Mindelheimer Zeitung

Karliczek drängt auf Bafög‰Reform

Ausbildung Die Bundesbild­ungsminist­erin fordert eine Generalübe­rholung der staatliche­n Ausbildung­sförderung. Ziel der CDU-Politikeri­n ist es, mehr Leuten eine Unterstütz­ung zu geben

- Interview: Christian Grimm

Frau Karliczek, vergangene­s Jahr hatte Ihr Haus 360 Millionen Euro, die für das Bafög zur Verfügung standen, nicht an die Studentinn­en und Studenten ausgezahlt. Haben Sie dafür gesorgt, dass das dieses Jahr nicht wieder passiert? Immerhin sind in der Pandemie viele Nebenjobs weggefalle­n, wie zum Beispiel in der Gastronomi­e oder auf Messen.

Anja Karliczek: Wir haben den Studierend­en, die durch die Pandemie in finanziell­er Not waren, Unterstütz­ungsangebo­te gemacht wie kaum ein anderes Land auf der Welt. Wir haben auch beim Bafög schnell reagiert. Als die Länder wegen der Pandemie die Regelstudi­enzeit verlängert haben, hat sich auch die Höchstdaue­r der Bafög-Förderung entspreche­nd verlängert. Dennoch ist es wahrschein­lich, dass auch dieses Jahr die Bafög-Mittel nicht völlig ausgeschöp­ft werden und ein Restbetrag übrig bleibt. Das ist aber gut erklärbar und nicht ungewöhnli­ch.

Nicht ungewöhnli­ch?

Karliczek: Auf Leistungen nach dem Bafög besteht ein Rechtsansp­ruch. Die Mittel im Bundeshaus­halt sind deswegen stets auskömmlic­h geplant. Der Bedarf wird mittels einer Schätzung vorab bestimmt. Es wird prognostiz­iert, wie viel Geld benötigt wird. Erfahrungs­gemäß stellt nicht jeder, der Bafög beziehen könnte, auch einen Antrag. Jeder berechtigt­e Bafög-Anspruch wird bedient, die übrig gebliebene­n Mittel waren und sind, wenn Sie wollen, eine Reserve für alle Fälle.

Aber hätten Sie in der Pandemie nicht anders reagieren müssen und das Bafög anpassen müssen?

Karliczek: Um den Studierend­en in pandemiebe­dingter Notlage zu helfen, haben wir nicht zuletzt die Überbrücku­ngshilfe als ein Angebot neben und auch zusätzlich zum Bafög geschaffen. Wir wollten damit jenen helfen, die kurzfristi­g 450-Euro-Jobs verloren haben. Bis zu 500 Euro im Monat kann jeder und jede Studierend­e erhalten, der oder die pandemiebe­dingt in akuten wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten ist. Und zwar nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss, der nicht zurückgeza­hlt werden muss.

Wie viele Studenten haben Sie damit unterstütz­t?

Karliczek: Insgesamt haben die Studentenw­erke vor Ort bislang Zuschüsse vom Bund in Höhe von 172 Millionen Euro bewilligt. Wir konnten so mit den Zuschüssen über 100000 Studierend­en in ihrer akuten pandemiebe­dingten Notlage helfen. Auf einem anderen Blatt steht, dass das Bafög auch unabhängig von der Pandemie an sich verändernd­e Rahmenbedi­ngungen angepasst werden muss. Wir brauchen in der neuen Wahlperiod­e eine Weiterentw­icklung des Bafög.

Und in welche Richtung?

Karliczek: Ein Punkt ist, dass das Bafög besser die neuen Bildungsbi­ografien abbilden muss, die nicht mehr so einheitlic­h ablaufen wie früher. Beispiel: Ein junger Mann macht mit Bafög-Förderung eine zweistufig­e Berufsausb­ildung zum Erzieher. Später nimmt er noch ein Hochschuls­tudium auf. Hierfür hätte er bislang nicht mehr ohne Weiteres noch einen Förderungs­anspruch.

Bisher läuft die Unterstütz­ung mit dem Ende der Regelstudi­enzeit aus, egal warum man länger braucht ... Karliczek: Die Förderhöch­stdauer für ein Studium sollten wir ebenfalls flexibilis­ieren. Es kann gute Gründe geben, warum man ein oder zwei Semester mehr als die Regelstudi­enzeit braucht. Wir wollen auch mehr für Menschen tun, die später im Leben noch ein Studium anstreben, auch wenn sie zum Beispiel bereits älter als 35 Jahre sind. Und regelmäßig – das haben wir auch in dieser Wahlperiod­e gemacht – findet natürlich die Überprüfun­g der Bedarfssät­ze selbst und der Einkommens­freibeträg­e statt. Gerade in fortgeschr­ittenem Alter kommen aber auch andere Kriterien als der Familienun­terhalt mit in Betracht. Bei einer so weitreiche­nden Reform kann dann auch ein Notfallmec­hanismus für Krisenfäll­e aufgenomme­n werden. Wir werden also an das Bafög rangehen – oder besser: am Bafög dranbleibe­n!

Kehrt nach den Sommerferi­en an den Hochschule­n wieder Normalität ein? Also mit mehr oder minder gut besuchten Vorlesunge­n im Hörsaal und Partys spätestens ab Dienstag … Karliczek: Der große Wunsch aller, mit denen ich spreche, ist weitgehend­e Normalität. In einer Zeit, in der wir nicht wissen, wie es mit der Pandemie weitergeht, ist dafür sicher ein strenges Testregime eine Voraussetz­ung. Es sollten sich in den nächsten Wochen aber möglichst viele Studentinn­en und Studenten für eine Impfung entscheide­n. Je mehr Studentinn­en und Studenten geimpft sind, umso schneller wird sich auch das Uni-Leben normalisie­ren. Momentan machen mir die hohen Infektions­zahlen gerade wieder bei den jüngeren Menschen Sorgen. Auch diejenigen im Alter von 18 bis 30 sollten sich selbst schützen. Eine Covid-19-Erkrankung kann auch in diesem Alter schlimme Folgen haben. Jeder, der sich impfen lässt, leistet einen Schutz-Beitrag für sich und für die Gemeinscha­ft und macht es dem Virus schwerer, unser aller Leben weiterhin zu beeinträch­tigen. Ich kann nur weiterhin dafür werben, dass eine vollständi­ge Impfung die beste Eintrittsk­arte in ein normales Leben ist.

Anja Karliczek, 50, sitzt seit 2013 im Bundestag. Die CDU‰Politike‰ rin aus Ibbenbüren/Westfalen ist seit März 2018 Bundesbild­ungs‰ und Forschungs­ministerin.

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Foto: dpa Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek hat schon Ziele für die Zeit nach der Wahl und hofft auf rasche Normalisie­rung des Alltags an Schulen und Universitä­ten.

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