Die Innovativen sind ein wenig traurig
Umweltschutz Karl Geller und seine Schülerinnen und Schüler der Berufsschule Mindelheim haben EU-weite Anerkennung für ihr Energieprojekt mit England bekommen. Dann kam der Brexit
Mindelheim Was für eine Idee! Schülerinnen und Schüler knüpfen international Kontakte, schließen Freundschaften über Landes- und Sprachgrenzen hinweg und fördern ganz konkret das Bewusstsein für den Klimaschutz. Dieses Kunststück haben junge Leute der Mindelheimer Techniker- und Berufsschule fertiggebracht. Dafür hat sie die EU-Kommission im Spätherbst 2020 mit dem ersten Preis in Nachhaltigkeit in der Kategorie Wissensvermittlung auf europäischer Ebene ausgezeichnet. Wegen Corona konnte jetzt erst im kleinen Kreis der Riesenerfolg gefeiert werden.
Im November gab es eine virtuelle Feier am Computer. Persönliche Begegnungen waren nicht möglich. Immerhin waren bei der virtuellen Preisverleihung damals Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zugeschaltet, die damit die Bedeutung der Auszeichnung unterstrichen. Später hatten Europaminister Florian Herrmann und Kultusminister Michael Piazolo in einer Videobotschaft gratuliert.
Jetzt also im kleinen Kreis in der Kulturfabrik in Mindelheim so etwas wie eine nachgeholte Feier. Für die Schülerinnen und Schüler war allerdings auch jetzt kein Platz. Dafür durfte der Mentor und Ideengeber des Projekts, Lehrer Karl Geller, die Erfolgsgeschichte erzählen. Er hatte allerdings auch kritische Töne im Gepäck. Dazu aber später.
Gekommen waren Kreisrats-Angehörige, Landrat Alex Eder, eine Vertreterin der Regierung von Schwaben, Schulleiter Gottfried Göppel und zwei Abgeordnete der Grünen. Max Deisenhofer aus dem Bayerischen Landtag war dabei und der Aachener Europaabgeordnete Niklas Nienaß. Letztere hatten die Feier angestoßen, weil ihnen das Thema wichtig ist. Einzelne Teilnehmer hatten aber auch den Eindruck, der beginnende Wahlkampf habe Regie geführt.
Der Landrat sagte, es sei nicht selbstverständlich für Schulen, Umweltund Klimaschutz weit über den reinen Lehrauftrag hinaus ins Bewusstsein zu rücken. „Die Mindelheimer Berufsschule ist hier absoluter Vorreiter.“Eder zitierte aus einem Bericht der Mindelheimer Zeitung, in der es im November geheißen hatte, die Berufsschule habe eigentlich viel mehr als einen virtuellen Tusch verdient. „Überall, wo wir Grund zum Feiern haben, sollten wir das auch tun“, sagte Eder.
Eder erinnerte daran, dass die Schule wiederholt für ihr Engagement im Umweltschutz ausgezeichnet worden war. Der deutsche Klimapreis war bereits an die Berufsschule gegangen, und auch bayerischer Energiesparmeister war sie bereits.
Karl Geller erinnerte an ein Wort von Nelson Mandela. Bildung sei die wichtigste Stellschraube, um die Welt zu verändern. Bei einem Schülerbesuch in England stellte Geller fest, „dass englische Schüler 0,0 über Energie lernen“. Die Partnerschule in Crewe gab Monat für Monat 30.000 Pfund für Strom aus. Das war der Moment, als in ihm die Idee reifte, seine Schüler in die Rolle von Ausbildenden schlüpfen zu lassen. Nebenbei lernten sie Englisch.
Die Delegation aus Mindelheim baute in den zwei Wochen Stationen auf, in denen sie zeigten, wo Energie verloren geht. Sie waren Expertinnen und Experten in regenerativer Energie und haben sich beruflich weiterentwickelt, sagte Geller. Die jungen Leute aus Bayern erwarben sich damals so viele Sympathien, dass sie später Post bekamen mit der Botschaft: Bringt uns diese Bayern zurück! Es hätte der Beginn einer langen Partnerschaft werden können. Dann kam der Brexit. England kappt diese Verbindungen, sagte der EU-Abgeordnete Nienaß. Boris Johnson wolle keinen Kulturaustausch mehr. Das ist auch das, was Karl Geller tief getroffen hat, der sehr viel Herzblut investiert hat. Mit England wird es also wohl nicht weiter gehen. Aber es gibt auch Kontakte nach Frankreich, Russland und Uganda. In Afrika sind sie dabei, ein Berufsbildungszentrum aufzubauen.
Geller appellierte aber auch an die anwesenden Politiker. Pilotprojekte bringen nur etwas, wenn sie auch in der Breite wirken. Da sei die Politik gefordert. „Sonst waren wir nicht so gut, wie wir gemeint haben.“
Niklas Nienaß sagte, die Auszeichnung sollte Ansporn zum Weitermachen sein.
Die Idee, diese Weiterbildung im Energiebereich für junge Leute in Mindelheim fortzuführen, begrüßte der Grüne EU-Abgeordnete. Er würde sich freuen, wenn das gelingen könnte, dass Schülerinnen und Schüler dazu in die Stadt kommen.