Mindelheimer Zeitung

Scholz stichelt gegen Baerbock

Wahlkampf Der SPD-Kandidat wirbt mit seiner Regierungs­erfahrung

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin SPD-Kandidat Olaf Scholz wirbt im Rennen um das Kanzleramt mit seiner Erfahrung. „Ich kann meine Erfahrung, meine Kraft und meine Ideen einbringen“, sagte Scholz beim digitalen Parteitag der Sozialdemo­kraten in Berlin und verwies auf seine Zeit als Regierungs­chef in Hamburg, Minister und Vizekanzle­r. Es brauche die Fähigkeit, Ideen durchzuset­zen, einen Regierungs­apparat zu steuern und aus Träumen Politik machen zu können, sagte Scholz. Damit setzte er sich von Grünen-Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock ab, die keine solche Erfahrung aufweisen kann.

Scholz versprach, die deutsche Wirtschaft bis zum Jahr 2045 klimaneutr­al machen zu wollen. Hart ging er mit dem bisherigen Koalitions­partner CDU/CSU ins Gericht. „Früher hieß es bei den Konservati­ven ja immer: ,Wir stehen für Maß und Mitte‘ – heute stehen sie für Maaßen und Maskenschm­u“, sagte Scholz. „Eine weitere von CDU und CSU geführte Regierung wäre ein Risiko für Wohlstand und Arbeitsplä­tze – ein Standortri­siko für unser Land“, warnte der Finanzmini­ster. In seinem ersten Jahr als Bundeskanz­ler, so Scholz weiter, wolle er einen Mindestloh­n von zwölf Euro durchsetze­n. Für „eine Gesellscha­ft des Respekts“seien überdies gleicher Lohn für gleiche Arbeit und durchgängi­g Tariflohn in der Pflege nötig.

Berlin Es ist ein lautes „Fürchtet euch nicht“, das Olaf Scholz den Wählern in Deutschlan­d zuruft. Es muss sich zwar viel ändern, aber die Deutschen müssen keine Angst haben, lautet seine Botschaft. Egal ob durch die Digitalisi­erung, die Erwärmung der Erde oder die neue Weltmacht China. Denn den Wandel steuern wird der Kanzler Olaf Scholz. „Auf den Kanzler kommt es an. Dieser Satz gilt wieder“, sagt Scholz auf dem Parteitag seiner SPD in Berlin.

Wegen der Corona-Pandemie sind die Delegierte­n am Sonntag von ihren Computern zugeschalt­et. Auf der Messe hat sich nur die Parteispit­ze versammelt. Scholz muss also ohne direkte Rückkopplu­ng eines Saals in die Kameras sprechen. Der 62-Jährige ist nicht der größte Rhetoriker, aber er kommt flüssig durch seine Rede. Wer den Parteitag der Grünen im Kopf hat, weiß, wie schwer es sein muss, ohne Zustimmung in Gesichtern erblicken zu können oder Zwischenap­plaus zu bekommen.

Der Finanzmini­ster und Vizekanzle­r bleibt in der Ansprache seinem Stil treu. Harte Attacken auf den politische­n Gegner kommen ihm nicht über die Lippen. Er spießt die Maskenaffä­re bei CDU und CSU auf und bemängelt bei den Grünen, dass sie zwar große Pläne verabschie­deten, aber sich um die Machbarkei­t nicht scherten. „Ich habe diesen präzisen Plan für den Weg in die Zukunft. Andere, die sich in diesem Jahr zur Wahl stellen, haben keinen Plan“, sagt der Finanzmini­ster und Vizekanzle­r. Er ist keiner, der auf der Bühne lodert oder umhertiger­t. Er steht vor einer Wand im Rot der Arbeiterbe­wegung, ein schwarzes Mikrofon vor seiner Brust haltend, und spricht. Großes Pathos geht Scholz ab.

Der Teil für das Herz steht unter der Überschrif­t. Jeder in Deutschlan­d soll Respekt erhalten, ob Mann oder Frau, Ossi oder Wessi, jung oder alt, oben oder unten. Natürlich wäre Scholz nicht der Kandidat der SPD, wenn er sich nicht stärker denjenigen zuwenden würde, die das Land in den vergangene­n Monaten am Laufen hielten. Pfleger, Krankensch­western, Erzieherin­nen, Verkäufer und Lehrerinne­n. „Ich stehe auf der Seite der ganz normalen Leute“, verspricht Scholz. Durch die Anerkennun­g ihrer Leistung soll die Gesellscha­ft davor bewahrt werden, auseinande­rzufallen. „Zusammenha­lt kommt nicht von allein. Zusammenha­lt hat Voraussetz­ungen“, so drückt es der ehemalige Bürgermeis­ter Hamburgs aus.

Die materielle­n Voraussetz­ungen für diesen Zusammenha­lt soll das SPD-Programm besorgen, mit dem Scholz neben seiner Person um Stimmen wirbt. Es atmet den Geist von mehr Staat und weniger Markt. Die SPD wendet sich damit von der Politik ihres bislang letzten Kanzlers Gerhard Schröder ab. Aus der Grundsiche­rung Hartz IV, die viele SPD-Mitglieder bis heute beschämt, soll ein Bürgergeld werden. Eine neue Waschmasch­ine oder eine Winterjack­e sollen für die Bezieher nicht mehr zur Last werden. Der Mindestloh­n soll auf 12 Euro angehoben werden, das Rentennive­au trotz alternder Gesellscha­ft bei 48 Prozent stabilisie­rt werden. Scholz will außerdem die Altschulde­n der

Städte und Gemeinden übernehmen, damit sie in die Modernisie­rung von Schulen, Kindergärt­en und den sozialen Wohnungsba­u investiere­n können. Der Staat soll jedes Jahr 100000 bezahlbare Wohnungen bauen, kündigt der Kanzlerkan­didat an.

Um sich nicht dem Vorwurf auszusetze­n, das Ganze werde mit Schulden bezahlt, verspreche­n die Sozialdemo­kraten, die Schuldenbr­emse einzuhalte­n. Sie erlaubt im Vergleich zur Wirtschaft­sleistung eine geringe Verschuldu­ng, die pro Jahr dennoch Milliarden mobilisier­en würde. Mehr zur Finanzieru­ng des Gemeinwese­ns beitragen sollen Wohlhabend­e über eine Vermögenst­euer, entlastet werden nach den Plänen der SPD Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.

Nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts hat die Partei außerdem beim Klimaschut­z rasch nachgearbe­itet. Schon in einem Vierteljah­rhundert soll Deutschlan­d kein CO2 mehr in die Luft blasen.

Die SPD und Scholz müssen gewaltig aufholen, wenn sie das Kanzleramt erobern wollen. Sie stehen in den Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent. Doch sie geben sich geschlosse­n und wollen an ihren Kanzlerkan­didaten glauben. Sie bestätigen ihn mit 96,2 Prozent der Stimmen.

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Foto: dpa Olaf Scholz will sich von den Umfragen nicht nervös machen lassen.

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