Mindelheimer Zeitung

USA ziehen die Corona‰Notbremse

Pandemie Angesichts steigender Infektions­zahlen fordert die Regierung nun auch Geimpfte zum Maskentrag­en auf. Zudem müssen sich 200000 Bundesbedi­enstete wohl impfen lassen

- VON KARL DOEMENS

Washington Als Angela Merkel Mitte des Monats Washington besuchte, wurde schon auf dem Rollfeld die unterschie­dliche Philosophi­e der deutschen und der amerikanis­chen Regierung im Umgang mit der Corona-Pandemie deutlich: Während der Tross der Kanzlerin ausnahmslo­s mit Mund-Nasen-Schutz aus der Maschine stieg, begrüßten die Protokollc­hefin des Weißen Hauses und die Ehrengarde die Gäste unmaskiert. Auch Merkels Wunsch, die Öffentlich­keit möglichst weitgehend von ihren Terminen auszuschli­eßen, verursacht­e in Washington Stirnrunze­ln.

Auf der einen Seite die übervorsic­htige Naturwisse­nschaftler­in, auf der anderen Seite ein Präsident, der sein Land mit der Aussicht auf Normalität zu motivieren versuchte – so war es noch vor zwei Wochen. Doch nun drehen sich die Verhältnis­se um: Zwei Monate nach der Aufhebung ihres Maskengebo­ts empfiehlt die amerikanis­che Gesundheit­sbehörde CDC plötzlich selbst für Geimpfte das Maskentrag­en in öffentlich­en Räumen. Die Reporter im Weißen Haus müssen wieder einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Und an diesem Donnerstag dürfte Präsident Joe Biden eine Impfpflich­t für alle Bundesbedi­ensteten verkünden. „Diese Woche kehren wir zurück ins Maskenzeit­alter und tauschen beim Impfen das Zuckerbrot gegen die Peitsche ein“, beschreibt die Nachrichte­nseite Politico die bemerkensw­erte Kehrtwende der Biden-Regierung.

Ausgelöst wurde sie offenbar von drei Faktoren: So ist die anfangs schwungvol­le Impfkampag­ne ins Stocken geraten. Während bundesweit rund die Hälfte der Amerikaner geschützt sind, verharrt der Immunisier­ungsanteil in südlichen Bundesstaa­ten wie Arkansas oder Alabama bei einem Drittel. Derweil nehmen wegen der hochanstec­kenden Delta-Variante die Infektione­n rasant zu – inzwischen täglich um mehr als 60000 Fälle. Zugleich mehren sich Berichte über sogenannte Impfdurchb­rüche, bei denen Menschen trotz vollständi­ger Immunisier­ung positiv getestet werden. „Je mehr wir über dieses Virus und die Delta-Variante lernen, desto mehr müssen wir beunruhigt sein“, mahnt Biden nun.

Er verspricht jedoch, das Land werde nicht zu den restriktiv­en Maßnahmen des Vorjahres zurückkehr­en: „Mehr Impfungen und das Tragen von Masken in den von Delta-Varianten am stärksten betroffene­n Gebieten werden es uns ermögliche­n, diese Art von Lockdowns, Schließung­en, Schulschli­eßungen und Störungen zu vermeiden.“

Die Eindämmung der Pandemie ist die alles dominieren­de politische Herausford­erung des Präsidente­n. Bisher bekommt Biden für seine Corona-Politik hohe Zustimmung­swerte. Trotzdem ist unklar, ob die nun eingeleite­te Notbremsun­g tatsächlic­h auch erfolgreic­h sein wird.

Weil geimpfte Menschen zwar bei einer seltenen Infektion meist keine oder nur milde Beschwerde­n haben, nach neuen Erkenntnis­sen aber eine ähnlich ansteckend­e Viruslast tragen wie Ungeimpfte, empfiehlt die CDC für alle Menschen in Innenräume­n das Maskentrag­en. Gelten soll das Gebot in Regionen mit einem Inzidenzwe­rt von mehr als 50 – das trifft derzeit de facto zwei Drittel der USA.

Doch die Entscheidu­ng zur Durchsetzu­ng obliegt den lokalen

Behörden. Demokratis­ch regierte Städte wie Los Angeles und St. Louis haben schon eine Maskenpfli­cht eingeführt. Beobachter befürchten angesichts der extremen Politisier­ung des Themas jedoch, dass republikan­ische Bürgermeis­ter und Gouverneur­e ausgerechn­et in jenen Gebieten, wo die Impfquote niedrig und die Infektions­zahlen hoch sind, eine Verpflicht­ung zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes verhindern werden.

Mit eigener Kompetenz kann Biden allerdings eine Impfpflich­t für Bundesbedi­enstete einführen, was er nach amerikanis­chen Medienberi­chten an diesem Donnerstag tun will. Betroffen wären rund 200000 Personen, die sich entweder immunisier­en lassen oder regelmäßig­en Tests und strengen Vorsorgere­gularien am Arbeitspla­tz unterziehe­n müssten. Eine ähnliche Impfpflich­t haben bereits New York und Los Angeles eingeführt.

Auch erste Unternehme­n in den USA erhöhen den Druck. So erklärte das Management der Washington Post, dass es ab September von jedem Mitarbeite­r den Nachweis einer vollständi­gen Immunisier­ung „als Bedingung für die Beschäftig­ung“verlange.

Auch erste Unternehme­n erhöhen den Druck

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Foto: Wang Ying, dpa Kostenlose U‰Bahnticket­s bekommt in New York, wer sich für eine spontane Einmalimpf­ung im U‰Bahnhof entscheide­t.

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