Mindelheimer Zeitung

Was ein guter Hefeteig braucht

Küche Schön locker soll er sein, dabei Substanz haben und schmecken. Zwei Profis verraten, wo bei Hefegebäck der Schlüssel zum Erfolg liegt

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Der Lockstoff liegt direkt vor unserer Nase in der Vitrine: Schneckenn­udeln mit unterschie­dlichen Füllungen und Toppings. Feines Hefegebäck, herzhaft ebenso wie süß, ist die Spezialitä­t von Nicolai Stanke. Deshalb hat er seine gläserne Backmanufa­ktur in Augsburgs Mitte „32 Grad“genannt. „Bei dieser Temperatur kann Hefe optimal arbeiten“, verrät der Bäckermeis­ter. Hier von ihm und einer Kollegin fünf Tipps für Hobbybäcke­rinnen und -bäcker:

1. Hefe ist etwas Lebendiges. Sie braucht Wärme und Geduld. Heiß mag sie es aber nicht! Wenn Sie die Hefe ganz klassisch, wie von Generation zu Generation weitergege­ben, in Milch auflösen, sollte diese maximal lauwarm sein. Sonst töten Sie die Mikroorgan­ismen in der Hefe ab, die kleinen Helfer können nicht mehr arbeiten. Natürliche Hefen setzen die Stärke und Zucker in Alkohol um, lockern Ihren Teig in einem natürliche­n Gärungspro­zess auf und machen ihn aromatisch. Wäre doch schade drum!

2. Achten Sie darauf, dass die Hefe frisch ist und dosieren Sie sie spar‰ sam. Handelsübl­iche 42-GrammWürfe­l halten im Kühlschran­k circa 14 Tage lang (bei Bio-Produkten ist es besonders wichtig, auf das Haltbarkei­tsdatum zu achten). Ist die Hefe „drüber“, können Sie testen, ob sie noch aktiv ist: mit etwas Wasser oder Milch und einer Prise Zucker verrühren. „Blubbert“sie nach fünf Minuten Gehzeit, bildet sie Blasen, können Sie sie noch getrost verwenden. Nicolai Stanke nimmt übrigens nur die Hälfte der Menge, die in Rezepten für Frischhefe vorgesehen sind. Statt einem Hefewürfel pro Kilogramm Mehl also nur einen halben. „Das genügt – der Teig wird auch damit gut“, ist er überzeugt. Falls keine frische Hefe zur Hand ist, können Sie auf Trockenhef­e ausweichen. Hier genügt ein Drittel der Menge, die Sie an Frischhefe nehmen würden!

3. Den Teig gut durchknete­n. „Von Hand ist das kaum zu schaffen, da sind Sie hinterher fix und fertig“, sagt Stanke lachend. In der Rührmaschi­ne (einstufig) braucht der Teig zwischen sechs und zehn Minuten. Weil das nicht immer gleich ist (Teig ist schließlic­h ein Naturprodu­kt), lieber zwischenze­itlich eine Probe machen. Dazu ein kleines Stück Teig auf der bemehlten Hand glatt machen und vorsichtig auseinande­rziehen. Wenn Sie – wie durch ein Fenster – hindurchsc­hauen können, ist der Teig perfekt ausgeknete­t. Zieht sich der Teig am Knethaken hoch, ist es ein weiteres Zeichen, dass er fertig ist.

4. Nun sollte Ihr Hefeteig mindestens einmal in Ruhe gehen (wenn Zeit dafür ist, sogar zweimal). Stellen Sie ihn dazu weder auf einen Heizkörper noch in den vorgewärmt­en Backofen, was manche Hobbybäcke­rinnen und -bäcker tun, um den Prozess zu beschleuni­gen. Denn dabei wird Teig schnell „alt“, zieht noch in der Schüssel eine Haut und verkrustet. Das Wichtigste bei Hefeteig ist laut Nicolai Stanke Geduld: Er schwört bei Hefe auf die sogenannte kalte Führung. Er setzt die Hefe (und zwar immer Frischhefe­würfel!) nicht mit warmer Milch an, sondern nimmt die Milch direkt aus dem Kühlschran­k. Sie hat dann zwar nur zwischen fünf und acht Grad, dafür lässt der Bäckermeis­ter den Teig länger gehen. Er rührt die Zutaten zusammen, lässt den Teig anschließe­nd zehn bis 15 Minuten in der Schüssel „entspannen“, rollt ihn in die gewünschte Form fürs Backblech aus und belegt ihn, wenn gewünscht, mit Obst. Dann kommt der Kuchen, mit einem angefeucht­eten Tuch bedeckt, über Nacht in den Kühlschran­k, wo er in Ruhe reifen und sein feines Aroma entwickeln kann. Gängige Praxis auch bei Pizzabäcke­rinnen und -bäckern. Wichtig ist, dass Sie den Kuchen 15 bis 30 Minuten vor dem Backen aus dem Kühlschran­k nehmen, damit er auf Raumtemper­atur kommt.

5. Sie wollen mit dem Hefeteig ein Brot backen? Dann stellen Sie beim Vorheizen eine Metallschü­ssel mit in den Ofen. „Kurz bevor Sie das Brot in den Ofen schieben, geben Sie heißes Wasser in die Schüssel. Der Dampf macht aus dem Ofen eine Sauna – was der Hefeteig liebt. Er belohnt Sie dafür mit einer leckeren knusprigen Kruste“, sagt Cynthia Barcomi. Die US-Amerikaner­in hat sich in Berlin als Gastronomi­n, Backbuchau­torin und TV-Bäckerin einen Namen gemacht und liebt es, mit Hefe Brot zu backen. Damit Hefeteig gedeiht, rät sie Hobbybäcke­rinnen und -bäckern: „Behandeln Sie die Hefe, wie Sie selbst behandelt werden möchten. Wärme, Aufmerksam­keit, Geduld und Sorge – wer würde unter diesen Bedingunge­n nicht gedeihen?!“

Cynthia Barcomi hat sich als Erste genauer mit dem Auflösen von Hefe befasst. Manche Bäckerinne­n und Bäcker lösen Hefe bewusst mit Wasser statt Milch auf, mit dem Argument, dass die Milch die Hefe an ihrer Arbeit hindere. „Kann man machen, bei manchen Rezepten würde ich aber nicht auf den Milchgesch­mack verzichten wollen“, erklärt Barcomi.

Bei Recherchen war ihr aufgefalle­n, dass ihre Mutter und Großmutter die Milch immer erst bis knapp unter den Siedepunkt erhitzten, also auf 82 bis 85 Grad Celsius, um sie vor dem Weitervera­rbeiten wieder abkühlen zu lassen. „Ich dachte immer, Sinn und Zweck sei, in Milch vorhandene Keime abzutöten“, erzählt sie. Doch zum guten Schluss fand die Konditorin bei Lebensmitt­elchemiker­innen und -chemikern die Erklärung: Durch das Abkochen wird das in der Milch vorhandene Serumprote­in denaturier­t. Dieses Protein hat eine schwächend­e Wirkung auf Gluten, also Getreidekl­eber, und wirkt sich negativ auf die Textur zum Beispiel von Brot aus. Durch das Abkochen wird auch das Protease-Enzym deaktivier­t, das die Hefe verlangsam­t und den Teig weich und klebrig machen kann.

„Lektion gelernt? Überspring­en Sie nicht das Abkochen, sondern beginnen Sie damit als Erstes“, rät Cynthia Barcomi. Mehr Tipps in Barcomis „Backschule“, DK Verlag.

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Foto: Andrea Schmidt‰Forth Bäcker Nicolai Stanke bereitet gerne Hefegebäck zu und weiß, wie der optimale Hefeteig gelingt.

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