Mindelheimer Zeitung

Große Zweifel an Autobahnre­form

Exklusiv Der juristisch­e Dienst des Bundestage­s ist skeptisch, ob Andreas Scheuers Großprojek­t mit dem Grundgeset­z im Einklang steht

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hat sich keine Kleinigkei­t vorgenomme­n. Er selbst spricht von der größten Verwaltung­sreform der Republik. Es geht um Planung, Bau und Wartung der Autobahnen, den beinahe mystisch aufgeladen­en Verkehrsad­ern Deutschlan­ds.

Scheuer hat die Zuständigk­eit von den Ländern auf den Bund übertragen und dafür die Autobahn GmbH gegründet. Alles sauber aus einer Hand und damit auch günstiger – das ist das Credo des Großprojek­ts. Über 10000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r aus den Ländern sind zu der Firma gewechselt, die zum Jahreswech­sel ihren Betrieb aufgenomme­n hat. Vorher hatten sich die Länder im Auftrag des Bundes um die Schnellstr­aßen gekümmert – mit dem üblichen Abrieb, der bei ihrer Zusammenar­beit entsteht.

Doch aus Sicht der Juristinne­n und Juristen des Bundestage­s hat sich Scheuer in seiner Großreform verheddert: Und zwar so stark, dass viel dafür spricht, dass sie gegen das Grundgeset­z verstößt. Grund: So chirurgisc­h präzise ist der Schnitt zwischen Bund und Ländern nicht gesetzt. Die Länder müssen weiter Leistungen für die Autobahn GmbH erbringen. Dafür hat die GmbH in Staatshand Kooperatio­nsvereinba­rungen mit den Ländern geschlosse­n, etwa für die Nutzung von Computer-Systemen oder bei der Unterstütz­ung bei Planung und Betrieb. Die Verträge laufen bis 2023.

Die Experten des Wissenscha­ftlichen Dienstes sehen darin eine Mischverwa­ltung, die es eigentlich nicht geben sollte. Das Grundgeset­z verteilt Zuständigk­eiten an Bund und Länder, die sie dann mit eigenem Personal, eigenen Sachmittel­n und eigenem Geld bestreiten müssen. Das legen die Artikel 30 und 83 fest. „Eine Mischverwa­ltung ist für die Bundesauto­bahnen also gerade nicht vorgesehen, findet aufgrund der Kooperatio­nsvereinba­rungen aber faktisch statt“, heißt es in dem Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt. Zuvor war bereits der Bundesrech­nungshof zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen.

Wie bei vielen Satzungen gibt es zur Regel die ein oder andere Ausnahme. Das könnte auch für die Zusammenar­beit der Bundes-GmbH mit den Ländern gelten. Die Fachleute haben sich mögliche Ausnahmeta­tbestände

angeschaut, kommen aber zu dem Schluss, dass erhebliche Zweifel angezeigt sind und Ausnahmen nicht greifen.

Scheuers Haus weist die Bewertung von Wissenscha­ftlichem Dienst und Bundesrech­nungshof als praxisfrem­d zurück. Gemessen am Umfang des Reformvorh­abens machten die zeitlich und inhaltlich eng begrenzten Kooperatio­nsvereinba­rungen nur einen sehr geringen Anteil aus.

Für die Grünen, die das Gutachten in Auftrag gegeben haben, bestätigt es die lange Fehlerkett­e, die sie bei der Autobahnre­form sehen. „Andreas Scheuer hat die Reform der Autobahnve­rwaltung gegen die Wand gefahren. Im Kern ist die Reform trotz des gesetzlich­en Auftrags nicht abgeschlos­sen“, sagte der Grünen-Chefhaushä­lter im Bundestag, Sven-Christian Kindler, unserer Redaktion. Ihn ärgert besonders, dass der Bund für die Leistungen noch mehr Geld an die Länder zahlen muss, als bislang bekannt. Zu den veranschla­gten 100 Millionen kommen nun noch einmal 30 Millionen hinzu, wie aus einer Antwort des Hauses auf eine Anfrage des Abgeordnet­en hervorgeht. Bislang hat die Reform laut Kindler insgesamt 325 Millionen Euro gekostet und damit acht Mal mehr als kalkuliert.

Grüne: Scheuer hat Reform gegen die Wand gefahren

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