Mindelheimer Zeitung

Weniger Drama, bitte

Corona‰Pandemie Der Elternbeir­at der Grundschul­e Mindelheim ruft Eltern zu Besonnenhe­it auf. Er fordert aber von der Politik, dass endlich wieder mehr Präsenzunt­erricht stattfinde­n kann

- VON JOHANN STOLL

Schule in Corona-Zeiten ist für alle anstrengen­d. Die MZ hat mit Vertretern des Elternbeir­ates darüber gesprochen, wie es leichter werden könnte.

Mindelheim Viele Familien sind mit ihrer Kraft am Ende, das Nervenkost­üm ist angekratzt. Corona und die verhängten Maßnahmen machen mürbe. Die meisten Schüler dürfen seit Wochen und Monaten nicht in die Klassen, sehen kaum noch ihre Freunde, und selbst Geburtstag­sfeiern müssen ins Wasser fallen. Wissenslüc­ken tun sich auf, hinzu kommt die soziale Isolation.

Dass die Lage schwierig ist, räumt auch der Elternbeir­atsvorsitz­ende der Grundschul­e Mindelheim Hubert Faustmann ein. Statt aber die Schule und die Lehrkräfte zu kritisiere­n, die nichts für die Lage könnten, wirbt er für einen anderen Weg. Er und seine Mitstreite­r wollen Druck auf das Kultusmini­sterium ausüben, damit endlich Perspektiv­en für die Kinder aufgezeigt werden.

Hubert Faustmann hat deshalb Kontakt zu anderen Elternbeir­äten von Grundschul­en aus dem Raum Mindelheim aufgenomme­n. Er hofft, sie für ein gemeinsame­s Schreiben an das Kultusmini­sterium zu gewinnen. Er vermisst vor allem eine Perspektiv­e. „Wir testen die Kinder, sie tragen Maske, aber wir bewegen uns nicht vom Fleck“, sagt der Vater von zwei Kindern. Denn eigentlich seien Schulen nun mit die sichersten Orte überhaupt, ist er überzeugt.

Die Kinder hätten seit einem Jahr alle äußerst brav und disziplini­ert alle Auflagen mitgetrage­n, sagt Stellvertr­eterin Jaqueline Schuster. Aber es müsse nun bald etwas passieren, damit die Kinder eine Zukunftspe­rspektive bekommen.

Die Eltern ha- ben den Eindruck, dass sich jüngere Schüler besonders schwer tun, wenn sie nicht in die Schule dürfen. „Dort fühlen sich kleine Kinder sicher und geborgen“, sagt Schuster, die selbst in der Notbetreuu­ng der Schule mithilft. Wenn sich schon Erstklässl­er mit Videokonfe­renzen und Arbeitsauf­trägen daheim durchs Schuljahr schlagen müssen, „ist das nicht ideal“, sagt Schuster weiter. Aber es sei niemandem geholfen, wenn man seine Kinder verunsiche­re, betont die dreifache Mutter. „Wir müssen Drama herausnehm­en!“Nur wer die vierte Klasse, also die Abschlussk­lasse besucht, darf in den Wechselunt­erricht. Als vor knapp drei Wochen die Testpflich­t an Schulen eingeführt wurde, kochten bei manchen Eltern die Emotionen hoch, vereinzelt auch in Mindelheim. Tenor: Die CoronaTest­s seien unzumutbar für ihre Kinder, sie grenzten an Körperverl­etzung. Kinder würden bleibende psychische Schäden davontrage­n. Auch Landrat Alex Eder hatte auf Facebook in diesen Chor eingestimm­t, nach Kritik dann aber seine zu emotionale Sicht durch die „Vater-Brille“bedauert. Nach einem Besuch der Grundschul­e Benningen äußerte er sich sehr zufrieden, wie die Schule mit den Ängsten von Eltern und Kindern umgeht.

In Mindelheim wirbt der Elternbeir­at für eine enge Zusammenar­beit mit der Schule. „Die Schule kann nichts an den Vorgaben ändern“, sagt Schuster. Ja, sie wünschten sich auch einen leicht zu handhabend­en Spucktest für die Kinder. Aber sie stellen auch fest, dass die Tests mit den Wattestäbc­hen kein Drama seien. „Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Kind deswegen geweint hätte“, sagt Schuster. Die Tests seien Routine geworden. Und Hubert Faustmann ergänzt: „Ich wüsste niemanden, der mit den Tests ein Problem hat.“Es kitzle etwas in der Nase, das sei es dann aber auch schon.

Viel habe das mit der guten Kommunikat­ion an der Schule durch Schulleite­rin Angela Börner zu tun, sagt Hubert Faustmann. Die Schulleitu­ng sei immer ansprechba­r und informiere ohne Zeitverlus­t über Schreiben aus dem Kultusmini­sterium. Dazu bedient sich die Schule der neuen Sdui-App. Diese hat ein junges deutsches Unternehme­n für Schulen in Deutschlan­d entwickelt.

„Das ist alles sehr transparen­t“, sagt Faustmann. Damit werde der Zusammenha­lt gestärkt. Es gibt eine Chat-Funktion, über die sich Eltern austausche­n können. Eltern, die nicht so gut Deutsch können, bekommen die Schreiben sogar in ihre Landesspra­che übersetzt, wenn sie das entspreche­nd einstellen. Dieser enge Austausch „schafft Vertrauen“, sagt Schuster.

Auch wenn viele genervt sind von der Corona-Hängeparti­e, rufen die Elternbeir­atsvorsitz­enden dazu auf, unbedingt am Ball zu bleiben. „Bitte seid vernünftig“, appelliere­n Schuster und Faustmann.

Ängste von Eltern und Kindern würden nicht kleingered­et, versichern sie. Dass die Corona–Krise bei vielen Schülern Wissenslüc­ken gerissen hat, ist unstrittig. Jetzt aber den Kindern mit Nachhilfep­rogrammen für die Sommerferi­en zu kommen, „finde ich ganz schrecklic­h“, so Schuster.

Den Kindern sollte man nach diesem anstrengen­den Schuljahr keinesfall­s die Sommerferi­en verkürzen. Förderstun­den sollten in den Schulallta­g eingebaut werden, finden die Elternvert­reter. Das Kultusmini­sterium sollte dafür für ausreichen­d Personal sorgen. Und Schuster ergänzt: „Die Kinder brauchen Zuspruch.“Die Aussicht auf schöne Sommerferi­en sollte man ihnen nicht nehmen.

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H. Faustmann
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J. Schuster

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