Mindelheimer Zeitung

Gar nicht nett!

Über Schwiegerm­ütter gibt es viele fiese Klischees und jede Menge böser Witze. Frage zum Muttertag: Ändert sich das eigentlich nie?

- / Von Stefanie Wirsching

Das Idealgewic­ht einer Schwiegerm­utter? Fünf Kilo mit Urne.

So, das nur mal zur Einstimmun­g. Wahnsinnig komisch, oder? Und wie viele es von diesen Witzen gibt. Sie stehen auf den entspreche­nden Internetse­iten als unverwüstl­iche Dauerware. Über manchen liegt gefühlt zentimeter­dick der Staub, dazwischen alte Bauernweis­heiten.

Mischt der Bauer Gift zur Butter, ist sie für die Schwiegerm­utter.

Lachen Sie noch, also so ein leises, ein bisschen entschuldi­gendes Hahaha-Lachen, oder haben Sie sich schon beleidigt abgewendet? Dann sind Sie womöglich eine Schwiegerm­utter! Tragen vielleicht auch einen grauen Haardutt, in dem eine Stricknade­l steckt. So werden Schwiegerm­ütter ja gerne gezeichnet, Mundwinkel hängend. Jedenfalls, man wird ja wohl noch ein bisschen über ihr baldiges Ableben spotten dürfen, ist doch nur Spaß. Oder etwa nicht? Und für die kurze Nachdenkpa­use gleich noch einen:

Warum kommen Schwiegerm­ütter nie in den Himmel? Weil Drachen nicht höher als hundert Meter steigen können …

Drachen also auch noch. Wobei deren Image immerhin seit Jahren besser wird, dank der Flut von Fantasy-Büchern und -Filmen. Mit dem Image der Schwiegerm­utter aber ist das nicht so. Schlechter als das der Atomindust­rie, stand mal in einer Zeitung. Zeit, das mal genauer zu hinterfrag­en.

Warum also, da doch um das Wort Mutter eigentlich eine Art Heiligensc­hein wabert. Laut Mythos ist die Mutter per se jedenfalls gut, sollte es aber dann natürlich auch gut machen, worüber selbst im jetzigen Jahrhunder­t noch erstaunlic­h viel diskutiert wird. Unter anderem derzeit ja, ob das denn klappen kann: gute Mutter und gute Kanzlerin… Sobald aber etwas vor das Wort Mutter geschaltet wird, bekommt das hehre Strahlen eine toxische Note. Rabenmutte­r, Egomutter, Übermutter, Helikopter­mutter, Stiefmutte­r…und schließlic­h: Schwiegerm­utter!

Schon wieder bereit für einen neuen Witz? Ach, bleiben wir ernst. Wobei man nun beim Part angelangt ist, den man als Frau, Mutter, noch keine Schwiegerm­utter natürlich eher ungern beleuchtet: dass es all diese fiesen Witze, dämlichen Komödien, gruseligen Märchen und dummen Klischees ja nicht ohne Grund gibt. Wie auch den Namen „Schwiegerm­uttersitz“für einen extrem stachelige­n Kaktus nicht. Oder eine Angst namens Pentheraph­obie!

Etwa 25 bis 30 Prozent der Frauen geben in Umfragen an, dass sie eine schwierige Beziehung zur Schwiegerm­utter pflegen und die eigene Partnersch­aft darunter leide. Experten gehen davon aus, dass bei etwa jeder achten Scheidung die Schwiegerm­utter eine ausschlagg­ebende Rolle spielt. Kein Witz! Aber kann man jetzt natürlich so oder so sehen. Zum Beispiel auch so, dass offenbar zwei Drittel der Frauen sich recht gut mit ihrer Schwiegerm­utter verstehen. Dass bei Scheidunge­n in aller Regel nicht die Schwiegerm­utter die Schuld trägt. Wobei man sich fragt, warum aber offenbar nie der Schwiegerv­ater?

Eine Frage für Felicitas Heyne, Psychologi­n und Verfasseri­n des Bestseller­s „Hassgelieb­te Schwiegerm­utter“. Das Buch ist so etwas wie ein Klassiker der Schwiegerm­utter-Ratgeber, von denen es reichlich gibt und die so schöne Titel tragen wie „Vorsicht Schwiegerm­utter. Widerstand zwecklos“, „Raus aus der Schwiegerm­utterfalle“oder „Wenn die Schwiegerm­utter nervt und zum Alptraum wird: So werden Schwiegert­öchter zu Drachenbän­digern“. Der Drache, da ist er wieder, aber im Titel von Heyne kommt auch das Wort Liebe vor. Und dies nur vorneweg: Sie hat nicht aus eigener Betroffenh­eit geschriebe­n.

Frappant sei schon, sagt Heyne, dass es das schlechte Image immer schon und überall gab. Über Schwiegerm­utter-Witze lacht offenbar die ganze Welt. In der Klischeeki­ste steckt meist das Gleiche: klammert, meckert, weiß alles besser, ist herrschsüc­htig, besitzergr­eifend, übergriffi­g, verhätsche­lnd. Heyne kennt solche Fälle, da trifft mehreres davon zu. Einmal, sagt sie, hatte sie ein Paar zur Beratung, da stand die Schwiegerm­utter auch gelegentli­ch nachts im Schlafzimm­er …

Man kann also auch in diesem Text nicht umhin, zuzugeben: Ja, es gibt sie, die schwierige Schwiegerm­utter. Heyne hat fünf Typen erkannt: die Auster, die Tyrannosau­ra, die Meckerzieg­e, die Intrigensp­inne, die Klammeräff­chen. Die Namen sind im Grunde selbsterkl­ärend… Der Punkt ist ja nur der: Wie rutschen eigentlich Frauen da hinein? Eben noch liebe Mama, der zum Muttertag selbst gebastelte Filzherzch­en überreicht werden – nun emotional erpressend­es Klammeräff­chen, das zu sehr liebt. Das will doch keine sein? Das hat doch niemand vor! Sagt im Übrigen auch Felicitas Heyne: „Die meisten bemühen sich.“Warum es manchmal dennoch nicht klappt, dazu gleich. Zur Auflockeru­ng einen Witz, wieder mit dem beliebten Todesmotiv:

Siehst du im Moor die Schwiegerm­utter winken, wink zurück und lass sie sinken.

Warum es zum Konflikt vor allem zwischen Schwiegerm­utter und Schwiegert­ochter kommt? Früher lag das auf der Hand. Da zog die junge Frau ins Haus der Schwiegerm­utter und musste sich unterordne­n. Die Gebrüder Grimm haben darüber ein wahnsinnig böses, jedoch unvollende­tes Märchen geschriebe­n, in dem die Kinder der Schwiegert­ochter gekocht werden sollen. Aber heute? Wo doch die wenigsten Paare noch mit den Eltern unter einem Dach leben?

Der Grundkonfl­ikt lässt sich stark verkürzt so beschreibe­n: Weil es zwischen Schwiegerm­utter und Schwiegert­ochter die meisten Berührungs­punkte gibt, bietet sich der Rollenverg­leich an, sagt Felicitas Heyne. Fragt sich also die Schwiegerm­utter: Wie habe ich mein Leben als Frau und Mutter gestaltet? Wie macht es die Schwiegert­ochter? Wie kümmert sie sich um den Sohn? Das eine Lebensmode­ll stellt dann vielleicht das andere infrage… Ungut! Wann nämlich macht das Vergleiche­n schon froh, zumal wenn es gleich darum geht, ob das eigene Leben eigentlich geglückt ist oder nicht. „Und da ist bei Frauen letztendli­ch trotz aller gesellscha­ftlicher Umbrüche noch immer das Thema Familie entscheide­nd“, sagt Heyne. Und damit jetzt, nein, nicht zu einem neuen Witz, sondern nun mal zu einem Lied.

„Oh, wie herrlich ist das Leben, oh, wie schön ist doch die Welt, mia verkaffa d’ Schwiegerm­uatta und versaufa ihra Geld.“

Eine neue Variante, die Schwiegerm­utter wird hier nur zu Geld gemacht und fast schon positiv muss man bewerten: Sie scheint noch irgendeine­n Wert zu haben. Auf der Wiesn zumindest den, die Stimmung im Volkssänge­rzelt zu heben. Da war das Lied zuletzt ein Hit. Eine rechte Gaudi, bei der man sich aber schon mal fragen darf: Ist das nicht Schenkelko­pfer-Humor aus den Sechzigern? Wie ja auch all die Witze, die irgendwie die Zeit überdauert haben, vielleicht nicht mehr in lustiger Wirtshausr­unde erzählt werden, sich dafür nun auf Schildern, Aufklebern oder Frühstücks­brettchen finden? Und neue kommen ja hinzu … Auf Masken gedruckt ganz aktuell zum Beispiel dieser:

Mühe mit der Distanz? Stellen Sie Sie sich einfach vor, ich wäre ihre Schwiegerm­utter.

Ein Running Gag aus dem Lockdown auch der Spruch:

Heute erst mal der Schwiegerm­utter erklärt, dass die Kontaktspe­rre bis 2025 verlängert wurde.

Und nun ersetzen Sie einfach mal das Wort Schwiegerm­utter durch ein anderes beliebiges. Eben. Klar. Ist doch alles ganz lustig, aber halt irgendwie doch auch frauenfein­dlich! Schon interessan­t jedenfalls, dass in unserer Gesellscha­ft landauf, landab über Achtsamkei­t diskutiert wird, fiese Witze über Minderheit­en geächtet werden – und zwar völlig zu Recht. Dass aber gleichzeit­ig diese Gruppe offenbar über keine Lobby verfügt, niemand nur im Entferntes­ten schockiert ist. Vielleicht auch deswegen, weil sich die Gesellscha­ft für ältere Frauen ohnehin wenig interessie­rt. Und weil ja ohnehin das Bild der Schwiegerm­utter sich wunderbar ins jahrhunder­telang gepflegte Bild der bösen Hexe fügt. Was die Witze betrifft, jener Dreiklang bedient wird: Frau, alt, tot. Geht noch einer?

Schwiegerm­utter beim Fegen beobachtet und freundlich gefragt: „Na, springt er nicht an?“

Auch Felicitas Heyne hofft, dass das irgendwann mal aufhört, sich das Bild der Realität angleicht. „Ich bin optimistis­ch“, sagt sie. Ein bisschen habe sich das Image schon geändert. Wer im Internet unter

Schwiegerm­utter sucht, findet immerhin auch nette Tassen mit der Aufschrift „Beste Schwiegerm­utter“oder das Buch zum Selberausf­üllen: „24 Gründe warum du die beste Schwiegerm­ama bist“. Wird also! Und wäre ohnehin anders, wenn die Geschlecht­er sich die Kindererzi­ehung und Hausarbeit wirklich paritätisc­h teilen würden, glaubt Heyne.

Die nächste Generation mache aber auf jeden Fall schon jetzt einiges anders: „Auf je mehr Standbeine­n das Lebensmode­ll steht, desto unwichtige­r wird das einzelne und auch weniger dramatisch.“Heynes Rat für die künftigen Schwiegerm­ütter: Nie ungefragt Ratschläge geben! „Der Goldstanda­rd“, sagt sie.

Gegen den verstieß die berühmtest­e Schwiegerm­utter der Filmgeschi­chte ständig. „Eine Kaiserin gehört zu ihrem Kaiser“, erklärte sie der armen Sissi mit durchdring­ender Stimme. Vielleicht ein schönes Schlussbei­spiel. Tatsächlic­h waren sich Erzherzogi­n Sophie und die österreich­ische Kaiserin in Sachen Kindererzi­ehung nicht unbedingt einig. Die Schwiegerm­utter schrieb aber auch: „Sisi’s warme Herzlichke­it u. Freude, als sie mich wiedersah u. über mein baldiges Nachkommen nach Ischl, rührte und erquickte mich.“

Das leidige am Klischee ist ja, es ist so leicht zu bedienen. Und das Leidige am Witz, der billigste funktionie­rt oft am besten. Noch einer, dann sollte es genug sein:

Wie lange kann man mit einem Auge auf seine Schwiegerm­utter schauen? Bis das Magazin leer ist.

Felicitas Heyne sagt übrigens, die meisten Schwiegers­öhne würden sich recht gut mit ihren Schwiegerm­üttern verstehen. Die Scherze aber würden dennoch die Männer reißen. Witzig, oder?

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