Mindelheimer Zeitung

„Der Bio‰Siegeszug hat gerade erst begonnen“

Interview Stefan Hipp leitet die gleichnami­ge Firma, die Produkte für Babys und Kleinkinde­r herstellt. Der Unternehme­r sagt, es komme nicht immer nur darauf an, ob sich etwas rechnet. Für ihn ist die Bewahrung der Schöpfung besonders wichtig

- Interview: Stefan Stahl

Herr Hipp, wo waren Sie heute Morgen um 6 Uhr?

Stefan Hipp: Im Reitstall hier nahe Pfaffenhof­en an der Ilm, unserem Firmensitz in Oberbayern. Wenn es irgendwie möglich ist, reite ich morgens eine Stunde. Erst dann gehe ich ins Büro. Das macht den Kopf frei. Seit meiner Jugend mag ich Pferde. Meine Mutter war eine erfolgreic­he Dress -Jahren. Als Jugendlich­er habe ich selbst Turniere geritten. Auf meiner Bio-Landwirtsc­haft in Polen züchte ich auch Pferde.

Sie sind ein Pendler zwischen West und Ost.

Hipp: Ja, ich fahre häufig nach Polen. Gerade im vergangene­n CoronaJahr war ich besonders viel dort. Mein Bio-Betrieb ist im ehemaligen Ostpreußen, etwa 80 Kilometer östlich von Danzig. Polen ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Die Gegend ist wunderschö­n: der Himmel, die Wälder, die Seen.

Sind Sie noch der größte Bio-Bauer in Polen?

Hipp: Wohl nicht mehr der größte, aber einer der größten, denke ich. Seit 20 Jahren betreibe ich dort die Bio-Landwirtsc­haft. Wir bauen Getreide an, also Weizen, Roggen, Hafer und Buchweizen, sowie Karotten und Kartoffeln. All das kommt in unsere Produkte für Babys und Kleinkinde­r.

Und Ihre Rinderherd­en in Polen haben viel Platz.

Hipp: Ja, ich halte dort Angus-Rinder. Mit 80 Stück habe ich angefangen, jetzt sind es etwa 1000. Von April bis Dezember sind sie auf den Weiden. Im Winter kommen sie dann in die Ställe. Unsere Rinder laufen über Weiden in Wälder.

Was machen Rinder in Wäldern?

Hipp: Sie lieben Bäume und Gehölze, die wir auf allen Weiden stehen haben. Rinder waren ursprüngli­ch Waldtiere. Unter Bäumen fühlen sie sich wohler, gerade in einem heißen Sommer. Dann halten sie sich den ganzen Tag über unter Bäumen auf. Dort werden sie viel weniger von Fliegen geplagt.

Landwirtsc­haft scheint Sie glücklich zu machen.

Hipp: Das Dasein als Landwirt macht mir Freude. Ich bin bei meinen Eltern auf einem Bauernhof in der Nähe von Pfaffenhof­en groß geworden. Von klein auf habe ich im Stall und in der Landwirtsc­haft mitgeholfe­n. So wurde Landwirtsc­haft zu meiner Passion. Auf der einen Seite stehe ich im Unternehme­n in der Verantwort­ung, auf der anderen Seite bin ich mit großer Leidenscha­ft Landwirt. Nach einer kaufmännis­chen Lehre im eigenen Betrieb und einem Politikstu­dium in München habe ich den Master in Landwirtsc­haft und Lebensmitt­elmanageme­nt in Großbritan­nien gemacht. Es gibt für mich nichts Schöneres, als zu sehen, wie etwas aus dem Boden erwächst.

Wie hat sich die Bio-Nachfrage in der Corona-Zeit entwickelt?

Hipp: So hart die Corona-Zeit auch für viele war, so sehr hat sich doch das Denken vieler Menschen verändert. Unsere Welt ist durch Corona demütiger geworden. Und ich glaube, dass Menschen während der Pandemie viel Zeit damit verbracht haben, sich zu fragen, was wirklich wichtig im Leben ist. Viele haben sich Gedanken gemacht, wie wir eine bessere Welt für uns und unsere Kinder schaffen können.

Aber ist nicht die KlimaDisku­ssion während all der Lockdowns lange in den Hintergrun­d gedrängt worden?

Hipp: Das war meine große Sorge und ich befürchtet­e, dass in der Corona-Zeit die berechtigt­en Anliegen der Fridays-for-Future-Bewegung aus dem Fokus geraten. Gott sei Dank ist genau das Gegenteil passiert. Die Menschen setzen sich noch intensiver mit dem Schutz der Umwelt und insbesonde­re des Klimas auseinande­r. Der Bio-Markt ist im vergangene­n Jahr doppelt so stark gewachsen wie die Jahre zuvor. Es gab ein Art Bio-Aufwachen in der Corona-Zeit. Klimaschut­z ist nicht nur in Deutschlan­d, sondern in vielen europäisch­en Ländern das Thema Nummer eins. Bio ist meines Erachtens Teil der Lösung.

Steht der steigenden Bio-Nachfrage ein ausreichen­des Angebot gegenüber?

Hipp: Derzeit sind biologisch erzeugte Rohstoffe knapp. Doch die Knappheit ist der Motor für die zunehmende Umstellung von der konvention­ellen auf die biologisch­e Landwirtsc­haft. Dabei geht die Politik den richtigen Weg, indem sie sich ehrgeizige­re Klimaziele setzt. Wenn die Politik nun noch stärker Betriebe fördert, die auf Bio-Lebensmitt­el umstellen, beschleuni­gt dies das Erreichen von Klimaziele­n.

Kommen Bio-Landwirte einigermaß­en finanziell über die Runden? Hipp: Wenn sie den biologisch­en Anbau richtig anpacken, können sie sogar besser von der Landwirtsc­haft leben als bei konvention­eller Erzeugung.

Der Aufwand, den ich als BioLandwir­t pro Hektar investiere­n muss, ist geringer als bei der konvention­ellen Landwirtsc­haft. Für den Bio-Landwirt ist Fachwissen und Erfahrung besonders wichtig.

Was muss der Bio-Bauer können?

Hipp: Er muss zum richtigen Zeitpunkt handeln und darf nicht fünf Tage zu spät dran sein. In den vergangene­n 50 Jahren haben wir vielfach Schindlude­r mit unseren Böden betrieben und sie vernachläs­sigt. Dieser Schaden lässt sich nicht in zwei, drei Jahren reparieren. Das dauert zehn bis 20 Jahre. Wenn ich aber Geduld habe, kann ich auf diesen wieder intakten Böden pro Hektar mindestens genauso viel erzeugen wie zuvor – und das günstiger.

Sind Sie mit Ihrem Unternehme­n gut durch die Corona-Krise gekommen?

Hipp: Viele hat es sehr hart getroffen, ich will mich nicht beschweren. Es hätte besser, aber auch schlechter laufen können. Wir haben vermutlich ein bis eineinhalb Jahre Wachstum verloren. In Deutschlan­d lief es noch vergleichb­ar gut für uns. In anderen Ländern sah es für uns zum Teil schlechter aus. In Italien etwa verkaufen wir sehr viele unserer Produkte über Baby-Geschäfte. Die waren aber monatelang geschlosse­n. In manchen Ländern saßen die Eltern im Homeoffice. Dadurch haben sich ihre Ernährungs- und Fütterungs­gewohnheit­en geändert. Die Mütter und Väter haben mehr selbst gekocht.

Hipp erzeugt seit rund zehn Jahren die Produkte an den Standorten klimaneutr­al. Können Sie sich jetzt als Öko-Vorreiter zurücklehn­en?

Hipp: Nein, wir lehnen uns nicht zurück. Wir wollen der Welt etwas Positives zurückgebe­n. Deswegen wollen wir klimaposit­iv werden.

Was ist das denn?

Hipp: Dieses Jahr haben wir schon unsere Babygläsch­en „klimaposit­iv“gestellt. Das bedeutet, dass wir deutlich mehr Emissionen ausgleiche­n, als von der Rohstoffer­zeugung bis zum Zentrallag­er des Handels entstehen. Klimaposit­iv unterschei­det sich von klimaneutr­al dadurch, dass wir in summa deutlich mehr

CO2 ausgleiche­n als anfällt. Damit geben wir der Umwelt mehr zurück, als wir ihr entnehmen.

Sie betreiben also Klima-Bio-Marketing. Rechnet sich das auch für das Unternehme­n?

Hipp: Es kommt nicht immer nur darauf an, ob es sich rechnet.

Den Satz hört man selten von einem Unternehme­r.

Hipp: Man muss als Unternehme­r eben von etwas überzeugt sein und unter Umständen auf eine gewisse Spanne verzichten, wenn man nachhaltig handeln und einen Beitrag für das Klima leisten will.

Aber ohne Gewinn können Sie sich auch keinen Klimaschut­z leisten.

Hipp: Deswegen glaube ich, dass sich so ein klimaposit­iver Kurs mittelund langfristi­g für ein Unternehme­n lohnt. Denn ich bin davon überzeugt, dass Nachhaltig­keit beim Einkaufen eine so große Rolle spielen wird, dass immer mehr Verbrauche­r nur noch Produkte kaufen wollen, die verantwort­ungsvoll hergestell­t wurden. Ich bin sicher: Der Siegeszug der Bio-Lebensmitt­el hat gerade erst begonnen.

Dass die Hipps stark christlich geprägt sind, ist bekannt. Welche Rolle spielt der Glaube für Ihre Geschäftsp­olitik?

Hipp: Als Familie identifizi­eren wir uns sehr stark mit christlich­en Werten. Die Achtung vor der Schöpfung liegt uns besonders am Herzen. So hat mein Großvater Georg Hipp schon ab 1956 mit dem Anbau von Bio-Produkten begonnen. Alles fing an, als er in den 50er Jahren auf der Suche nach sauberen Lebensmitt­el war, in einer Zeit, als die Agrar-Chemie fast alles dominierte.

Warum ist Ihr Großvater zum BioVorreit­er geworden?

Hipp: Weil er davon überzeugt war, dass es nicht gut sein könne, so viel Chemie auf Lebensmitt­el auszubring­en. Ihm war klar, dass in diesen Produkten Rückstände bleiben, die Menschen belasten. So kam er als Mensch, der die Schöpfung achtet, zum biologisch­en Landbau.

Wie reagierten die Wettwerber auf den Sonderweg Ihres Großvaters?

Hipp: Sie verlachten ihn. Die großen Wettbewerb­er im Kindernahr­ungsbereic­h sagten sich: Jetzt spinnt er ganz, der Hipp. Sie dachten, das Geschäft meines Großvaters würde nicht mehr lange bestehen. Zum Glück ist sich mein Großvater treu geblieben. Die Bio-Geschäfte liefen immer besser. Und als mein Vater den Betrieb 1968 übernommen hat, baute er das Bio-Sortiment aus. Er hat den Bio-Anbau gegen starken Widerstand weiterentw­ickelt.

Sind die Hipps eine Art frühe Grüne?

Hipp: Nein. Uns geht es um den Erhalt der Schöpfung. Ich stelle mich in keine politische Ecke, auch wenn die grüne Ecke sicher viele gute Dinge hat.

Dann sind die Hipps konservati­v im Sinne des Bewahrens der Umwelt?

Hipp: Wahrschein­lich. Uns geht es darum, die Umwelt und auch Werte zu bewahren. Werte erleichter­n das Leben in der Gemeinscha­ft. Wenn etwa christlich­e Werte verloren gehen, wird das Leben in einer Gemeinscha­ft schwierige­r. Auch geht das langfristi­ge Denken verloren. Deswegen bin ich glücklich, dass in diesem Wahlkampfj­ahr das KlimaThema von fast allen Parteien in den Vordergrun­d gerückt wird.

Wie Ihr Vater stehen Sie für die BioÜberzeu­gung als Chef-Werbefigur des Hauses mit Ihrem Namen ein. Das ist doch ein radikaler Schritt.

Hipp: Sicher, aber wir wollten immer die besten und sichersten Produkte herstellen. Am glaubwürdi­gsten lässt sich das umsetzen, wenn man persönlich dafür in der Öffentlich­keit die Verantwort­ung übernimmt.

Sie haben das Unternehme­n von Ihrem bekannten Vater übernommen. Verstehen Sie sich mit ihm immer noch gut?

Hipp: Sehr gut sogar. Unsere Büros liegen nebeneinan­der. Wir ticken ähnlich. Schon als kleiner Bub saß ich im Büro meines Vaters und habe seine Post aufgemacht, hörte seinen Telefonges­prächen zu. Er hat mich früh zu Besprechun­gen und Besuchen bei Landwirten mitgenomme­n. Mein Vater hat mich von klein auf für das Unternehme­n begeistert. So war für mich immer klar, ins Unternehme­n einzusteig­en.

Redet Ihnen Ihr Vater drein?

Hipp: Nein, er kann loslassen und lässt uns Kinder machen. Aber ich frage ihn oft nach seiner Meinung und er antwortet mir.

Halten Sie sich an seine Ratschläge?

Hipp (lacht): Mal mache ich, was er sagt, mal nicht.

Stefan Hipp wurde am 24. März 1968 als erstes von fünf Kindern des Bio‰Pioniers Claus Hipp geboren. Seit 1990 ist Stefan Hipp im Familien‰Unternehme­n tätig.

„Das Dasein als Landwirt macht mir Freude.“

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Foto: Hipp Der Unternehme­r und Landwirt Stefan Hipp trägt häufig einen Trachten‰Janker. Er sagt: „Damit bin ich immer gut und bequem angezogen.“

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