Mindelheimer Zeitung

Allein unter Vögeln

Anne Evers ist Vogelwarti­n auf der Nordsee-Insel Trischen. Eine ihrer Aufgaben ist es, regelmäßig tausende von Vögeln zu zählen. Sie lebt ganz allein mitten im Wattenmeer. Nur ab und zu bekommt sie Besuch

- VON CLAUDIA IRLE‰UTSCH

Anne Evers lebt allein auf einer Insel mit tausenden von Vögeln. Sie ist Vogelwarti­n auf der Insel Trischen in der Nordsee. Das Stück Land im Wattenmeer bietet Vögeln einen Schutzraum zum Brüten und zum Rasten. Von März bis Oktober passt Anne Evers auf die Insel auf. Sie erzählt hier von ihrem Leben dort.

Gleich zu Beginn haben Sie auf der Insel Trischen „Land unter“erlebt, also eine Art Überschwem­mung?

Anne Evers: Das war sehr aufregend. Ich wusste ja nicht, wie hoch das Wasser noch steigen würde. Und dann war ein totaler Sturm dabei. Die Vögel drängten sich auf den höher gelegenen Plätzen der Insel ganz eng aneinander. Manchmal flogen sie in großen Schwärmen auf, um wieder einen anderen sicheren Ort zu suchen. Das extreme Hochwasser dauerte aber nicht lang.

Sie zählen auf Trischen täglich Vögel – wie machen Sie das?

Anne Evers: Es gibt verschiede­ne Zählungen. Jeden Tag zähle ich nach Sonnenaufg­ang alle Vögel, die Trischen überfliege­n. Man nennt das Zugplan-Beobachtun­g.

Ich schreibe alle fünf Minuten auf, welche Vögel in welcher Richtung unterwegs sind. Etwas Besonderes ist die Springtide­n-Zählung. Wenn das Wasser sehr hoch aufläuft, kann ich die Vögel am besten zählen. Sie sind dann wie beim „Land unter“sehr dicht beieinande­r. Dazu steige ich auf den Turm an meiner Hütte und schaue zur Ostseite, zu den Salzwiesen, zum Wasser und zum Strand. Später laufe ich über die Insel. Rund fünf Stunden brauche ich insgesamt für diese Zählung.

Wie können Sie tausende Vögel zählen?

Anne Evers: Es kommt immer auf die Vogelart an. Bei den Möwen gibt es auf Trischen etwa 3000 Brutpaare. Ich zähle sie in Zehnerund Hunderter-Gruppen. Bei Wiesenvöge­ln wie den Austernfis­chern oder Rotschenke­ln sind es nicht so viele. Bis 300 Vögel kann ich gut einzeln zählen. Dabei hilft mir meine Zähluhr. Für jeden Vogel, den ich entdecke, drücke ich ein Knöpfchen. Die Zahlen schreibe ich in ein kleines Notizbuch und später am Computer in eine Tabelle.

Wie überleben Sie allein auf der Insel?

Anne Evers: Normalerwe­ise kommt einmal in der Woche das Schiff „Luise“. Kapitän Axel bringt mir von Friedrichs­koog aus alles, was ich brauche: frisches Wasser, Gemüse, Brot, manchmal auch Briefe. Ich habe aber auch Lebensmitt­el und Wasser auf Reserve da. Kürzlich konnte die „Luise“nicht fahren, weil die Schleuse am Hafen kaputt ist. Da musste ich für eine Zeit zurück aufs Festland. Zum Glück haben wir nun ein Schiff gefunden, das mich von einem anderen Hafen wieder zur Insel gebracht hat und versorgen kann. Schön ist, dass ich manchmal auch Besuch bekommen kann, von meinem Mann, einer Freundin oder Wissenscha­ftlern.

Wie bleiben Sie in Kontakt mit anderen Menschen?

Anne Evers: Das geht über Handy oder Internet. Und ich habe ein Funkgerät. Es gibt auch eine Notfalltas­te. Mein Alarm landet in der Seenotrett­ungszentra­le in Bremen. Schnell wäre ein Hubschraub­er bei mir.

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Fotos: dpa Anne Evers ist Vogelwarti­n auf der Nord‰ see‰Insel Trischen.
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Mit diesem Haus auf Stelzen ist die Vo‰ gelwartin Anne Evers auch bei Hochwas‰ ser gut geschützt.

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