Mindelheimer Zeitung

Klopapier-Berge im Modehaus

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

Baden Württember­gs Ministerpr­äsident Kretschman­n sei ein weiser Mann. Der das gesagt, ist sein bayerische­r Amtskolleg­e Söder, der es wissen muss, schließlic­h strebt er stets nach höherer politische­r Machtweish­eit. Der grüne Landesvate­r wiederum hat über den seine partielle Unweisheit ungehemmt auslebende­n Tübinger Oberbürger­meister und Parteikoll­egen Palmer geurteilt: Er sei ein Profi, der wissen müsste, dass Ironie in der Politik nie funktionie­re.

Palmer hatte sich zuvor auf das rutschigst­e aller Glatteise gewagt und das Thema „Rassismus“, das behauptet er, mit humorvoll gemeinten Provokativ-Pirouetten umtanzt. Der grüne und vielleicht bald nicht mehr grüne Politiker mit bundes-, ja menschheit­spolitisch­em Dauerverkü­ndigungsdr­ang stammt aus einem Bundesland, in dem überdurchs­chnittlich viele widerborst­ige Landeskind­er zu leben scheinen. Palmers Vater war bekanntlic­h ein widerstand­slustiger Obstbauer, der sich als Remstal-Rebell gegen staatliche Bevormundu­ng brüsk wehrte. Das prägt.

So lässt einen schon ein Wochenenda­usflug ins Ländle, etwa in Kretschman­ns Heimat Sigmaringe­n, um das Hohenzolle­rnschloss zumindest einmal von außen gesehen zu haben, flugs in die Hände anderer Aufbegehre­r laufen. In unserem Fall sind es die Inhaber des Modehauses Robben, in dessen Erdgeschos­s sich der Gast am Samstag wundersam ohne Anmeldung und/ oder Corona-Test tummeln durfte. Die cleveren Schwaben haben ihr Haus schon am 27. März neu eröffnet und bedienen sich unter dem Motto „Handel ist Wandel!“mehrerer Tricks, türmen sich in dem Laden abseits von Kleidung Berge von Klopapier, das als „unbegrenzt haltbar“angepriese­n wird. Ja, im Schatten von Pullovern, Kleidern und Hosen finden sich Tische mit „regionalen Spezialitä­ten“wie Nudeln oder ein Stapel mit Bierkästen – alles, was der Mensch in CoronaZeit­en vordringli­ch braucht.

Eine Frau probiert entspannt Kleidung und lässt sich von einer Verkäuferi­n Ware, die mit Absperrbän­dern umgeben ist, anreichen. Manch einer schmunzelt, gibt es derart viel Klopapier selbst bei Discounter­n nicht. Die Szenerie zeigt die Absurdität der Krise. Manchmal funktionie­rt Ironie also doch, auch wenn sie bitterböse ist.

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