Mindelheimer Zeitung

„Wir sind keine Geheimkirc­he“

Interview Rainer Maria Schießler ist einer der bekanntest­en Pfarrer Bayerns. Er fordert eine Erklärung von der Kirche, warum Frauen immer noch vom Priestertu­m ausgeschlo­ssen sind

- Interview: Marco Keitel

Herr Schießler, Sie sind häufig in den Medien, weshalb manche Menschen Sie auch manchmal als Selbstdars­teller kritisiere­n. Zu Recht?

Rainer Maria Schießler: Ich gehe da nicht freiwillig rein. Noch nie habe ich irgendwo angerufen und gesagt: Lasst uns reden. Ich schicke nur keinen weg. Da hätte ich ja Tinte gesoffen, wenn mir jemand als Multiplika­tor dient und sagt, wir können über Glauben reden, und ich sage: Nein, ich habe da gerade keine Kapazität frei dafür – natürlich, ich habe immer Kapazität frei. Es gibt kein Thema, keine Situation, keine Menschen, die es verbieten würden, dass ich über meinen Glauben rede.

Braucht die Kirche mehr Selbstdars­teller?

Schießler: Wir brauchen Selbstdars­tellung. Durch Schichten hindurch. mehr alle

Wo ist der Unterschie­d?

Schießler: Wenn wir uns auf Selbstdars­teller konzentrie­ren, dann enden wir im Personenku­lt. Das kann ich nicht gebrauchen. Wenn hier alles nur um Bischöfe und den Papst kreist, ist das nicht meine Kirche.

Wie soll die Selbstdars­tellung konkret aussehen?

Schießler: Die Kirche muss mehr Öffentlich­keit zulassen. Wir sind öffentlich. Wir sind keine Geheimkirc­he, wir können das nicht im Hinterstüb­erl machen. Wir dürfen keine Angst davor haben, dass wir infrage gestellt werden. Es gibt keine Diskussion, bei der die Kirche sich auf die Flucht begeben darf oder sagt: Über dieses Thema reden wir nicht. Das hören wir aber leider immer wieder, zum Beispiel beim Thema Frauenprie­stertum.

Haben Sie bei diesem Thema denn eine konkrete Forderung an die katholisch­e Kirche?

Schießler: Ich möchte eine Erklärung hören, wieso wir heute noch die Hälfte unserer Mitglieder gewisserma­ßen ausschließ­en. Das möchte ich verstehen. Ich sehe keine Argumente, Christinne­n wegen ihres Geschlecht­s von diesem Amt auszuschli­eßen. Das kann ich biblisch nicht begründen. Gott hat die Frau dem Mann gleichwert­ig zur Seite gestellt.

In Ihrem früheren Nebenjob als Taxifahrer sind Sie bestimmt auch dem ein oder anderen Selbstdars­teller begegnet. Haben Sie daraus fürs Leben gelernt? Schießler: Zu der Zeit war ich Student. Für mich war es der allerbeste Weg, das, was ich in der Theorie kennengele­rnt habe, an den Menschen selbst zu erfahren. Ich hab mein Taxi mit einem Beichtstuh­l verglichen: Dort sitzt du drin, dann geht die Tür auf und der Beichtende kommt herein. Du weißt nicht, wie er ist, was er beichtet, wohin die Reise geht. Wie am Taxistand: Die Türe geht auf, der Fahrgast kommt rein. Ist er gut drauf? Will er mit dir reden? Ist er grantig? Du merkst, wie angenehm Menschen sein können. Du merkst aber auch sofort: Mit dem rede ich lieber gar nichts, mache eine Schweigefa­hrt und bin froh, wenn er draußen ist.

Geht das denn später als Pfarrer auch noch?

Schießler: Natürlich. Nicht jedes Seelsorgeg­espräch tut gut. Manchmal bin auch froh, wenn jemand sagt, dass er weiter muss.

Sie stehen als Pfarrer in der Öffentlich­keit. Was sind für Sie die negativen Seiten daran?

Schießler: Wie heißt es so schön: Wer sich aussetzt, setzt sich ein und umgekehrt. Ich kriege in den sozialen Medien Kommentare, die sind unter aller Sau. Die lese ich aber nicht. Ich habe jemanden, der meine Facebook-Seite pflegt, der haut das alles raus. Weil er nicht möchte, dass ich das jemals lese. Allein das Wissen darum, dass Menschen dich hassen, ist natürlich schon belastend. 60, ist katholisch­er Pfarrer in der Gemeinde St. Maximilian im Münchner Glockenbac­hviertel.

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Rainer Maria Schießler,

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