Mindelheimer Zeitung

Na immerhin

Schwimmen Das klare Ziel war die Goldmedail­le. Nach Bronze über 1500 Meter mag sich Florian Wellbrock aber trotzdem freuen. Und: Der große Sieg ist ja immer noch möglich

- VON ANDREAS KORNES

Tokio Die Chronisten hatten längst die Zahlen heraus gekramt. Stev Theloke war im Jahr 2000 als bislang letzter deutscher Mann mit einer olympische­n Einzel-Medaille im Becken dekoriert worden. Bronze über 100 Meter Rücken war das damals. Noch weiter zurück führt die Suche nach einem männlichen Olympiasie­ger. Michael Groß war das. Vor 33 Jahren. Damals gewann auch Uwe Daßler Gold für die DDR. Und nun Florian Wellbrock? Der hagere Schlaks mit den auffällige­n Tattoos auf der Brust, die ihn an seine Schwester erinnern. Sie starb, als Wellbrock neun Jahre alt war. „Genieß dein Leben ständig, du bist länger tot als lebendig“, steht dort. Dieser Wellbrock, der in der Vorbereitu­ng auf Tokio bis zu 110 Kilometer in der Woche schwamm. Der Weltmeiste­r von 2019 über die längste Strecke im Becken.

Bis 1450 Meter sah tatsächlic­h alles danach aus, als könne Wellbrock in die Fußstapfen von Groß treten.

Er führte, wenn auch knapp. Dann, auf der letzten Bahn, zogen aber sowohl der US-Amerikaner Robert Finke als auch Michailo Romantschu­k aus der Ukraine vorbei. Wie schon über die 800 Meter hatte Wellbrock im Endspurt keine Chance. Diesmal aber blieb ihm Bronze. Denn Gregorio Paltrinier­i, der ebenfalls lange in der Spitzengru­ppe geschwomme­n war, hatte abreißen lassen müssen.

„Ich bin eigentlich sehr zufrieden“, sagte Wellbrock später. Ein bisschen ärgerlich sei aber tatsächlic­h, „dass ich es hinten raus nicht halten konnte. Aber die anderen beiden Jungs haben einen super Job gemacht, und ich will jetzt auf gar keinen Fall über eine olympische Bronzemeda­ille meckern.“

Er habe versucht, die letzten 150 Meter das Tempo noch hochzuzieh­en. So wollte Wellbrock den gefürchtet­en Endspurt des US-Amerikaner­s verhindern. Das Vorhaben misslang. „Man versucht, mit allem dagegen anzugehen und fühlt sich dann am Schluss ein bisschen machtlos, wenn man sieht, dass er noch mal explodiert.“

Die zweite Bronzemeda­ille für den Deutschen Schwimmver­band (nach der für Sarah Köhler, ebenfalls über 1500 Meter) poliert dessen Bilanz ordentlich auf. Immerhin verstriche­n die beiden vergangene­n Sommerspie­le medaillenl­os für die deutschen Beckenschw­immer. Sehr schön sei, dass der DSV „verhältnis­mäßig besser“abgeschnit­ten habe als in Rio und London, sagte Wellbrock. Doppelt schön sei, dass die zwei Medaillen nach Magdeburg gingen. Dort leben er und seine Verlobte Köhler. Trainiert werden sie von Bernd Berkhan. Der ist gleichzeit­ig auch einer von zwei Bundestrai­nern. Wellbrocks Leistung über 1500 Meter kommentier­te Berkhan also aus doppelter Trainer-Perspektiv­e. „Er hat es geschafft, die erhoffte Medaille zu gewinnen. Darüber freuen wir uns.“Beherzt angegangen sei sein Schützling, die Konkurrenz habe sich an ihm orientiert. „Letztendli­ch lag es am Endspurt, auf der letzten Bahn konnte er nicht mehr mitgehen. Er hat aber einen guten Eindruck gemacht. Ich war sehr zufrieden als Trainer.“

Für ein Gesamtfazi­t des deutschen Auftritts im olympische­n Schwimmbec­ken sei es dagegen ohnehin noch zu früh, sagte Berkhan. Doch er habe sehr positive Ansätze gesehen, die Entwicklun­g gehe seit den Spielen in Rio in die richtige Richtung. „Aber natürlich sehen wir auch die Defizite, die es noch gibt.“Verschiede­ne Projekte seien schon angelaufen. Noch sei es aber zu früh, deren Auswirkung­en zu sehen.

Ohnehin seien die Wettbewerb­e in Tokio ja noch nicht beendet. Die Langstreck­enschwimme­r gehen noch ins Meer vor Tokio. Mit dabei ist dann auch wieder Wellbrock. Am frühen Donnerstag­morgen nimmt er den Marathon des olympische­n Schwimmpro­gramms in Angriff. Wellbrock: „Erst einmal war es jetzt aber wichtig, dass wir das Beckenschw­immen abhaken. Jetzt heißt es regenerier­en und vorbereite­n auf die zehn Kilometer.“

 ?? Foto: Swen Pförtner ?? Florian Wellbrock konnte sich am Ende der 1500 Meter nichts vorwerfen. Er hatte das Rennen kontrollie­rt, er hatte sogar noch mal das Tempo 150 Meter vor Schluss angezogen. Am Ende aber besaßen seine Konkurrent­en den besseren Schluss‰Sprint.
Foto: Swen Pförtner Florian Wellbrock konnte sich am Ende der 1500 Meter nichts vorwerfen. Er hatte das Rennen kontrollie­rt, er hatte sogar noch mal das Tempo 150 Meter vor Schluss angezogen. Am Ende aber besaßen seine Konkurrent­en den besseren Schluss‰Sprint.

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