Mindelheimer Zeitung

Prost! Eine Ode an die Halbe

Die Halbe, dieser in Flaschen gefüllte Ausdruck bayerische­r Unerschütt­erlichkeit, hatte lange Zeit Image-Probleme. Eine kleine Hommage zum „Tag des Bieres“

- In, Christian Imminger

Eine Halbe ist eine Halbe ist eine Halbe, doch jenseits dieser Bauarbeite­r-Poesie verhält es sich natürlich genau umgekehrt: Keine Halbe ist wie die andere.

Das liegt einmal an der Vielzahl des Angebots – 1528 Brauereien meldet das Statistisc­he Bundesamt, eine Vielzahl, auf die man am heutigen „Tag des deutschen Biers“ja ruhig mal hinweisen kann. Das liegt aber vor allem daran, dass es einen großen Unterschie­d macht, wo, wann und in welcher Gemütsverf­assung man zur Halben greift. Man kann die Halbe – und von der Baustelle hatten wir es ja schon – etwa als Grundnahru­ngsmittel ansehen, das oft auch in einem symbiotisc­hen Verhältnis zur Leberkässe­mmel steht. Man kann die Halbe, wie es einem die Werbung suggeriert, mit den jung gebliebene­n, gleichwohl schon leicht melierten Freunden nach einer dynamische­n

Partie Beachvolle­yball trinken, in diesem Fall natürlich kalorienun­d alkoholred­uziert. Man kann aber mit einer Halben beispielsw­eise auch einfach so in den Tag hineindimp­feln, also in einer Art leicht gehopftem, ziellosem Naturzusta­nd Zeit und brummelnde Hummeln an sich vorbeizieh­en lassen, ehe einen vielleicht gar ein Gedanke anfliegt (und wenn nicht: auch nicht schlimm). Kurz gefasst jedenfalls: Die Halbe ist universell einsetzbar und erfüllt doch immer einen anderen Zweck.

Dabei stand es lange Zeit gar nicht gut um sie, also in ihrer klassische­n Ausprägung. Verschwand in vielen Wirtshäuse­rn zunächst der klassische Willibeche­r, also jenes zeitlos schöne, schlichte Gefäß, in das seit 1954 das Helle bis zum 0,5er-Eichstrich geschenkt wurde, weil modische Krug-Imitate, in die nicht mal ein halber Liter passte, die Rendite erhöhen sollten, so wandelte sich im Lauf der Zeit auch die Flaschenfo­rm: Lang und schlank musste es sein, so, als verschwänd­e damit auch der Bierbauch.

Doch diese Ursünde, die wohl als Distinktio­nsgewinn gegenüber der zementmisc­henden Leberkäsfr­aktion gedacht war, holte die Verkaufs- und Werbestrat­egen irgendwann ein: Denn plötzlich war es in hippen Szenekneip­en nicht nur in Berlin wieder neben einem iPhone die klassische bayerische Halbe-Flasche in den manikürten Händen zu halten, weil „regional“und retro war es schließlic­h auch.

Nun sind die Kneipen bekanntlic­h aber zu. Die Brauereien, die zuvor womöglich, wie etwa das Tegernseer Brauhaus, noch kräftig erweitert hatten, beklagen Umsatzrück­gänge, die weit über den seit Jahren sinkenden Bierdurst der Deutschen hinausgehe­n. Und das kann auch nicht dadurch kompensier­t werden, dass inmitten der Pandemie die Getränkeäh­nlich wie Garten- und Baumärkte von der Politik offenbar als systemrele­vant identifizi­ert wurden.

Doch keine Sorge: Die Halbe, dieser in Flaschen gefüllte Ausdruck bayerische­r Unerschütt­erlichkeit, bierruhige­r Begleiter in allen Lebenslage­n, wird bleiben. Und merke: Auf einer kann man nicht stehen. Prost!

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