Stimmung auf dem Sofa
Eishockey Wie eingefleischte ESVK-Fans die Play-offs im heimischen Wohnzimmer verfolgen
Pforzen Absolut irre. Zwei Worte, die einen unglaublichen EishockeyAbend in Pforzen ziemlich gut beschreiben. Absolut irre sei es gewesen, was es am Fernseher zu sehen gab, sagte Andreas Heinle. Der ESV Kaufbeuren ging in der Play-offViertelfinalserie gegen Freiburg durch einen 5:2-Sieg mit 2:1 in Führung, kann am Donnerstagabend im Heimspiel gegen die Wölfe den Halbfinaleinzug fix machen.
Die ESVK-Fankurve im Stadion kennt Heinle, 47 Jahre alt und Projektmitarbeiter eines großen Lebensmittelkonzerns am Standort Biessenhofen, hauptsächlich als Heino. Seit mehr als 20 Jahren besitzt er eine Dauerkarte, noch länger geht er ins Stadion, wo er an seiner Trommel für den richtigen Sound sorgt. Wie viel rot-gelbes Blut durch seine Adern fließt, lässt sich auch daran erkennen, dass Heino nicht in einem, sondern gleich in zwei Fanklubs ist, bei Rot-GelbBuronia und den Eisrittern.
Im Stadion ist er heuer natürlich nicht. Die Fankurve musste er pandemiebedingt mit dem Sofa tauschen, hat von seinem Wohnzimmer aus jedes einzelne Spiel verfolgt. Vor ihm steht ein schwarzer Tisch mit riesigem Joker-Emblem drauf. Zu Trinken gibt es – natürlich – das ESVK-Bier der hiesigen Brauerei, getrunken wird stilecht aus Stadionbechern, die mit Kaufbeurer Kufencracks bedruckt sind. Da sitzt er also, in voller Fan-Montur, neben sich seine beiden Töchter Leoni und Ronja (10 und 12) sowie seine Frau Sandra – und Jürgen, ein Freund Heinos, den alle nur JJ nennen.
Zäh startet das Match der Joker, wird in der Runde analysiert. „Die erste Reihe von denen ist übel“, sagt Heino anerkennend. Freiburgs Topspieler Chris Billich und Steve Allen haben ihre Farben inzwischen mit 2:0 in Führung gebracht. „Hoffentlich
war das jetzt ein HalloWach-Effekt“, sagt JJ und Heino ergänzt: „Zwei Tore sind im Eishockey nix.“Die Stimmung ist trotz Rückstands der Kaufbeurer gut.
„Der Wörle ist dieses Jahr brutal gut und Ketterer blockt Schüsse wie Sau“, erzählt Heino gegen Ende des ersten Spielabschnitts und soll in diesem Punkt noch einen richtigen Riecher beweisen, wie sich später zeigt. Frühzeitig aufzugeben, das ist nicht sein Credo. „Wenn Kaufbeuren dieses Spiel gewinnt, gewinnen wir auch die Serie. Gewinnt Freiburg,
fällt die Entscheidung erst im fünften Spiel“, sagt der 47-Jährige voraus, preist einen Heimsieg der Joker am Donnerstag somit also wie selbstverständlich ein.
Ab dem zweiten Drittel drehen die Joker massiv auf, der vom Sofa aus schon gelobte Tobias Wörle bringt seine Farben mit einem lupenreinen Hattrick im Mittelabschnitt mit 3:2 in Führung. Die Pforzener Wohnsiedlung fühlt sich in diesen Momenten ein bisschen an wie das Epizentrum der Joker-Liebe. Mit diesem Wandel der Partie in rund acht Spielminuten hatten selbst die Heinles nicht gerechnet. „Saustark. Wir spielen die zum Teil regelrecht her“, kann es Heino kaum glauben. Die Freude steht ihm ins Gesicht geschrieben. Im Schlussabschnitt setzen Branden Gracel und Tyler Spurgeon dem Ergebnis die Krone auf, das Match endet 5:2. Der ESVK geht in der Serie in Führung.
Die Welt, sie ist im Hause Heinle an diesem absolut irren EishockeyDienstagabend mehr als in Ordnung. Wie das wohl wird, sollte Kaufbeuren am Donnerstagabend einen weiteren Sieg einfahren und dann ab kommenden Sonntag wirklich im DEL2-Halbfinale stehen? Emotionaler kann ein Fernsehabend im Wohnzimmer eigentlich gar nicht mehr sein. (wes)