Warum Elstern gerne in Siedlungsgebieten leben
Natur Immer öfter sind die cleveren Rabenvögel dort zu beobachten. Gerne bauen sie auch mal mehrere Nester in Reserve
Unterallgäu Der Trend geht in Unterallgäuer Orten zu Schwarz-Weiß – und damit ist nicht eine eintönige Modevorliebe gemeint, sondern die Vogelwelt: Die Elster quartiert sich vermehrt in Siedlungsgebieten ein. Laut Brigitte Kraft von der Memminger Bezirksgeschäftsstelle des Landesbunds für Vogelschutz Schwaben hat das aber nichts damit zu tun, dass der Bestand der Tiere zunimmt – sondern damit, dass der clevere Rabenvogel hier so manchen Vorteil für sich entdeckt hat.
Ursprünglich waren Elstern nach den Worten von Brigitte Kraft vor allem in der offenen Agrarlandschaft heimisch. Doch als Lebensraum hat diese für das Tier an Attraktivität verloren: Es mangelt nicht nur an Bäumen, die sich für den Nestbau eignen – durch den Ackerbau sind auch Grünland-Flächen verloren gegangen, die Elstern für die Nahrungssuche nutzen. Also ziehen sie um – in Siedlungsbereiche, wo sie nun öfter zu beobachten sind. Die Entwicklung war zwar bereits bei der Erstellung des Brutvogelatlasses in den 2000er Jahren registriert worden, doch seither hat sie sich verstärkt.
Immerhin bietet dieses Zuhause den Vögeln einige Annehmlichkeiten. Dazu zählt ein breites Nahrungsangebot für den Allesfresser, etwa durch herumliegenden Abfall. Außerdem haben die Tiere laut Kraft einen für sie existenziellen Vorteil bemerkt. Was es im Siedlungsraum nämlich nicht gibt, sind natürliche Feinde der Elster: Sperber, Habicht, Uhu und Co. Auch von menschlichen Jägern geht hier keine Gefahr aus. „Die Elster fällt unter das Jagdrecht und kann vom 16. Juli bis 14. März bejagt werden“, sagt Kraft: „Aber das kann im Siedlungsraum nicht umgesetzt werden.“Eher ein Problem sind für die Elster andere Rabenvögel und Marder, die Eier und Küken fressen. Elstern selbst jagen laut Brigitte Kraft keine anderen Vögel. Allerdings stehen auf ihrem Speiseplan auch mal Eier von Singvögeln oder deren Jungvögel.
Wer Höhlenbrütern helfen möchte, kann laut Kraft zum Beispiel am Starenkasten die Stange entfernen: Der Star selbst benötigt sie nicht, die Elster hingegen kann so nicht landen und von dort aus zugreifen. Ein verlängertes Dach erfüllt einen ähnlichen Zweck: „Die Elstern können sich dann nicht mehr von dort aus vornüber und ins Einflugloch hineinbeugen.“Für Vögel, die in Bäumen oder Sträuchern brüten, bleibt nur der Lerneffekt: „Sie brüten mehrmals und bauen beim nächsten Mal ihr Nest da, wo die Elster nicht so leicht hingelangt.“Die Natur habe vorgesorgt, macht Kraft deutlich: Demnach ziehen Vögel, deren Nachwuchs beliebte Beute für andere ist, viele Jungtiere auf. Die Elster sei nicht dafür verantwortlich, dass es weniger Singvögel im Siedlungsraum gebe: „Hauptursache für den Rückgang ist der Verlust an geeigneten Lebensräumen und Nahrung, sprich Insekten.“
Und was ist mit der Redewendung von der „diebischen Elster“? „Das kommt wohl daher, dass Elstern andere Vögel beobachten, wenn sie ihre Nahrung verstecken. Später fliegen sie hin und schnappen sich das.“Das Nest einer Elster ist Kraft zufolge daran zu erkennen, dass es im Unterschied zu dem einer Rabenkrähe nicht napfförmig ist, sondern eine Art Deckel hat. Die Zahl der Nester verrät aber nur bedingt etwas über die der Brutpaare: „Einige sind nur sogenannte Spielnester: Das Männchen bietet dem Weibchen als Imponiergehabe viele Eigenheime an, aus denen sie dann eins auswählt“, erklärt Kraft. Zum Vorkommen der Tiere in der Region gibt es nach ihren Worten bislang keine Zählungen.