Mindelheimer Zeitung

Korruption­saffäre um Kurz spitzt sich zu

Österreich Finanzmini­ster brüskiert das Verfassung­sgericht in Wien

- VON WERNER REISINGER

Wien Die Korruption­saffäre rund um die Parteispit­ze von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz spitzt sich zu: Finanzmini­ster Gernot Blümel steht unter massiver Kritik, den Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) zu missachten. Die Weigerung von KurzIntimu­s und ÖVP-Finanzmini­ster Gernot Blümel, trotz eines rechtlich bindenden Beschlusse­s des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) fehlende Akten an den Parlamenta­rischen Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss zu liefern, sorgte vergangene Woche in Wien für eine noch nie da gewesene Aktion: Die VfGH-Richter mussten den Bundespräs­identen Alexander van der Bellen schriftlic­h auffordern, die Akten in Blümels Ministeriu­m quasi „einzutreib­en“. Laut österreich­ischer Verfassung darf bzw. muss sich der Präsident dafür aller dafür infrage kommenden Organe des Bundes und der Länder – inklusive des Bundesheer­es – bedienen. Van der Bellen trat sogar zu einem offizielle­n Statement vor die Kameras, um anzukündig­en, dass er seinen verfassung­smäßigen Bestimmung­en nachkommen werde.

Unter diesem Druck lieferte Blümel schließlic­h am Donnerstag­nachmittag die fehlenden Akten – allerdings in Papierform und in 204 Ordnern, verpackt in Kartons, und vor allem klassiert in der Geheimhalt­ungsstufe drei. Für die Opposition­sparteien

SPÖ, FPÖ und Neos stellt das den Versuch dar, den U-Ausschuss an seiner Arbeit zu hindern. Aufgrund der „Geheim“-Klassifizi­erung darf die Opposition aus den Akten nicht öffentlich zitieren, die Medien sind von Befragunge­n, in denen die Akten behandelt werden, ausgeschlo­ssen. Die Opposition­sparteien wollen nun erwirken, dass Blümel die Akten – es handelt sich vor allem um E-Mails aus seinem Ministeriu­m – in digitaler Form liefert und die Geheimhalt­ungsstufe abgeändert wird. Der ÖVP gehe es darum, Zeit zu schinden, so die Opposition.

Alle Opposition­sparteien, nicht aber die Grünen als ÖVP-Regierungs­partner, fordern Blümels Rücktritt. Am Sonntag musste dessen Ministerko­llegin Elisabeth Köstinger, ebenfalls engste Vertraute von Kurz, ausrücken, um Blümel im ORF-TV zu verteidige­n. Weil es sich auch um „private“, ja sogar „gesundheit­liche“Informatio­nen von Gernot Blümel gehandelt habe, sei eine „Debatte“über die Lieferunge­n entstanden, sagte sie.

Blümel wird von der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft in einem Verfahren rund um mögliche Bestechung als Beschuldig­ter geführt: 2017 hatte sich der Ex-Chef des Glücksspie­lkonzerns Novomatic an Blümel gewandt, Hintergrun­d war eine hohe Steuernach­zahlung des Konzerns in Italien.

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