Mindelheimer Zeitung

Wenn Chefs in Teilzeit arbeiten

Job‰Modelle Die meisten Allgäuer Unternehme­n setzen auf Führungskr­äfte in Vollzeit. Doch es geht auch anders, wie diese Beispiele aus Wirtschaft und Verwaltung zeigen

- (ts)

Allgäu Eine Führungskr­aft muss Vollzeit arbeiten: Bei vielen Arbeitgebe­rn gilt diese Vorstellun­g noch immer. Doch das ungeschrie­bene Gesetz gerät mancherort­s ins Wanken. „In Zukunft wird es flexible, neue Arbeitszei­tformen wohl auch in unserer Region häufiger geben“, glaubt Björn Athmer, Regionalge­schäftsfüh­rer der IHK-Regionalve­rsammlunge­n Kempten und Oberallgäu sowie Kaufbeuren und Ostallgäu. Bei der Firma Dachser ist dies bereits der Fall. „Selbstvers­tändlich ist das Wahrnehmen einer Führungsau­fgabe unter bestimmten Voraussetz­ungen ebenso im Teilzeitmo­dell möglich und bei Dachser gelebte Praxis“, sagt Personalle­iterin Vera Weidemann.

Zwar gibt es für unsere Region keine Statistik zu diesem Thema.

Bundesweit­e Daten des „Wissenscha­ftszentrum­s Berlin für Sozialfors­chung“zeigen jedoch, dass das Modell noch wenig verbreitet ist. Trotz des Rechtsansp­ruchs auf Teilzeit, den es seit mehr als zehn Jahren gibt. Während fast 40 Prozent der Erwerbstät­igen in Teilzeit beschäftig­t sind, haben weniger als fünf Prozent der Chefs einen Vertrag mit einer Arbeitszei­t unter 30 Stunden pro Woche. Zu den Führungskr­äften in Teilzeit gehört Klaus Fischer (55), Geschäftsf­ührer der Allgäu GmbH.

Seit zehn Jahren arbeitet er dort 80 Prozent, was in der Praxis bedeutet, dass er einen Werktag pro Woche frei hat. An den vier Arbeitstag­en, erzählt er, schaue er nicht auf die Stundenzah­l. „Anfangs konnten sich gerade ältere Führungskr­äfte so ein Modell nicht vorstellen. Aber in der Praxis funktionie­rt es sehr gut“, sagt Fischer, der nach der Geburt seiner Tochter die Stundenzah­l reduzierte.

Sein Geschäftsf­ührer-Kollege Bernhard Joachim arbeitet bei der Allgäu GmbH dagegen in Vollzeit. „Wir haben uns die Schwerpunk­te klar aufgeteilt“, schildert Fischer, der für Themen wie Standort, Marke, Finanzen und Internes zuständig ist. Bernhard Joachim indes obliegt der Tourismusb­ereich. Bei wichtigen Entscheidu­ngen hätten sie einen kurzen Draht zueinander.

Gegenseiti­ger Respekt und Vertrauen: Davon sprechen auch Monika Albrecht (42) und Mara Leising (44). Die beiden teilen sich seit Anfang 2019 die Leitung des Sozialamte­s der Stadt Memmingen. Nach dem Ausscheide­n ihres Vorgängers brachten sowohl Albrecht als auch Leising die fachliche Qualifikat­ion mit, um aufzurücke­n. Doch keine der beiden wollte dies in Vollzeit tun. Beide haben jeweils zwei schulpflic­htige Kinder.

„Wir haben dann ein Konzept für ein Jobsharing-Modell entworfen, bei dem jede von uns 20 Stunden die Woche arbeitet“, erzählen die Amtsleiter­innen, die mit ihrer Idee Oberbürger­meister Manfred Schilder überzeugte­n. Das Wichtigste bei der Job-Teilung sei, dass die Chemie untereinan­der stimme und sich keine hervortun wolle.

„Wir arbeiten fast 20 Jahre zusammen, kennen uns sehr gut – das passt einfach“, sagt Leising. Zur

Vorbereitu­ng auf das Jobsharing zählte dennoch ein profession­elles Coaching. Klare Kommunikat­ion und Disziplin seien im Alltag gefordert.

Jede der beiden Frauen hat Aufgabenge­biete, die sie in erster Linie selbst verantwort­et. Bei wichtigen Entscheidu­ngen tauschen sich die beiden per Mail aus oder während festgelegt­er „Überlappun­gsstunden“, an denen beide im Amt sind. Somit soll vermieden werden, was Kritiker von Führungskr­äften in Teilzeit generell befürchten: Dass wichtige Informatio­nen auf der Strecke bleiben, da die Führungskr­aft bei reduzierte­r Arbeitszei­t weniger mitbekommt.

Stets auf demselben Kenntnisst­and zu sein, ist Albrecht und Leising auch in Bezug auf die Führung der insgesamt 13 Mitarbeite­r wichtig. „Jeder kann zu jeder von uns beiden kommen“, lautet die gemeinsam erstellte Devise.

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Fotos: Stadt Memmingen, Diemand Mara Leising (links) und Monika Albrecht sind Führungskr­äfte in Teilzeit. Sie teilen sich die Leitung des Sozialamte­s in Memmingen.

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