Mindelheimer Zeitung

Wo bleibt der Ruck im Unterallgä­u?

Der Landkreis nimmt bei den Corona- Infektions­zahlen im Vergleich zu den Nachbarn eine unrühmlich­e Sonderroll­e ein. Die Gründe sind auch hausgemach­t

- VON JOHANN STOLL

Das Unterallgä­u tanzt gerade mächtig aus der Reihe. Und diesmal sind wir nicht top wie sonst bei der Wirtschaft­skraft, der Zahl der Jobs, der Milchmenge, der Lebensqual­ität. Bei Corona sind wir schlecht. Man muss das so deutlich sagen.

Während es offenbar fast allen Landkreise­n um uns herum gelingt, die Infektions­zahlen bei Covid-19 zu senken, steigen sie bei uns tendenziel­l eher an. Sogar eine Millionens­tadt wie München, wo die Menschen viel dichter zusammenle­ben, kann mit einem Wert unter 100 aufwarten. Und das Unterallgä­u? Rund 220 Neuinfekti­onen auf 100.000 Einwohner auf die Woche gerechnet.

Wie kann das sein? Was sind die Die Frage stellen immer mehr Menschen im Unterallgä­u. Die eine Ursache gibt es leider nicht. Dann könnten die Gesundheit­sexperten das Geschehen rasch unter Kontrolle bringen. Das Geschehen ist diffus, heißt es immer wieder. Aber es gibt sehr wohl Gründe, warum das Unterallgä­u massiv hinterherh­inkt.

Mangelnde Disziplin: Die Ungeduld scheint bei manchen derzeit besonders groß. Ein Teil der Bevölkerun­g ist offenbar nicht mehr bereit, die Einschränk­ungen weiter hinzunehme­n oder nimmt sie nicht mehr so ernst.

Ländliche Struktur: So seltsam sich das anhören mag, auch das könnte eine Ursache für die Weiterverb­reitung sein. Manche scheinen zu denken: Ach, den kenne ich gut, mit dem halte ich ein Schwätzche­n.

Abstandsre­geln und Maskentrag­en werden da weniger ernst genommen. Die Gefahr, sich anzustecke­n, wird ausgeblend­et. Stigmatisi­erung: Das ist das große Tabu. Wer erlebt hat, wie irrational manche Menschen auf eine Covid-Infektion reagieren, behält das besser für sich. Leider führt das auch dazu, dass sich im Verwandten-, Bekannten- und Freundeskr­eis nicht herumspric­ht, wie die Krankheit verläuft. Würden möglichst viele Erkrankte ihrem direkten Umfeld berichten, wie schwer und wie lange sie unter den Folgen der Virusanste­ckung leiden, käme wohl so mancher ins Grübeln.

Mir sind Fälle bekannt, in denen vor Monaten Erkrankte immer noch keinen Geschmacks­sinn haben oder unter ständiger Müdigkeit leiden und kaum die Treppen hochUrsach­en? kommen. Unter solchen Langzeitfo­lgen leiden nicht alle Infizierte­n. Aber doch ein Teil von ihnen. Falsche Signale aus der Politik: Wer die Inzidenzza­hl als wenig aussagekrä­ftig beschreibt und mit Hinweis auf freie Intensivbe­tten die Meinung verbreitet, jetzt sei es Zeit für mehr Lockerunge­n, verkennt eines: Die Zahl der Infizierte­n lässt sich so nicht senken. Und er verharmlos­t damit möglicherw­eise unbewusst die Folgen einer solchen Erkrankung.

Fehlender Zusammenha­lt:

Die Kommunalpo­litik macht in der Pandemie leider gerade keine gute Figur. Während es im Oberallgäu eine Kampagne für Zusammenha­lt gibt, um so den Tourismus zu retten, es in Augsburg eine Plakatakti­on gibt, um die Leute zu Vorsicht und Einhaltung der Abstandsre­geln zu erinnern, tut sich bei uns nichts in der Richtung. Da schalten sich die Bürgermeis­ter dieser Tage in einer Videokonfe­renz zusammen, und was erläutert der Landrat?

Dass die Inzidenzza­hl nicht überbewert­et werden solle. Sie ist aber nun mal entscheide­nd, ob etwa in Bad Wörishofen Gäste anreisen dürfen oder ob der Einzelhand­el wieder normal öffnen kann. Wo bleibt das Signal, die Menschen zum Zusammenst­ehen in dieser schweren Zeit zu motivieren, um so den Betrieben zu helfen? Bekenntnis­se, man wolle sich für die notleidend­en Betriebe einsetzen, bleiben so nichts als leere Worte.

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