Abschied von Illusionen
Irgendwann wird das ja wieder anders. Dieses Mantra sagen sich wohl viele auf diesen hoffentlich letzten Metern des Lockdowns selbst vor. Tatsächlich trägt es uns sehr oft als sanfte Methode des Selbstbetrugs über manche Unbill des Alltags hinweg. Wer Kinder hat, weiß, wovon die Rede ist. Mal ganz abgesehen von individuellen Erziehungsstilen und Toleranzschwellen: Kinder zu haben, heißt immer auch, Dinge anzusammeln.
Stetig und unaufhörlich tröpfeln immer neue Spielsachen, Kleidungsstücke, Ausstattungsgegenstände in die Wohnung. Manche Dinge braucht man einfach. Über andere freut man sich, zumindest wenn die Kinder noch klein sind, still mit, wenn man sieht, welche Begeisterung sie – im Idealfall für ein paar Tage – beim Nachwuchs hervorrufen. Doch im Lauf der Zeit wird der Blick abgeklärter, fängt der Kopf unweigerlich an, bei jedem neuen Ding Kosten-NutzenRechnungen aufzustellen: Wie viel glückliche Spielzeit der Kinder steht wie viel fluchender Wisch-, Kehr- und Aufräumzeit der Erwachsenen gegenüber?
Manchmal denkt man, einen großen Schritt zurück zu einer ansehnlichen Wohnumgebung getan zu haben: Mit dem Verschwinden des Wickeltischs aus dem Badezimmer öffnet sich der Weg zur Dusche wieder ohne Gymnastikübung. Doch zu früh gefreut. Dafür sind jetzt alle Ablageflächen belegt, sodass ein unvorsichtiges Tasten im Morgengrauen zu zerstörerischen Kettenreaktionen führen kann. Irgendwas ist immer. Das muss man erst schmerzhaft lernen. Dann kann man auf dieser Basis aufbauen: Wenn es anders wäre, wäre man plötzlich ganz schön allein.