Große Zweifel an Autobahnreform
Exklusiv Der juristische Dienst des Bundestages ist skeptisch, ob Andreas Scheuers Großprojekt mit dem Grundgesetz im Einklang steht
Berlin Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat sich keine Kleinigkeit vorgenommen. Er selbst spricht von der größten Verwaltungsreform der Republik. Es geht um Planung, Bau und Wartung der Autobahnen, den beinahe mystisch aufgeladenen Verkehrsadern Deutschlands.
Scheuer hat die Zuständigkeit von den Ländern auf den Bund übertragen und dafür die Autobahn GmbH gegründet. Alles sauber aus einer Hand und damit auch günstiger – das ist das Credo des Großprojekts. Über 10000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Ländern sind zu der Firma gewechselt, die zum Jahreswechsel ihren Betrieb aufgenommen hat. Vorher hatten sich die Länder im Auftrag des Bundes um die Schnellstraßen gekümmert – mit dem üblichen Abrieb, der bei ihrer Zusammenarbeit entsteht.
Doch aus Sicht der Juristinnen und Juristen des Bundestages hat sich Scheuer in seiner Großreform verheddert: Und zwar so stark, dass viel dafür spricht, dass sie gegen das Grundgesetz verstößt. Grund: So chirurgisch präzise ist der Schnitt zwischen Bund und Ländern nicht gesetzt. Die Länder müssen weiter Leistungen für die Autobahn GmbH erbringen. Dafür hat die GmbH in Staatshand Kooperationsvereinbarungen mit den Ländern geschlossen, etwa für die Nutzung von Computer-Systemen oder bei der Unterstützung bei Planung und Betrieb. Die Verträge laufen bis 2023.
Die Experten des Wissenschaftlichen Dienstes sehen darin eine Mischverwaltung, die es eigentlich nicht geben sollte. Das Grundgesetz verteilt Zuständigkeiten an Bund und Länder, die sie dann mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigenem Geld bestreiten müssen. Das legen die Artikel 30 und 83 fest. „Eine Mischverwaltung ist für die Bundesautobahnen also gerade nicht vorgesehen, findet aufgrund der Kooperationsvereinbarungen aber faktisch statt“, heißt es in dem Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt. Zuvor war bereits der Bundesrechnungshof zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen.
Wie bei vielen Satzungen gibt es zur Regel die ein oder andere Ausnahme. Das könnte auch für die Zusammenarbeit der Bundes-GmbH mit den Ländern gelten. Die Fachleute haben sich mögliche Ausnahmetatbestände
angeschaut, kommen aber zu dem Schluss, dass erhebliche Zweifel angezeigt sind und Ausnahmen nicht greifen.
Scheuers Haus weist die Bewertung von Wissenschaftlichem Dienst und Bundesrechnungshof als praxisfremd zurück. Gemessen am Umfang des Reformvorhabens machten die zeitlich und inhaltlich eng begrenzten Kooperationsvereinbarungen nur einen sehr geringen Anteil aus.
Für die Grünen, die das Gutachten in Auftrag gegeben haben, bestätigt es die lange Fehlerkette, die sie bei der Autobahnreform sehen. „Andreas Scheuer hat die Reform der Autobahnverwaltung gegen die Wand gefahren. Im Kern ist die Reform trotz des gesetzlichen Auftrags nicht abgeschlossen“, sagte der Grünen-Chefhaushälter im Bundestag, Sven-Christian Kindler, unserer Redaktion. Ihn ärgert besonders, dass der Bund für die Leistungen noch mehr Geld an die Länder zahlen muss, als bislang bekannt. Zu den veranschlagten 100 Millionen kommen nun noch einmal 30 Millionen hinzu, wie aus einer Antwort des Hauses auf eine Anfrage des Abgeordneten hervorgeht. Bislang hat die Reform laut Kindler insgesamt 325 Millionen Euro gekostet und damit acht Mal mehr als kalkuliert.
Grüne: Scheuer hat Reform gegen die Wand gefahren