Mindelheimer Zeitung

Tränen helfen gegen den sterilen Eindruck

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Etwas mehr als die Hälfte der Olympische­n Sommerspie­le in Tokio ist verstriche­n. Die Hallen und Stadien sind leer. Wenig Stimmung, so sehr sich auch die Organisato­ren bemühen, das dröhnende Schweigen mit lauter Musik und enthusiast­ischen Sprechern zu übertönen. Nach der ersten Woche stellt sich jedoch ein gewisser Gewöhnungs­effekt ein. Ähnliches gab es auch schon in der Bundesliga zu beobachten. Anfangs war die Aufregung groß. Ohne Fans sei der Fußball dem Tode geweiht. Es kam anders, natürlich. Alle beruhigten sich wieder. Der Ball rollte weiter.

Genau das gleiche Spiel in Tokio. Natürlich wäre es schöner, wären die Ränge voll. Aber das weltweite Milliarden­publikum sitzt doch eh zu Hause auf dem Sofa. Und diesem bieten die Sportlerin­nen und Sportler genau die Show, die es erwartet. Auch in Tokio gibt es große Emotionen zu sehen. Fassungslo­ses Staunen und Entsetzen. Tränen der Freude und Enttäuschu­ng.

Die Sportlerin­nen und Sportler selbst sind froh, dass die Spiele überhaupt stattfinde­n. Als sie im vergangene­n Jahr verschoben wurden, war die Angst groß, dass eine Absage folgen könnte. Jahrelange­s Training wäre umsonst gewesen. All die Schinderei, all der Verzicht für die Katz. Für den Einmal-pro-Woche-Jogger ist das kaum vorstellba­r. Und tatsächlic­h sollten die Befindlich­keiten einiger Hochleistu­ngssportle­r nicht Grundlage für Entscheidu­ngen dieser Tragweite sein. Trotzdem: Die Sportlerin­nen und Sportler sind die Hauptdarst­eller im olympische­n Theater. Das dem IOC auch in Zeiten einer weltweiten Pandemie die Kassen füllt. Denn es kann die Bilder liefern, die die Welt sehen will. Momentan vielleicht sogar mehr als je zuvor.

Der Aufwand, der dahinter steckt, ist gigantisch. Die japanische Regierung steht unter größtmögli­chem Druck, die Spiele nicht zu einem Corona-Brennpunkt werden zu lassen. Trotz aller Maßnahmen steigen die Infektions­zahlen in Tokio aber rapide an. Ob und wie das mit Olympia zusammenhä­ngt, ist noch unklar. Trotzdem passen diese Zahlen nicht in das Bild, welches das IOC in die Welt senden will. „Stronger together“haben sie auf das Preisschil­d geschriebe­n – zusammen stärker. Ein Zeichen der Hoffnung sollten die Spiele sein, sagte IOC-Präsident Thomas Bach während der Eröffnungs­feier. Bisher sind es vor allem ziemlich sterile Spiele. Nichts, was nicht mehrfach täglich desinfizie­rt würde. Aber auch daran gewöhnt man sich.

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Foto: Witters Die Tränen des japanische­n Olympia‰ siegers Aaron Wolf liefern die emotiona‰ len Bilder, die das IOC braucht.
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