Ein Sieg inmitten lauter Niederlagen
Turnvater Jahn immerhin muss sich mit diesen unerquicklichen Zeiten nicht mehr auseinandersetzen. Der Vorturner der Nation hatte seinen Landsleuten noch auf den Weg gegeben, der sportlichen Betätigung frisch, fromm, fröhlich und frei nachzugehen. Viel übriggeblieben ist davon nicht. Eine Teilschuld daran trägt der gute Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn natürlich selbst. Wer alberne Geräte wie Barren oder Reck in den Sportunterricht einführt, braucht sich nicht zu wundern, wenn Schüler und Schülerinnen mit kreativen Entschuldigungen auf der Bank Platz nehmen.
Doch selbst wer Felgaufschwung und Grätschsitz ohne psychische und physische Verletzungen überstanden hat, verfolgt den Sport heute selten im Sinne des Turnvaters. Die deutschen Radfahrer wirken nach drei Wochen Tortur in Frankreich wenig frisch, und dass es Sieger Tadej Pogacar eben doch tut, wirft derart viele Zweifel auf, dass ein fröhliches Feiern seiner Leistung unangemessen wirkt.
Auf der anderen Seite der Erdkugel kommt die Jugend der Welt zusammen – und eben doch nicht. Die ersten Athleten befinden sich in Quarantäne, noch bevor die Sommerspiele überhaupt begonnen haben. Das sonst so fröhliche olympische Dorf droht zu einer Geisterstadt zu verkommen. Das einzig Freie dürften die Gedanken sein. Immerhin.
Die deutschen Fußballer zeigten sich während eines Vorbereitungsspiels auf das olympische Turnier angetan von dem von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben niedergeschriebenen Lied, das ja nichts anderes ist als die Aufforderung, selbstbestimmt zu handeln. Das tat das Team, nachdem Jordan Torunarigha rassistisch beleidigt worden sein soll. Die Mannschaft verließ fünf Minuten vor Schluss geschlossen das Feld.
Eine im Achtelfinale ausgeschiedene Fußball-Nationalmannschaft, Sebastian Vettel fährt in einem englischen Auto deutschen Autos und österreichischen Brauseherstellern hinterher. Ohne Telekom und pharmazeutische Hilfe gehen deutsche Radler in den französischen Gipfeln beinahe verloren. Erschöpft, gedemütigt, traurig, einkaserniert – gut, dass Turnvater Jahn das nicht mehr miterleben muss. Der einzige Sieg ist ein moralischer. Der freilich ist mit Gold, Silber und Bronze nicht aufzuwiegen.