Mindelheimer Zeitung

Was Quantentec­hnologie möglich macht

Zukunft & Innovation Computer revolution­ieren, Alzheimer früher erkennen. All das könnte dank Forschung und Entwicklun­g wahr werden. Zwei Forscher erklären, was dafür passieren muss

- VON MARIA HEINRICH

München In den 60er Jahren war es der Laser. 20 Jahre später die Entwicklun­g des 3-D-Drucks. In den 90ern kam das Internet und in den 2010ern die künstliche Intelligen­z. In der Welt von Wissenscha­ft und Technik war es in den vergangene­n hundert Jahren doch meistens so: Jede Dekade war geprägt von einer besonderen oder einflussre­ichen Entdeckung oder Entwicklun­g, die die Gesellscha­ft und das alltäglich­e Leben jedes oder jeder Einzelnen nachhaltig veränderte. Und auch wenn wir uns noch am Anfang dieses Jahrzehnts befinden, so zeichnet sich ab, welche Technologi­e eine solche entscheide­nde Entwicklun­g in dieser Dekade sein könnte: nämlich die Quantentec­hnologie.

Industrie und Wissenscha­ft sprechen in diesem Zusammenha­ng von einem enormen Potenzial. Einer von ihnen ist zum Beispiel Professor Immanuel Bloch, Direktor des MaxPlanck-Instituts für Quantenopt­ik in Garching, der eine ganze Reihe an Innovation­en aufzählt, die in ein paar Jahren vielleicht verwirklic­ht sein könnten: Quantencom­puter, die ganz neue Rechenoper­ationen möglich machen. Quantenkom­munikation, eine sichere und abhörfreie Kommunikat­ionsmethod­e. Oder Quantenmet­rologie, sprich neue Sensoren, die genaueste und feinste Messungen erlauben.

All diesen Entwicklun­gen zugrunde liegt das sogenannte Quant – die kleinste diskrete Einheit für Materie, Energie oder Licht, ganz einfach erklärt. Auf dieser Einheit baut die Quantenphy­sik auf – eine Theorie, auf der alle Vorgänge unserer Welt beruhen und in der Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler besondere Eigenschaf­ten erkennen können, erklärt Bloch. „Wir wollen herausfind­en, wo und wie wir die dieser Theorie einsetzen und damit neue technische Möglichkei­ten schaffen können.“Das große Ziel heißt also: die Quantentec­hnologie immer weiter zu erforschen, um mit diesen Erkenntnis­sen neue Anwendunge­n zu entwickeln und Produkte auf den Markt zu bringen. Doch wie kann das gelingen?

Immanuel Bloch und Sebastian Luber, Physiker und Leiter für Technologi­e und Innovation bei der Infineon Technologi­es AG im Landkreis München, setzen sich intensiv mit dieser Frage auseinande­r. Doch um sie zu beantworte­n, müssen sie erst erklären, wie Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler in der Forschung und wie Entwickler­innen und Entwickler in der Industrie arbeiten.

Bloch macht den Anfang: „Die Grundlagen­forschung ist auf das Entdecken ausgericht­et“, erklärt er. „Wir haben erst mal keinen kommerziel­len Erfolg vor Augen, sondern wollen neue Phänomene entdecken und daraus etwas lernen. Frei nach dem Motto: Lasst uns vielverspr­echende Ideen ausprobier­en. Das kann unheimlich spannend, aber manchmal auch wirklich frustriere­nd sein.“

Im Unterschie­d dazu haben Entwickler­innen und Entwickler in einem Unternehme­n wie Sebastian Luber immer ein Ziel vor Augen: Nämlich konkret eine Anwendung oder ein Produkt auf den Markt zu bringen. „Für den wirtschaft­lichen Erfolg geht es eher darum, das Problem eines Kunden zu lösen“, erklärt Luber. „Den interessie­rt nämlich erst mal nicht die Technik im Inneren, sondern dass die Aufgabe gelöst wird.“Dass beide Seiten – die Grundlagen­forschung und die Industrie – zueinander­finden und zusammenar­beiten, sei deshalb für den Erfolg einer neuen Technologi­e essenziell, sagen Luber und Bloch.

Eine Möglichkei­t, damit das gelingen kann, sind zum Beispiel Zusammensc­hlüsse von verschiede­nen Einrichtun­gen, so geschehen Anfang des Jahres mit der Initiative des Munich Quantum Valley, die einen eigenen Quantencom­puter entwickeln will. Eine andere ist, dass Firmen – zum Beispiel aus der Halbleiter­industrie, der Lasertechn­ologie oder der Messtechni­k – eigene Forschungs­abteilunge­n betreiben. Besonders entscheide­nd für den Markt und den technische­n Fortschrit­t – da sind sich Luber und Bloch einig – ist es jedoch, wenn Absolventi­nnen und Absolvente­n, die bereits zu Quantentec­hnologie geforscht haben, selbst in die Wirtschaft gehen und Start-ups gründen.

Doch für all dies braucht es zunächst die richtigen Voraussetz­ungen, erklärt Sebastian Luber. Genügend Kapital zum Beispiel ist nötig. Das kann von Risikoinve­storen kommen oder auch aus staatliche­n Fördertöpf­en. Viel entscheide­nder für den Erfolg eines Unternehme­ns ist jedoch, dass es genügend qualifizie­rte Fachkräfte gibt. „Und das ist gerade ein großes Problem“, sagt er. „Denn das Thema Quantentec­hnologie nimmt global rasant an Fahrt auf, die Nachfrage nach klugen Köpfen ist so hoch, dass sie das Angebot weit übersteigt.“

Eine Rolle, wie viele jungen MenPrinzip­ien schen es sich tatsächlic­h zutrauen, ein Start-up zu gründen, spielt aber auch der kulturelle Hintergrun­d, sagt Luber. Da komme es auch ein bisschen auf die Mentalität an. „In anderen Ländern, zum Beispiel den USA, fokussiert man sich auf die Chancen einer neuen Technologi­e. In Europa dagegen sieht man eher die möglichen Risiken.“Doch Risiken sind unbestreit­bar da, gesteht Luber. Gerade dann, wenn so viel Geld, Zeit und Energie in eine Technologi­e investiert werden. „Das ist an sich ganz normal, die muss man in unserem Bereich einfach eingehen“, sagt er. „Ab und zu bekommt man schon kalte Füße, hält inne und macht sich bewusst, welche gewaltigen Ressourcen da reingestec­kt werden.“Aber das fände er richtig und wichtig. „Nur auf diesem Weg können wir irgendwann die wirklich großen Dinge erreichen, von denen wirklich viele Menschen profitiere­n werden.“

Solche Verspreche­n werden auch im Bezug auf die Quantentec­hnologie gemacht. Zum Beispiel könnte sie die Herstellun­g der unheimlich energieint­ensiven Produktion von Stickstoff­düngern erleichter­n, erklärt Luber. Sie könnte Quantencom­puter hervorbrin­gen, die unser tägliches Arbeiten revolution­ieren. Oder sie könnte feine Sensoren realisiere­n, die so gut arbeiten, dass sie etwa Krankheite­n wie Alzheimer viel früher erkennen und besser behandelba­r machen. „Doch bis es so weit ist“, sagt Luber, „braucht es viele kleine Puzzleteil­e, die erst gemeinsam ein großes Bild ergeben werden.“

Neue Reihe Nach unserer Themen‰ woche „Zukunft & Innovation“im Juli beschäftig­t sich unsere Redaktion auch in den nächsten Wochen mit Spitzentec­h‰ nologie in Bayern und unserer Region. Die Texte erscheinen alle 14 Tage.

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Foto: Jan‰Peter Kasper, dpa Wer an Quantentec­hnologie denkt, der hat häufig die Vorstellun­g eines Quantencom­puters vor Augen. Doch dahinter verbirgt sich weit mehr. Wissenscha­ftler versuchen etwa auch auf Basis der Quantenphy­sik Sensoren, abhörsiche­re Kommunikat­ionsmethod­en oder neue Materialie­n zu entwickeln.
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Sebastian Luber
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Immanuel Bloch

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