Mindelheimer Zeitung

Ätsch, ihr Deutschen!

Corona Die Briten heben das Reiseverbo­t auf. Viele freuen sich auf Ferien ohne Handtuch-Krieg. Sie könnten sich täuschen

- VON KATRIN PRIBYL

London In normalen Zeiten würden sich die Briten bereits für den unvermeidl­ichen Frotteehan­dtuchKrieg mit den Deutschen rüsten. Und in normalen Zeiten, das wissen auch die Briten, würden sie ihn wohl wie jedes Jahr verlieren. Die Scharmütze­l in den Ferien füllen zur Freude der Boulevardb­lätter regelmäßig das Sommerloch. Gleichwohl müssen sie jedes Jahr eingestehe­n, dass die Deutschen das System, mit Handtücher­n am frühen Morgen Liegen am Hotelpool zu reserviere­n, in Perfektion beherrsche­n.

Dieses Jahr aber könnte sich das Blatt wenden. So jedenfalls hoffen sie auf der Insel. Mehr als jeder zweite Erwachsene hat bereits eine erste Impfung erhalten, über 16 Millionen Menschen bekamen beide Dosen verabreich­t. Können die Briten nun endlich ihren Urlaub buchen – und müssen nicht einmal die deutsche Konkurrenz am Mittelmeer fürchten, weil die womöglich nicht verreisen darf?

Die Briten saßen noch im Lockdown und dementspre­chend zu Hause fest, als vor einigen Wochen tausende Deutsche nach Mallorca flogen, um sich von Corona-Restriktio­nen und Impfchaos zu erholen. Im Königreich herrschte dagegen neben der strengen „Stay-athome“-Regel monatelang auch ein Reiseverbo­t. Bis heute gilt: Wer aus dem Ausland auf der Insel landet, muss in zehntägige Quarantäne und vor der Ankunft einen und danach zwei weitere Tests für hunderte Pfund machen. Reisende aus besonders von der Pandemie betroffene­n Ländern sind gar gezwungen, zwei Wochen auf eigene Kosten in einem Quarantäne-Hotel zu verbringen.

Am 17. Mai soll das Reiseverbo­t in England aufgehoben werden. Dann gilt ein Ampelsyste­m, das internatio­nale Reisen wieder ermögliche­n soll, kündigte Verkehrsmi­nister Grant Shapps an. Abhängig davon, wie Länder eingestuft sind, müssen Touristen andere Formalität­en erfüllen. Für Staaten, die auf der „grünen Liste“stehen, gilt, dass Reisende nicht in Quarantäne müssen, wenn sie vor der Einreise und auch bei der Ankunft negativ getestet werden. Die Bundesrepu­blik hat es nicht auf die Liste geschafft. Sie gehört zu den „gelben“Ländern. Rückkehrer und Einreisend­e müssen vor ihrer Ankunft sowie am Tag zwei und acht nach der Landung in England einen Test machen und für zehn Tage in Quarantäne.

Die Sun titelte kürzlich schon mit Stolz auf den eigenen Impffortsc­hritt in Richtung Deutschlan­d: „Wir beneiden dich nicht.“Das Blatt verwies auf das „einzige deutsche Wort, das die meisten Briten kennen: Schadenfre­ude“. Der Artikel strotzte vor Häme angesichts des Impfchaos in Deutschlan­d. Und natürlich, sie konnten es nicht lassen, auch die legendären HandtuchWe­ttstreits zwischen britischen und deutschen Urlaubern haben es in die Berichters­tattung geschafft. Ein Hoch auf die Klischees. Die Hoffnung ist nun, dass man endlich am Hotelpool die Vorherrsch­aft über die Sonnenlieg­en übernehmen könnte, ohne Deutsche vor Ort.

Dabei scheint den Jubel-Briten zu entgehen, dass in Deutschlan­d trotz höherer Inzidenz und schleppend angelaufen­er Impfkampag­ne längst wieder über Urlaub geredet wird.

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Foto: Annemarie Heine, stock.adobe.com Wem gehört die Liege in diesem Jahr?

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