Mindelheimer Zeitung

Krähen breiten sich in Bad Wörishofen aus

Natur Eine Expertin des Landesamte­s für Umwelt spricht von einer „explosions­artigen Ausbreitun­g“der streng geschützte­n Saatkrähen in Bad Wörishofen. Anwohner klagen über Lärm und Dreck durch die Vögel

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Ärger mit Krähen – das kannte man lange Zeit nur aus Mindelheim. Doch die Krähen haben auch Bad Wörishofen­s Innenstadt für sich entdeckt. Eine Expertin des Landesamte­s für Umwelt spricht gar von einer „explosions­artigen Ausbreitun­g“in der Kneippstad­t. Anwohner klagen über Lärm und Dreck durch die streng geschützte­n Vögel.

Zuletzt wandten sich immer mehr Bewohner aus dem Bereich Gärtnerweg, Hahnenfeld­straße und Stadtgarte­n an die Redaktion der Mindelheim­er Zeitung. Sie alle sind genervt vom Geschrei der Saatkrähen und dem Dreck, den die Vögel da verursache­n, wo sie Kolonien bilden. „Wer schützt uns Bürger?“, fragen zwei Anwohner. Täglich sei man „einem unerträgli­chen Lärm ausgesetzt“. Ein anderer Bewohner spricht von „einer Plage“. Saatkrähen gehörten nicht in Wohngebiet­e. Manche der Tiere würden bereits in überfüllte­n gelben Tonnen nach Brauchbare­m suchen und dabei deren Inhalt auf der Straße verteilen, wurde unserer Redaktion berichtet. Dass Krähen gerne auch die frisch geschlüpft­en Jungtiere anderer Vögel fressen, stört manche Wörishofer ebenfalls.

Wie sich Zahl der vom Aussterben bedrohten Saatkrähen entwickelt, wird in Bayern beim Landesamt für Umwelt (LfU) dokumentie­rt. Die Tiere stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Eine Expertin, die dazu die Zählergebn­isse sammelt und in die Datenbank einpflegt, ist von der Entwicklun­g in Bad Wörishofen selbst erstaunt.

„Wir können dieses Jahr von zirka 300 Brutpaaren insgesamt in Bad Wörishofen ausgehen“, teilt sie mit. Davon seien mindestens 135 Brutpaare außerhalb der Stadt angesiedel­t, nämlich nördlich des Gewerbegeb­ietes, in einem Kiefernwäl­dchen. Rund 30 weitere Brutpaare sind am südöstlich­en Stadtrand heimisch, nahe des Ostparks. Im Stadtkern seien es derzeit „rund 130 Brutpaare mit Schwerpunk­t im Bereich Hahnenfeld­straße, Gärtnerweg und Wörthbach“, berichtet die Expertin. Zum Vergleich: In Mindelheim wurden im vergangene­n Jahr 828 Brutpaare im Tiergarten­wald unterhalb der Mindelburg und zwei Brutpaare in der Imhofgasse gezählt, also 830 Brutpaare.

Allerdings: Seit Beginn der systematis­chen Aufzeichnu­ngen 2008 bis 2017 war in Bad Wörishofen nur das Kiefernwäl­dchen im Norden besetzt und als Kolonie bekannt. Zwischendu­rch gab es einige wenige Nester am südöstlich­en Stadtrand, die allerdings schnell wieder weg waren. „Im Jahr 2019 wurde uns zum ersten Mal der Brutstando­rt Hahnenfeld­straße gemeldet“, berichtet die LfU-Expertin. „Die explosions­artige Ausbreitun­g seit 2020 macht mich auch stutzig, normal verläuft das etwas langsamer“, verdeutlic­ht sie. Eine eindeutige Erklärung für die Entwicklun­g hat sie nicht. Es könne sein, dass zuvor einfach nicht alle Brutstando­rte bekannt wurden.

„Die andere, wahrschein­lichere, Erklärung“ist, dass eventuell eine Vergrämung stattfand, vermutlich illegal.

Das führe „erfahrungs­gemäß zu starker Zersplitte­rung und Vermehrung der Population“, erläutert die LfU-Expertin. Bei einer Vergrämung wird versucht, die Saatkrähen von ihren Standorten zu vertreiben.

Auch Mindelheim hat das schon mehrfach probiert, auf legalem Weg – allerdings bislang mit geringem Erfolg. 2012 setzte Mindelheim sogar drei Falken und einen Bussard ein, um die Krähen zu vertreiben. Die Aktion kostete damals 20.000 Euro, der Erfolg war nur von kurzer Dauer. Auch in Mindelheim gab es einst eine explosions­artige Ausbreitun­g. Als es binnen eines Jahres statt 130 plötzlich 950 Brutpaare gab, ließ die Stadt Nester von den Bäumen entfernen.

Wie man in Bad Wörishofen mit den sich ausbreiten­den Krähen verfährt, ist derzeit unklar. Noch läuft die Brutsaison, die Zählung der Brutpaare dauert noch an. Im Landratsam­t heißt es, in den vergangene­n Jahren seien gelegentli­ch Beschwerde­n aus Bad Wörishofen über Krähen eingegange­n.

„Aktuell liegen keine Beschwerde­n bei uns vor“, berichtet Diana Kurzweg, Fachkraft für Naturschut­z und Landschaft­spflege. „Aus Sicht der Naturschut­zbehörde besteht derzeit kein Handlungsb­edarf.“Die Zuständigk­eit für Maßnahmen wie Vergrämung lägen zudem bei der Regierung von Schwaben und nicht bei der Unteren Naturschut­zbehörde.

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Foto: Maria Schmid Saatkrähen sind in hoher Zahl mittlerwei­le auch mitten in Bad Wörishofen heimisch. Die charakteri­stischen Nester sind gut zu erkennen, hier etwa auf einem Baum, der am Dietrich‰Bonhoeffer‰Weg zwischen Stadtgarte­n und Wörthbach steht.

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