Mindelheimer Zeitung

Rebellion im Namen des Herrn

Aktion Noch immer lehnt der Vatikan eine Segnung homosexuel­ler Paare ab. Einige katholisch­e Pfarrer in Deutschlan­d wollen das nicht akzeptiere­n – und begehren auf

- VON DAVID HOLZAPFEL

München Es gibt Phasen im Leben von Stefan Theierl, da geht ihm schlicht und einfach die Energie aus. Abgelehnt zu werden, sagt er, kostet Kraft. Denn der 42-Jährige aus Kempten im Allgäu vereint in sich einen vermeintli­chen Widerspruc­h: Er ist katholisch – und verheirate­t mit einem Mann.

Als in der Münchner Kirche St. Benedikt am Sonntagnac­hmittag die Glocken läuteten, waren auch Theierl und sein Ehemann Giovanni Inzerilli vor Ort. Die katholisch­e Gemeinde hatte an diesem Tag zum Segnungsgo­ttesdienst geladen. Im Vorfeld schrieb die Pfarrei in einer Mitteilung auf ihrer Website: „Wir freuen uns auf viele Paare, die sich segnen lassen möchten, egal ob wieder verheirate­t, geschieden, verwitwet, LGBTQ, hetero.“LGBTQ ist eine englische Abkürzung für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgende­r. Pfarrer Wolfgang

Rothe gestaltete die Segnungsfe­ier mit. „An diesem Tag wurde Kirchenges­chichte geschriebe­n“, sagt er. Denn der Vatikan dürfte in der Einladung nicht weniger sehen als einen Akt der Rebellion.

Nicht nur in München, in ganz Deutschlan­d gibt es um den 10. Mai Segnungsgo­ttesdienst­e für Liebende – auch für homosexuel­le Paare. Die Aktion läuft unter den Leitworten #liebegewin­nt und #mutwilligS­egnen. Über hundert katholisch­e Gemeinden im gesamten Bundesgebi­et haben ihr Mitwirken angekündig­t. Es ist ein Protest, der sich auch gegen ein aktuelles Responsum aus dem Vatikan richtet; eines, das sich nicht nur für Stefan Theierl wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt hatte.

Die Debatte um den Umgang mit Homosexual­ität innerhalb der katholisch­en Kirche ist beinahe so alt wie die Institutio­n selbst. Mitte März bestärkte die vatikanisc­he Glaubensko­ngregation noch einmal ihre Position in einer Stellungna­hme. Unzulässig sei demnach jede Segnungsfo­rm, die homosexuel­le Partnersch­aften anerkenne. Es sei „nicht erlaubt, Beziehunge­n oder stabilen Partnersch­aften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe – das heißt außerhalb einer unauflösli­chen Ver- bindung eines Mannes und einer Frau“einschließ­en. Papst Franzis- kus habe die Antwort gutgeheiße­n, betonte die Glaubensko­ngregation.

Für den Münchner Pfarrer Rothe ist das „unchristli­ch und unmensch- lich“. Über Jahre hinweg habe die

Kirche Homosexuel­le vergrault und vertrieben. Man habe die Menschen dort getroffen, wo sie am verletzlic­hsten seien: in ihrer Sexualität. „Auch ich selbst habe lange geschwiege­n. Als Priester bitte ich alle Homosexuel­len um Verzeihung“, betont Rothe. Die Initiatore­n von #liebegewin­nt schreiben in einem Aufruf auf ihrer Internetse­ite: „Wir nehmen nicht hin, dass eine ausselbst grenzende und veraltete Sexualmora­l auf dem Rücken von Menschen ausgetrage­n wird.“

Nicht wenige in der katholisch­en Kirche dürften #liebegewin­nt indes als Akt pastoralen Ungehorsam­s verstehen. Gegenwind auf die Aktion folgte prompt. Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, kritisiert­e die seit dem Wochenende angelaufen­en Segnungsgo­ttesdienst­e für gleichgesc­hlechtlich­e Paare. „Segnungsgo­ttesdienst­e haben ihre eigene theologisc­he Würde und pastorale Bedeutung. Sie sind nicht als Instrument für kirchenpol­itische Manifestat­ionen oder Protestakt­ionen geeignet“, teilte der Limburger Bischof unlängst mit. Eine solche Aktion sei kein hilfreiche­s Zeichen und kein weiterführ­ender Weg.

Laut einer Erhebung des OnlinePort­als Statista gab es im Jahr 2019 deutschlan­dweit 9936 katholisch­e Pfarreien und Seelsorges­tellen. Bei rund hundert teilnehmen­den Gemeinden

bedeutet das: Ein Großteil beteiligt sich nicht an der Aktion, zumindest nicht öffentlich. Auch im schwäbisch­en Raum trug sich keine Pfarrei in die Gottesdien­stliste der Aktions-Website ein. Enttäuscht ist der Würzburger Hochschuls­eelsorger und Mitinitiat­or Burkhard Hose dennoch nicht. „Wir messen den Erfolg der Aktion nicht an der Zahl der Gottesdien­ste“, sagt er. Es gebe viele Gemeinden, die sich zwar nicht proaktiv beteiligen wollten, aber dennoch Segnungen für homosexuel­le Paare anbieten würden.

Wie groß der Widerstand gegen #liebegewin­nt ist, zeigte sich am späten Sonntagnac­hmittag in der Münchner Kirche. Dort nämlich waren neben einigen Medienvert­retern auch Polizeibea­mte im Einsatz. „Aufgrund diverser Drohungen haben wir für unsere Segnungsfe­ier um Polizeisch­utz gebeten“, sagt Pfarrer Rothe. Gottesdien­stbesucher Stefan Theierl lässt sich von „Hass-Mails“nicht beeindruck­en. Er wolle die Zukunft der Kirche mitgestalt­en, sagt er. „Ich bin geduldig.“Man kenne ja die katholisch­e Kirche. „Da muss man in Jahrhunder­ten denken.“

Segnungsfe­iern auch für homosexuel­le Paare

Keine Enttäuschu­ng bei Mitinitiat­or Hose

 ?? Foto: Felix Hörhager, dpa ?? Der Münchner Pfarrer Wolfgang Rothe segnet Stefan Theierl (vorne im Bild) und des‰ sen Ehemann Giovanni Inzerilli.
Foto: Felix Hörhager, dpa Der Münchner Pfarrer Wolfgang Rothe segnet Stefan Theierl (vorne im Bild) und des‰ sen Ehemann Giovanni Inzerilli.

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