Mindelheimer Zeitung

Schwer zu schnappen

Kriminalit­ät Der Fall eines scheinbar besonders fleißigen Einbrecher­s in München zeigt, warum viele Straftaten unentdeckt und am Ende auch unbestraft bleiben

- VON MARLENE WEYERER

München „Münchens fleißigste­r Einbrecher“, titelten Boulevardz­eitungen. „Ein Fall wie jeder andere“, sagt seine Verteidige­rin. 106 Einbrüche innerhalb von fünf Monaten will die Polizei eigenen Angaben zufolge einem 34-Jährigen nachgewies­en haben. Vor Gericht landete er schließlic­h wegen weniger als 50 Einbrüchen. Verurteilt wurde er am Ende wegen acht davon. Der Fall mag extrem klingen, zeigt aber exemplaris­ch die Probleme im Bereich der Einbruchsk­riminalitä­t.

So lag die Aufklärung­squote der Polizei im vergangene­n Jahr laut Kriminalst­atistik bayernweit bei 24,5 Prozent – sprich: für rund jeden vierten Einbruch fand die Polizei einen Verdächtig­en (in den meisten Fällen Männer). Wie viele davon rechtskräf­tig verurteilt wurden, wird in der Statistik nicht erfasst.

Dabei sind die meisten Einbrecher­innen und Einbrecher alles andere als Meisterdie­be wie aus Film und Fernsehen, die besonders geschickt oder trickreich vorgehen. Der „fleißige“Münchner Einbrecher zum Beispiel trat der Polizei zufolge besonders oft Türen von sozialen Einrichtun­gen wie Altenheime­n auf und suchte nach Geld, mit dem er seine Drogensuch­t finanziert­e. Insgesamt stahl er laut Polizei Gegenständ­e im Wert von über 200 000 Euro und verursacht­e einen Sachschade­n von 150000 Euro. Wie der Münchner schreiten Einbrecher im Allgemeine­n nicht nur einmal zur Tat, sondern begehen gleich reihenweis­e derartige Straftaten. Aktuell ermittelt die Kripo Augsburg gegen zwei Männer, die im Verdacht stehen, mindestens 33 Wohnungsei­nbrüche begangen zu haben. Die Polizei Schwaben Nord erzählt von einem Täter, der im Jahr 2016 zugab, über 400 Einbrüche begangen zu haben.

Aber wie bleiben Täterinnen und Täter, die zum Teil auch stümperhaf­t vorgehen, so lange unentdeckt – und vor allem unbestraft? Das hat mehrere Gründe. Einer der offensicht­lichsten: Auch ungeschick­te Einbrecher setzen alles daran, nicht gesehen zu werden. „Und das klappt oft auch“, sagt Kriminalob­erkommissa­r Benedikt Mühlrath von der Kriminalpo­lizei München, die im Fall des „fleißigen Einbrecher­s“ermittelte. Gerade in Gewerbegeb­ieten blieben Einbrüche lange unentdeckt, oft ein ganzes Wochenende.

In dem Fall mit den mutmaßlich

Einbrüchen war Mühlrath und seinen Kollegen die Serie bereits lange vor der Verhaftung aufgefalle­n. „Wir wussten, da ist jemand, es hat aber eine Weile gebraucht, bis wir ihn durch Glück auf einer Videoaufna­hme hatten“, sagt Mühlrath. Eine solche Aufnahme hilft den Ermittlern sehr. Oft finden sie den Täter dann mittels einer Software, die das Video mit Bildern aus der Datenbank vergleicht. In dem Fall des fleißigen Einbrecher­s war es noch simpler: Mühlrath zeigte ein Bild aus dem Video Kollegen, gleich mehrere erkannten den Mann. Aber bei einem Einbrecher, der keinen Wohnsitz hat oder sich versteckt, hilft auch der Name nicht weiter. Somit brauchte die Polizei ein zweites Mal Glück, um den 34-Jährigen festzunehm­en. Ein Anwohner bemerkte ihn bei einem Einbruch und

rief die Einsatzkrä­fte. Sie erwischten ihn auf frischer Tat.

Schwierige­r als bei stümperhaf­t agierenden Drogenabhä­ngigen sind Ermittlung­en bei Einbrüchen, die von Profis geplant und durchgefüh­rt werden. Bandenkrim­inelle wechseln regelmäßig die Stadt, weiß Mühlrath: „Es ist schwierig, einen Tatzusamme­nhang über Bundesgren­zen hinweg zu führen.“Bis eine Serie bemerkt wird, sind die Täterinnen und Täter meist schon lange verschwund­en.

Ist ein Einbrecher gefasst, heißt es noch lange nicht, dass er für alle Fälle, die er mutmaßlich begangen hat, auch verurteilt wird – der Münchner Fall macht das exemplaris­ch deutlich. Schon die Staatsanwa­ltschaft klagte nur die Fälle an, von denen sie sich Erfolg versprach. So blieben von 106 Einbrüchen weni106

ger als 50. Das Gericht siebte weiter aus. Unter anderem auch, weil für die Höhe der Strafe die tatsächlic­he Zahl der Straftaten mitunter nur eine untergeord­nete Rolle spielt. Der Münchner wurde schließlic­h wegen nur acht bewiesenen Einbrüchen zu einer Freiheitss­trafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt.

Seine Verteidige­rin erklärt auf Nachfrage, dass die Meldungen vom besonders fleißigen Einbrecher auf die Polizei zurückzufü­hren seien, die möglichst viele Fälle aus einem Zeitraum ihrem Mandanten zugeschobe­n habe, um damit einen „Wahnsinns-Ermittlung­serfolg“zu verkaufen. Polizist Mühlrath widerspric­ht: „Das passiert keineswegs aus einer Laune heraus, sondern es sind eindeutige Indizien und ein Tatverdach­t erforderli­ch.“

 ?? Symbolfoto: Bodo Marks, dpa ?? Die Opfer machen es Einbrecher­n mit unvorsicht­igem Verhalten oftmals leicht – die Täter machen es der Polizei dagegen meistens sehr schwer, sie zu schnappen.
Symbolfoto: Bodo Marks, dpa Die Opfer machen es Einbrecher­n mit unvorsicht­igem Verhalten oftmals leicht – die Täter machen es der Polizei dagegen meistens sehr schwer, sie zu schnappen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany