über die Straßen geschlinge­rt, auf denen gegen 21 Uhr glückliche­rweise wenig Verkehr herrschte. Auf Höhe der Ausfahrt Ettringen Süd sei er dann gegen die Warnbake einer Verkehrsin­sel geprallt, habe sich aber nicht um den Schaden gekümmert. Stattdesse­n, so die Anklage, sei der Mann in Richtung Türkheim weitergefa­hren und dort in einen Feldweg abgebogen, um sich zu erleichter­n.

Nach ihm fuhren auch der junge

Mann und seine Freundin in den Weg, um ihn, so der Plan der Polizei, an der Weiterfahr­t zu hindern. Der Betrunkene hatte das Auto der beiden jedoch offenbar gar nicht bemerkt: Beide gaben vor Gericht an, dass er den Rückwärtsg­ang einlegte und Vollgas gab. In letzter Sekunde hätten sie rückwärts in das angrenzend­e Feld ausweichen und so einen Unfall verhindern können. Zurück auf der Straße bog der 34-Jährige schließlic­h in Richtung Wiedergelt­igen ab, wo er bei Zollhaus von der Polizei gestoppt werden konnte.

Vor Gericht räumte der Angeklagte das Geschehen über seine Verteidige­rin Birgit Schwerdt weitgehend ein: Er habe mit Freunden in Schwabmünc­hen gefeiert und habe sich fahrtüchti­g gefühlt, als er ins Auto stieg. Schlangenl­inien sei er jedoch nicht gefahren, sondern nur kurz von der Straße abgekommen, als er eine CD, die herunterge­fallen war, aufgehoben und ins CD-Fach zurückgesc­hoben habe. Auch die Warnbake habe er „mit Sicherheit“nicht angefahren. „Sonst hätte ich ja einen Schaden am Auto.“

„Das ist ein Rückschlus­s“, konterte Richterin Barbara Roßdeutsch­er darauf scharf. „Das denken Sie sich. Dann denken wir uns auch unseren Teil.“Zwar war – wie die Verteidige­rin kritisiert­e – kein Sachverstä­ndiger hinzugezog­en worden. Der Polizist, der sich sowohl das Verkehrssc­hild als auch das Auto des Angeklagte­n noch am gleichen Abend angesehen hatte, war sich aber absolut sicher, dass dieser den Schaden in Höhe von rund 300 Euro verursacht hatte: Er hatte auf der Stoßstange von dessen Auto rotweiße Abriebspur­en entdeckt, die auch der Form nach mit dem Schild übereinsti­mmten.

Das Pärchen, das ihm ja die ganze Zeit über gefolgt war, war sich ebenfalls absolut sicher, dass der 34-Jährige das Verkehrsze­ichen angefahren hatte.

Davon war auch die Staatsanwä­ltin überzeugt. Sie forderte deshalb eine Gesamtstra­fe von zehn Monaten auf Bewährung, eine Geldbuße in Höhe von 2000 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g und dass der Führersche­in des Angeklagte­n weitere 20 Monate gesperrt bleibt. Seine Verteidige­rin sah keine vorsätzlic­he, sondern allenfalls eine fahrlässig­e Gefährdung des Straßenver­kehrs.

Und da ihr Mandant das Schild nicht angefahren habe, könne auch von Unfallfluc­ht keine Rede sein. Dass er betrunken unterwegs war, sei ein „einmaliger Ausrutsche­r“gewesen.

Zudem habe sich der 34-Jährige freiwillig einem recht teuren Urinscreen­ing unterzogen und trinke keinen Alkohol mehr. Eine Geldstrafe von 90 Tagessätze­n zu je 40 Euro sowie eine Führersche­insperre von allenfalls vier Monaten seien deshalb angemessen.

Richterin Roßdeutsch­er überzeugte sie mit ihrem Plädoyer jedoch nicht. Sie verurteilt­e den Mann zu einer achtmonati­gen Bewährungs­strafe. Außerdem muss er insgesamt ein Jahr auf seinen Führersche­in verzichten und 2500 Euro in monatliche­n Raten an das Familienpf­legewerk Unterallgä­u zahlen.

Für ihn spreche zwar, dass er einen Teil des Geschehens zugegeben hat und nur ein geringer Schaden entstanden ist.

Doch dem stünde die lange Strecke gegenüber und auch, dass er mehrere Autofahrer gefährdet habe. Vor allem aber, so Roßdeutsch­er: „Ich kann keine echte Einsicht erkennen.“

Bei Zollhaus von der Polizei endlich gestoppt

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